Spielzeug oder ernsthafter Dreher?
#1
Ich bin seit einer Woche im Besitz eines Sony PS-Q7A. Bevor ich da weiter was schreibe, hier erst mal ein paar Bildchen, damit ihr wisst, wovon die Rede ist:

       

   

Dieser eher selten anzutreffende automatische Plattenspieler stammt von Anfang der 80er Jahre (vermutl. 1982-84 gebaut) und gehörte als zusätzliche Option zu einer (bzw. mehreren) Minianlagen des Herstellers.

Die Features in Kürze:
Direktantrieb über Linearmotor, PLL-servogeregelt; keine Quarzsteuerung, wie oft zu lesen. 33,3 und 45 U/min. Plattenteller 78 mmØ. Im Deckel kugelgelagertes Andruck-/Stabilisierungsstück.
Vollautomatischer Betrieb nach Vorwahl von Plattendurchmesser und Drehzahl. Low-Mass-Tonarm in L-Form, spitzengelagert, mit gestecktem Audio Technica-Magnetsystem, sphärischer Diamant. Auflagegewicht ca. 2 g; der AT-Tonabnehmergenerator ist identisch mit dem MMD 435 von Dual. Das gilt aber nicht für die Befestigung!
Antrieb des Arms über Klein-Elektromotor, Riemen und Kurvenrad.
Eingebauter Entzerrer- und Kopfhörerverstärker (3,5 mm Klinke). Zusätzlicher Direktausgang vom Tonabnehmersystem rückseitig.
Muting-Relais gegen Körperschallübertragung beim Start- und Stopvorgang.
Betrieb über 220-240 V~. Gewicht ca. 2,9 kg (!), Grundfläche 215 x 230 mm.

Ich habe das Ding bei den Ibäh Kleinanzeigen gefunden. Da es kaputt war, wollte der Verkäufer nur 140,-€ dafür haben; ich habe ihn dann auf 110,-€ runtergehandelt. Sonst gehen die Teile wegen ihrer Seltenheit eher für 250-400,- weg!
Zu reparieren war Folgendes:

Treibriemchen (12 mm Durchmesser!) vom Elektromotor zur Kurvenscheibe des Tonarmantriebs ausgeleiert und daher ohne Funktion. Abtastnadel fehlte. Muting-Relais verdreckte Kontakte, dadurch rechter Kanal meist tonlos. Aufsetzpunkt verstellt. Das war alles in kurzer Zeit repariert, nachdem eine Ersatznadel (original) und das Riemchen bestellt waren. Das Relais konnte geputzt werden, vorsichtshalber habe ich auch ein neues geordert (12 V/2 x UM Miniatur-Relais).
Der Aufsetzpunkt konnte mittels Stellschraube justiert werden, ebenso die beiden Plattendrehzahlen über Trimmpotis.

Hier einige weitere Fotos vom Innen- und Außenleben:

       

       

       

       

       

Mit dem Netzschalter wird der kleine Sony zum Leben erweckt, was durch eine grüne LED angezeigt wird. Nachdem man die gewünschte Schallplatte aufgelegt und die korrekten Werte für Drehzahl und Durchmesser gewählt sind (es gibt für 17 und 30 cm jeweils 33 und 45 U/min), tippt man nur den Kurzhubtaster an und unverzüglich schwenkt der Tonarm über die Einlaufrille und wird sanft abgesetzt. Zur Unterbrechung drückt man die Taste erneut. Der tangentiale Spurfehlwinkel ist übrigens, wie ich mit einer Schablone überprüft habe, sehr gering! Optisch hat man zwar einen anderen Eindruck, aber das täuscht.

Zum Schluss ein paar Worte zur Soundqualität. Was bei manchen Platten stört, ist das Nichtvorhandensein eines richtigen Plattentellers, der die gesamte Platte unterstützt. Besonders bei dünnen LPs und Singles kommt es zu leichten Resonanzen des überhängenden Randes, die in der Einlaufrille und in Trennrillen als schwer zu beschreibendes leichtes Klingen mit tiefer Frequenz zu hören sind. Bei dickerem Plattenmaterial ist diese Eigenart kaum oder nicht festzustellen.

Die Tonqualität ist ansonsten einwandfrei, wie bei jedem anderen Plattendreher mit einem einfacheren Tonabnehmer. In den Höhen zischelt es zuweilen, besonders bei den inneren Rillen. Da der Tonarm kein Antiskating hat (warum bloß nicht? Die Auflagekraft ist ja nicht variabel, so dass man da doch bestimmt eine einfache Lösung gefunden hätte!), neigt er bei Fehlern in der Oberfläche oder wulstigen Einlaufbereichen zum Vorwärtsspringen. Verwellte Platten bringen ihn nicht aus der Ruhe.

