Kippschalter Revox B77 reparieren
#1
Ich hatte ja an meiner "Schnäppchen"-B77 einen angebrochenen und schon mal geflickten Kippschalter (der für REC - R). Und so habe ich mir bei einem bekannten Händler in Upgant-Schott (an dessen Laden ich in jedem Urlaub vorbeifahre) zwei nachgefertigte Schalthebel oder Stößel oder Knebel.... aus Metall bestellt. Die Dinger sind relativ schwer, Aluminium ist es definitiv nicht, eher verchromtes Messing.

Wenn jemand die gleiche Reparatur durchführen möchte, braucht er davor keine Angst zu haben. Die Sache ist mit Aus- und Einbau des Schalterboards in rund einer Stunde R-ledigt.

Ich möchte es hier mal kurz zeigen.

Als erstes wird das Abschirmblech an der unteren Schmalseite der B77 abgeschroben ( 2 Blechschrauben) und alle Steckplatinen gezogen. Vorsicht! Dabei keine Trimmer verstellen, sonst stimmt die Einmessung nachher nicht mehr. Da auch bei der Reihenfolge der Platinen keine Eindeutigkeit besteht, sind Fotos vorher sinnvoll. Oder man schreibt die Ziffern 1-5 aufs Chassis und die jeweilige Platine. Es ist nämlich ein Steckplatz mehr vorhanden, als Platinchen!
Nachdem selbige gezogen sind, liegt das Board so vor einem:
   

Nun müssen alle Steckverbinder abgezogen werden, nachdem auch von denen ein paar Schnappschüsse angefertigt wurden. Ich mache meist drei bis vier Fotos nebeneinander, damit deckt man alle Stecker ab.

Auf der Vorderseite der Revox muss die Bedienfeld-Abdeckung entfernt werden (je zwei Schrauben links und rechts an den Abschlussprofilen und die Knöpfe abziehen).

Dann werden die Kreuzschlitzschrauben ober- und unterhalb der Dreh- und Kippschalter entfernt, außer beim Netzschalter.
Die Potis und deren Schrauben bleiben unangetastet! Es sind insgesamt 12 Schrauben, die gelöst werden müssen (blaue Pfeile). Den Verlauf des Massefederdrahtes kann man entweder fotoknipsen oder mit dem Edding auf dem Metallpanel aufzeichnen.
   

Die Platine kann dann nach hinten ausgefahren werden, wobei noch eine Steckleiste und ein Massedraht auf der Kupferseite zu entfernen sind. Vorsicht mit dem Schaltschieber der Entzerrungsumschaltung, das Pertinax bricht relativ leicht!

Dann liegt die lange Platine so vor uns:
   

Im Gegensatz zu der abendfüllenden Schrauberei zum gleichen Zweck bei der A77 ist das wirklich genial einfach!

Der/die Schalter, der/die einen neuen Hebel bekommen soll, wird von der Rückseite aus abgeschraubt und abgenommen.
Das sieht dann so aus:
   

Nun müssen die beiden Messing-Rohrnieten entfernt werden. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: entweder auf die klassische Art durch Ausbohren, oder (wesentlich einfacher und mit weniger Aufwand) mit einem schlanken Elektronik-Seitenschneider, einer sog. Platinenzange. Die Messingnieten sind weich, so dass man den überstehenden Teil leicht mit der Zange abzwicken oder zusammendrücken kann (1. Foto). Dann dreht man den Niet um 180° in der Bohrung und wiederholt das Ganze. Anschließend kann man ihn nach unten durchdrücken oder -treiben.
Danach kann man die Schalterhälften einfach trennen (4. Foto).
       

       

Die Innereien werden entnommen und wenn man möchte, kann man die Bohrungen und beweglichen Teile mit einer kleinen Menge Vaseline oder Silikonfett versehen.
       

Hier sieht man einen alten (in diesem Fall unbeschädigten) und einen neuen Knebel nebeneinander. Es leuchtet ein, dass man mit dem metallenen Neuteil sicher nie mehr Probleme bekommen wird!
   

