Hamburger HiFi Tage 2018
#1
Moin, moin,

am ersten Wochenende im Februar findet in einem Hamburger Hotel die Saisoneröffnung der HiFi-Messen statt. Auch diesmal bin ich wieder von Raum zu Raum geschlendert, auch wenn ich den Eindruck hatte, es war etwas weniger los, als 2017. Hinsichtlich der Zahl der Besucher mag das an dem Wetter gelegen haben, das irgendwie weder winterlich, noch frühlingshaft gewesen war. Aber auch einige der Veranstaltungsräume scheinen mir diesmal leer geblieben zu sein.

Im Gegensatz zum vergangenen Jahr sind mir keine Bandgeräte aufgefallen. Drehende Plattenspieler gab es viele, doch als Zuspieler haben davon nur wenige Verwendung gefunden. Weniger als zuletzt.
Streaming ist angesagt. Und wo manche Händler tatsächlich die selbst zum Verkauf angebotenen Streming Server vorführen, kommt bei anderen die einfachste Technik, das Telefon als Quelle zum Einsatz, das versteckt irgendwo in der Ecke liegt. Es ist nicht so, dass der durchschnittliche Highend-Anbieter keinen Wert darauf legen würde, viel Geld in den digitalen Teil der Wiedergabeanlage zu investieren. Doch haben bestimmte Telefone wohl halt einen bestimmten Status erreicht, der keinen Zweifel mehr zulässt, bei dem sich der Zweifel zumindest noch nicht sähen lässt, wo es noch nicht möglich ist auf einen frisch gesähten Zweifel mit dem Zubehörverkauf zu reagieren. So wird das Telefon also per USB-Kabel angebunden, das dicker ist, als das Telefon stark, damit niemand auf die Idee kommt, den Preis der angeschlossenen Verstärker und Boxen in einen Kontext zum Preis des Telefons zu setzen.
Dabei habe ich gelernt, das Reinsilber-USB-Kabel nach einer gewissen Zeit schärfer klingen, als kupferne USB-Kabel. Das muss ich bestimmt wissen. Wirklich. Ich hoffe, die Post - oder wer auch immer die Kabel verlegt, über die heute über größere Distanzen gestreamt wird - weiß das auch.

Ob es an den vielen Reinsilber-USB-Kabeln gelegen hat, kann ich nicht sagen: Jedenfalls hat mir der Klang vieler Vorführungen wieder nicht gefallen. Wenn mir also ein Verkäufer erzählt, heute sei es viel schwieriger geworden, bessere Boxen zu bauen, als die Industrie anböte, als zu Zeiten von Grundig oder Braun, dann fragte ich mich hier und da nach einer Vorführung, ob ich nicht mal meine alten Grundig oder Braun anschließen sollte ...

Das zumal die Zahl klassischer "Musiktruhen" tatsächlich wieder größer zu werden scheint. Ebenso die Zahl der angebotenen portablen "Radios" und klein-Anlagen. Retro ist in. Samt einem oft recht gequälten Klang, der es nicht immer schafft, dem Retro-Habitus nachzueifern. Objektiv besser? Auf jeden Fall mit weniger Charme.

Am Design der angebotenen HiFi-Anlagen merke ich, dass ich wohl alt bin, alt sein muss. Was angeboten wird, gefällt mir nicht. Egal, wie prominent der Name ist, der drauf steht. Ob deutscher oder ob chinesischer Herkunft ("Engineered in Germany"): Power-Meter im Zeiger-Design per Multifunktionsdisplay finde ich lächerlich! Ebenso blau leuchtende Plattenteller.
Fast schon erholsam ein italienischer Verstärker im 70er-Jahre Fake-Profi-Design, mit kantigen Griffen an der Front. Transonic - wer auch immer die gemacht hatte - lässt grüßen. Gut habe ich das Design früher nicht gefunden, doch der heutige Vergleich wertet es enorm auf.
Immerhin hat auch ein schweizer Anbieter eine Abwechslung zu bieten, schaut etwas wie Nagra aus. Der Rest kommt uniform.

Der Boxen-Markt, so habe ich den Eindruck, lässt hingegen wieder mehr Variationen zu. Vorbei die Zeiten, in denen Lautsprecherboxen im Einheitsdesign daher gekommen waren: schlanke schwarze Quader.
Eine Hamburger Lautsprechermanufaktur erlaubt sogar eine individuelle Gestaltung per online-Konfigurator, samt Farbpalette eines britischen Herstellers für edle Wohnraum-Farben. 40% weibliche Kunden sollen das Ergebnis sein. Zur "Verheiratung" von Weiche und Chassis darf der Kunde sogar ins "Werk" kommen und sicher auch mit etwas Champus anstoßen.
Aber auch Standboxen mit seitlich angebrachten Druckkammer-Hörnern oder ein Horn, umrahmt von vier frei hängenden 10"-Tieftönern, sind wieder möglich.
Das "wieder möglich" soll aber nur bedingt als Lob verstanden werden. Hier und da scheint mir die Freiheit in der Gestaltung mehr den Preis als die Qualität legitimieren zu sollen. Zum Glück gibt es da ja noch welche, die mit darüber entscheiden, ob das gelingt. Ich habe jedenfalls nicht gekauft.

Auch weiß ich nicht so ganz, was ich von der Idee halten soll, dass das gesamte Setup einer geregelten Aktiv-Box, per Update, neu in die Anlage eingespielt werden können soll. Wirklich ein Fortschritt? Oder muss ich rechtzeitig ein Backup machen, bevor der anstatt einer Weiche eingebaute "Computer" abstürzt? Wird so ein Update eigentlich online eingespielt? Brauchen meine zukünftigen Boxen einen Internet-Anschluss? Virenscanner? Firewall? Meltdown-Patches?

Irgendwie entlarvend war für mich die Diskussion um direkt an den Aktiv-Boxen anzuschließende digitale Quellen: Lautstärke-Regelung? Ja, aber derzeit nur mit gleichzeitigem Qualitätsverlust wegen Datenreduktion, oder mit Hilfe einer vorherigen Extrapolation. Da bleibe ich doch analog.

Ein Highlight war für mich der Elektrostaten-Hersteller Sombetzki, der eine Art großen Kopfhörer gezeigt hat. Der Musikhörer - oder sollte ich sagen "die Testperson" oder "der Proband" - sitzt auf einem Stuhl nahe einer Wand, während schräg links und rechts vor ihm und in maximal einem Meter Entfernung, je ein "Elektrostaten-Segel" auf einem Ständer steht. Lautsprecher-Stereophonie für kleine Räume. Oder die Möglichkeit, Kunstkopf-Aufnahmen nicht per Kopfhörer abhören zu müssen?
Noch bin ich mir nicht darüber im Klaren, wie ich mir die zukünftige Wohnraum-Gestaltung mit solchen Hör-Abteilen vorstellen soll, und erinnere mich dabei an den Film "Brazil".
Auf der anderen Seite weiß ich heute noch nicht, wie ich die Jagd-Beute der vergangenen Woche unterbringen soll, und habe sie trotzdem erlegt ...

Der nächste Februar kommt bestimmt.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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