Was schon oft vermisst wird ist die problemlose Möglichkeit, bestimmte Stellen der Platte manuell anzufahren. Der Tonarm ist winzig, dicht über der Plattenoberfläche und hat keinerlei ergonomische Anfassmöglichkeiten! Man wird also zumeist eine komplette Plattenseite anhören.
Gleichlaufschwankungen sind nicht hörbar, der Direktantrieb ist mit nur 0,06 % bewerteten Schwankungen angeben.

Sicher ist der PS-Q7A kein Spielzeug, aber eben auch kein vollwertiger Dreher.
Er macht aber Spaß, funktioniert perfekt, man kann mal eben in der Küche oder auf dem Balkon/der Terrasse per Kopfhörer ein paar Platten in ordentlicher Qualität hören und zwischendurch kommt er senkrecht ins Bücherregal. Man darf aber auf keinen Fall vergessen, den Tonarm mit der dafür bestimmten kleinen Kunststoffklammer zu blockieren, bevor man das Gerät herumträgt oder auf die Seite kippt! Da wäre eine unverlierbare Lösung sicher sinnvoller gewesen...

Soweit mein kleiner Bericht über einen recht ungewöhnlichen Plattenspieler, den es übrigens auch in einer preiswerteren Version ohne Kopfhöreranschluss und mit Riemenantrieb gegeben hat.

Gruß
Holgi
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#2
Was meint denn die Katze zu dem Teil ?
Kann lustig werden, wenn im Sommer auf dem Balkon die Wespen mal mitfahren wollen...

MfG Kai
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#3
Antwort auf die Frage:
Spielzeug! 8)
Aber ein nettes. Und von der Qualität gar nicht mal so schlechtes.
Meine wirklich hochwertigen Platten würde ich da denn doch nicht drauf legen wollen...
Gruss, Maddin
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#4
Vin der Konstruktion her aufwändig. Ob Spielzeug oder nicht entscheidet der Tonarm und das Tonabnehmersystem.

Das ist wohl mindestens auf Augenhöhe kleiner Dual (CS415, CST Tangentiale, eben jenes verbaute) und den kleinsten Technics, 2gr Auflagegewicht und die Rundnadel ist akzeptabel.

Lediglich durch den fehlenden Teller mag die LP mehr flattern, Vertikalbewegung ist suboptimal.

Gruß Wolfgang
Willi Studers Bastelkisten Wink
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#5
Hier kann man den Plattenspieler im Betrieb sehen (ab ca. 2:00):
https://www.youtube.com/watch?v=i8yx3yug5lo

Und hier die gesamte zugehörige Anlage:
https://www.youtube.com/watch?v=u2n8Gru7twE


Gruß
Robert
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#6
hannoholgi,'index.php?page=Thread&postID=233554#post233554 schrieb:Da der Tonarm kein Antiskating hat (warum bloß nicht?
Och, das wird überbewertet. Haben die aktuellen Yamahas übrigens auch nicht mehr.
https://www.hifi-regler.de/shop/yamaha/y...-sw-hg.php
Da ist der Kleine also in guter Gesellschaft. Dual 1009 lässt grüßen...
VG Martin
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#7
Vielleicht müssen wir Kinder der 60er, 70er und 80er erst mal wieder lernen das für Spaß am Klang nicht immer nur höher und weiter Das Maß aller Dinge ist.

https://www.teac-audio.eu/de/produkte/lp...84060.html
VG Martin
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#8
Der Dual 1009 hat kein Antiskating. Ab einer gewissen Auflagekraft kann man es vernachlässigen.
Sein Nachfolger 1019 (ab 1965) hat es jedoch!
Je niedriger die AK, desto wichtiger das AS (es sei denn Tangentialsystem. Da entstehen ja keine Skatingkräfte.)
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#9
Sony gibt ca. 2 g an, dabei (und mit der neuen Nadel) fängt es aber schon bei 60 my an zu zerren. Ich bin jetzt auf 2,45 g gegangen, da scheppert es erst bei 80 my! Man merkt beim Abtasttest aber schon, dass die Skatingkompensation fehlt: es zerrt immer rechts zuerst.
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#10
Hallo Holgi,

erst einmal Glückwunsch zu den schönen Spielzeug!


Wenn deine Frage ernsthaft gemeint ist
"Da der Tonarm kein Antiskating hat (warum bloß nicht? "

Ist das ein Tangential Spieler? Wenn ja, dann gibt es keine Skatig Kraft, folglich keine Antiskating erforderlich.

Grüße: Marcell
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#11
Ich bin auch erst drauf reingefallen: Das ist gar kein Tangentialtonarm! (Siehe das siebte Bild in Holgers Beitrag.) Großartig gemacht jedoch – typisch japanisch, wie ich finde. Und der Kunde fand’s damals wohl g*il.