Im Schaltergehäuse liegen diagonal gegenüber zwei Vierkantmuttern M3, die später zur Befestigung des Schalters dienen. Wenn man die beiden Hälften zusammensetzt, fällt die eine Mutter natürlich sofort raus, der Schwerkraft gehorchend. Daher ist es am einfachsten, eine der mitgelieferten M3-Schrauben in diese Vierkantmutter einzudrehen, so dass sie bei Umdrehen der Schalterhälfte an Ort und Stelle bleibt:
   

Nun kommt der etwas fummlige Teil der Aktion: der neue Knebel muss mit der Druckfeder, dem Gelenkteil und dem Gleitstück zusammengesetzt und in das Schaltergehäuse gelegt werden. Die Feder drückt natürlich ziemlich und es ist am besten, die drei Teile wirklich vorher zusammen zu stecken und dann in den Schalter einzulegen. Dafür wird man vielleicht zwei oder drei Versuche brauchen, aber es ist nicht wirklich schwierig. Man flucht mal kurz, aber nach zwei Minuten ist das Teil zusammengesetzt. thumbup
       

Nun kann die Sicherungsschraube wieder rausgenommen und zusammen mit der zweiten zum Verschrauben der Gehäusehälften genommen werden.
Man zieht mit "Jefühl" an und gibt vorsichtshalber einen Tropfen Schraubensicherungslack auf die Mutternseite. Fertig ist die Reparatur, die nun bis zum Sankt-Nimmerleinstag halten dürfte!
       

Der Zusammenbau erfolgt sinngemäß in umgekehrter Reihenfolge.
Wen es stört, dass die Stößel silbern sind, malt sie vor dem Einbau schwarz an.
Wer gleich schwarze haben möchte und wen es dabei nicht stört, dass sie wiederum aus Kunststoff sind, kann sie auch als Nachbau bei Pievox bestellen. Kosten um die 11,50 Euro pro Stück. Ach ja, für die metallenen, die ich bestellt habe, will Herr Schröder 14,50 haben.
       

Viel Erfolg wünscht
Holgi Wink
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#2
Klasse !

Einmal mehr ein Reparatur-Leitfaden, der angepinnt gehört. Bislang habe ich immer nur komplette Kippschalter an der B77 getauscht, die irgendwer - im Zweifelsfall ich selbst - abgebrochen hatte. Das hier ist jedoch die hohe Schule der Reparatur, nicht des schnöden Tausches.

Hochachtungsvoll
Thomas
Manche Tonträger werden mit jedem Ton träger.
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#3
Danke für diese für mich wichtige Information! Denn meine 99 benötigt schon seit Jahren dringend (merkt ihr den Widerspruch?) eine Reinigung des Monitorumschalters.

Allerdings muß ich sagen, daß sich das ganze von außen doch recht kompliziert liest. Ich glaub, ich brauch mal wieder ne simple X-2000R zur Reparatur....

LG Martin
Leute, bleibt schön glatt gewickelt!
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#4
Danke für die hilfreiche Anleitung thumbup
Gruß André
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#5
Moin aus Hamburg!

Vor einiger Zeit konnte ich nach dem selben Prinzip einen Kippschalter bei meiner PR99 austauschen, war, ungeübt wie ich war, kein großes Problem. Funktioniert ausgezeichnet, optisch nicht zu unterscheiden.
Den Knebel konnte ich über die Vermittlung von:

https://www.technikundnatur.eu/willkommen.html

kaufen. Der Preis war vergleichbar, die Qualität, wurde mir gesagt, sei noch besser als die der o. a. Quelle.

Gruß

Hannes
Meine Elektronik-Kenntnisse: Ich löte nach Zahlen Smile
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#6
Hannes,'index.php?page=Thread&postID=225600#post225600 schrieb:die Qualität, wurde mir gesagt, sei noch besser als die der o. a. Quelle.
Na ja, das sei dahingestellt... Der Knebel von Revox-Online ist aus Metall, der andere aus Kunststoff. Die von Pievox angebotenen Knebel stammen ebenfalls von Norbert Sernow, also von deiner Quelle.

Es mag ja ein hochwertiger Kunststoff sein, aber haltbarer als Metall? Ich weiß nicht. Aber auf jeden Fall ist es schön, dass man solche Teile als Nachfertigung bekommt!