Ansonsten: Spielzeug. (Sagt einer, der EMT gewohnt ist, was aber nur dazu führt, daß man alles andere am liebsten gar nicht mehr anfassen mag.)


Berufskranke Grüße

TSD
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#12
Tondose,'index.php?page=Thread&postID=233630#post233630 schrieb:Sagt einer, der EMT gewohnt ist, was aber nur dazu führt, daß man alles andere am liebsten gar nicht mehr anfassen mag.
Es gibt sogar Leute, die, nachdem sie mal Plattenspieler meßtechnisch betrachtet haben, sowas nicht mehr benutzen wollen Big Grin , sofern es sich vermeiden läßt.

MfG Kai
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#13
Und es gibt Leute, die Plattenspieler von berufs wegen benutzen müssen. Da müssense dann halt durch. Hoffentlich mißt von denen keiner nach …


Berufene Grüße

TSD
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#14
Als alter Plattenliebhaber, das ist ein Spielzeug, aber wenn es von Sony kommt, ist es in vielen Details gut gemacht. Das sollte mit Batterieen und Kopfhörer gehen, damit könnte man z.B. auf dem Flomi oder Plattenbörsn stets Probehören.
Gruß André
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#15
Von Sony gab es ja auch den PS-F5, diesen winzigen, portablen Vertikalplattenspieler, der heute hypebedingt ein Heidengeld kostet. Auch der ist eher Spielzeug, aber immerhin ein gut konstruiertes von anständiger Qualität. Für meine guten Platten habe ich dann aber doch lieber einen Plattenteller...

Viele Grüße
Nils
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#16
Plattenspielzeug Smile
Viele Grüße
Lukas
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#17
Ich hatte mal den PS-F9, klanglich war der hervorragend, es war ein Quartz Direktantrieb mit Tangentialtonarm. Das Problem war, dass manche ungleich gepressten Platten Leierten und dickere Platten oder Platten mit Delle häufig am Rand anstießen. Deshalb hab ich den auch irgendwann nicht mehr gerne benutzt. Er war aber ansonsten ein wirklich schönes Gerät, das mit 4 Batterien betrieben werden konnte. So könnte man abends im Bett oder im Garten sogar zu zweit (2 Kopfhörerausgänge), da er die Platte entweder vertikal oder horizontal spielte, musste er dabei immer gerade auf antiresonatem Untergrund stehen und durfte nicht bewegt werden. Es ist also kein „Discman für Schallplatten“, ich habe ihn anfangs tatsäschlich mal versucht in einer Straßenbahn zu betreiben, aber das Magnetfeld des Motors der Straßenbahn auf den Antrieb war so groß, dass der Plattenspieler entweder stark leierte oder stehen blieb.

Für mich zu viele Abstriche. Man hätte das perfektionieren müssen. Auch schade finde ich, dass die Anschlüsse alle seitlich aus dem Gerät ragten, was die schöne Optik beim Netzbetrieb total zerstörte. Optisch natürlich eine Art Inkone und gegen So Dinger wie den Soundburger ein echtes HiFi Gerät. Resonanzen von dünnen Platten sind mir jetzt nicht aufgefallen, auch nicht über Kopfhörer, wahrscheinlich lag das an der zusätzlichen Stabilisierung, die Platte wird ja durch eine ähnliche Mechanik wie beim CD Player am Label gegen den Teller gepresst. Beim PS F5 macht man das über einen Drehknopf an der Front, beim PS F9 macht das ein Motor, der los läuft, wenn man die „Disc Hold“ Taste drückt. Durch eine LED am Tonarm wird die Rille beleuchtet, wo man sich grad befindet, man kann so auch im Dunkeln über 2 Tipptasten den Arm hin und her fahren und Stellen sehr genau und auch sehr schnell anpeilen.

Ich hab meinen dann an einen chinesischen Sammler verkauft und es auch bis heute nicht bereut, trotzdem, wenn ich ihn irgendwo in Videos sehe hätte ich schon gern mal wieder Einen. Technmoan hat da auch mal ein Video drüber gemacht, bei ihm scheinen Alle Platten zu laufen, vielleicht war bei mir auch was kaputt. Allerdings waren es meistens eher so K-tel Platten, die leierten. Was auch nervig war, war, dass die Führung bei besonders breiten Rillen wohl nicht grob genug war, laute Maxis neigten zum Springen, auch wenn sie aussahen wie neu und auf keinem anderen Gerät Probleme machten. Trotzdem: es ist ein echter Leichtgewicht MM Tonabnehmer und ein richtiger Tangentialtonarm, dem kann man seine Platten ruhig anvertrauen, Schaden nehmen sie nicht.

Das von Holgi hier gezeigte Gerät gehört übrigens zu den FH Anlagen, man kann es auf die FH 7 stellen und hat dann Alles aus einem Guss!

LG Tobi
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