Man versuche das mal für eine Akai, Sony oder Ferrograph, um einfach willkürlich drei Namen zu nennen. :whistling:
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#7
Zelluloid,'index.php?page=Thread&postID=225486#post225486 schrieb:Ich glaub, ich brauch mal wieder ne simple X-2000R zur Reparatur....
Na, von der Reparatur einer X-2000 lernst du aber nicht, wie man Revox-Kippschalter zerlegt. Also frisch ans Werk!
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#8
Nee, ist auch aus Metall. Hab´ noch einen auf Reserve, werde ihn mal wiegen, so zum Vergleich.
Meine Elektronik-Kenntnisse: Ich löte nach Zahlen Smile
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#9
Aber Sernow schreibt doch selbst, die Dinger seien aus einem hochwertigen Kunststoff (Polyoxymethylen). Und Ernst Schmid (Pievox) hat mir das auch geschrieben.
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#10
Sind die auch, habe selbst welche von ihm thumbsup
Gruß
siggi
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#11
Die Sernow Hebel sind wesentlich besser verarbeitet (vgl. die Fase und auch die Farbe).
Der originale Revox Hebel ist auch aus Kunststoff, somit finde ich es nur konsequent, einen Nachbau ebenso zu fertigen.
Außerdem schaut's komisch aus wenn dann nicht alle aus Metall sind.
Viele Grüße
Jörg
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#12
Baruse,'index.php?page=Thread&postID=225616#post225616 schrieb:Außerdem schaut's komisch aus wenn dann nicht alle aus Metall sind.
Das tangiert mich äußerst peripher! Außerdem ist das wohl doch ein etwas übertriebenes Ästhetikempfinden. Da kucken gerade mal ein paar Millimeter von raus. Und der Netzschalter hat sowieso einen Metallhebel. Und nicht alles was Revox gemacht hat, war optimal. Kunststoff war nun mal billiger als Metall!

Nee, ganz ehrlich, wir sollten es jetzt nicht übertreiben mit der Authentizität. Letztlich ist eine zuverlässige Funktion immer noch das Wichtigste.
Ich finde diese Hebel gut und schön und lasse sie mir jetzt auch nicht madig machen! X(

Gruß Holgi
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#13
hannoholgi,'index.php?page=Thread&postID=225617#post225617 schrieb:
Baruse,'index.php?page=Thread&postID=225616#post225616 schrieb:Außerdem schaut's komisch aus wenn dann nicht alle aus Metall sind.
Das tangiert mich äußerst peripher! Außerdem ist das wohl doch ein etwas übertriebenes Ästhetikempfinden. Da kucken gerade mal ein paar Millimeter von raus. Und der Netzschalter hat sowieso einen Metallhebel. Und nicht alles was Revox gemacht hat, war optimal. Kunststoff war nun mal billiger als Metall!

Nee, ganz ehrlich, wir sollten es jetzt nicht übertreiben mit der Authentizität. Letztlich ist eine zuverlässige Funktion immer noch das Wichtigste.
Ich finde diese Hebel gut und schön und lasse sie mir jetzt auch nicht madig machen! X(

Gruß Holgi
Das hatte ich gar nicht vor - sorry wenn es so rüberkam ;(
Viele Grüße
Jörg
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#14
Ich würde auch nur die aus Metall verbauen, so einen Schalter mag ich nur einmal zerlegen, dann soll er das restliche Leben und noch länger halten.
Gruß André
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#15
Ich habe mir meinen Reserveknebel mal mit der Kamera genauer angeschaut, aus Neugierde.
Vielleicht können Fachkundige aufgrund der Bilder leidenschaftslos das Rätsel lösen: "Metall oder Kunststoff"?
Das Gewicht beträgt 2 gr.

Gruß

Hannes


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Meine Elektronik-Kenntnisse: Ich löte nach Zahlen Smile
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#16
Der Knopf und die Querstifte sind natürlich aus Metall, wahrscheinlich Alu. Aber der Hebel selbst ist aus Polyoxymethylen (POM), einem besonders harten, widerstandsfähigen und für spanabhebende Bearbeitung geeigneten Kunststoff, der zur Herstellung von Präzisionsteilen geeignet ist. So habe ich eben bei Wiki gelernt!
Das Material wird daher wohl deutlich länger halten als die Originalhebel.

Vermutlich nimmt es sich nichts, ob Metall oder dieses Zeugs. thumbup
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#17
Das Originalteil ist ein Kunststoffspritzling und daher leicht bruchgefährdet. Das abgebildete Teil sieht mir nach POM oder vergleichbarem aus, das ist deutlich zäher.
Gruß André
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#18
Hallo Holgi,

vielen herzlichen Dank für deine tolle Anleitung zum Wechseln der Kipphebel bei der B 77. Ohne diese Beschreibung hätte ich es nicht geschafft. Super gemacht !
Rudi
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#19
Gerne! thumbup
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#20
Nachdem ich meine Revox heute nach Urzeiten wieder anhatte, mußte ich feststellen, daß außer Gekratze nicht wirklich mehr aus dem Monitorschalter herauskommt. Auch mit 100 mal umlegen war dem diesmal nicht mehr beizukommen. Output Poti kracht auch, genauso wie der wiedergabeseitige Uncallschalter.

Ich glaub, ich muß da bei.

Aber wie gesagt, der Bericht hört sich kompliziert an....

LG Martin
Leute, bleibt schön glatt gewickelt!
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