CEREL 312
#1
In Frankreich wurde der Markt für Tonbandgeräte in den Fünfzigern und frühen Sechzigern von Philips dominiert. Dank eigener Produktionsstätte im Land konnte Philips Importzölle vermeiden und hochwertige Produkte zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten.

Daneben versuchten mehrere kleinere einheimische Unternehmen, ein Stück des Kuchens abzubekommen. Eines davon war die Firma CEREL, Constructions Et Recherches Electro-magnétiques, Anfang der sechziger Jahre im 19. Pariser Arrondissement in der Impasse Lemière ansässig. Von CEREL ist mir bisher nur ein Modell bekannt geworden, das CEREL 312, welches auch in seinem Ursprungsland nur selten anzutreffen ist.

Dieses Modell 312 ist ein kleines Holzköfferchen mit zweifarbigem Kunststoffüberzug in den Abmessungen 32 x 25 x 15 cm (B x T x H) und mit einem Gewicht von ca. 6 kg.

   

   

Hergestellt wurde das Gerät offenbar im Jahr 1961. Datumsangaben auf diversen Bauteilen stammen aus dem Zeitraum 7/60 bis 3/61.

Auffallend ist die ungewöhnliche Gestaltung des Deckels, der vorne tief heruntergezogen ist und damit die Lautsprecheröffnung völlig verdeckt.

   

   

Die Lautsprecherabdeckung ist als umlaufende Lochblende aus Messing gestaltet, was dem Gerät ein ansprechendes Äußeres verleiht.

   

   

Die Deckplatte ist eher schlicht gestaltet, zwei Drucktasten links, zwei rechts.

   

Links findet man Stop und schnellen Rücklauf, rechts Wiedergabe und Aufnahme. Wird die Wiedergabetaste tief gedrückt und festgehalten, so löst sich die Andruckrolle von der Tonwelle und der rechte Bandteller kann das Band frei durchziehen. So erhält man einen schnellen Vorlauf.
Besonders schnell ist der zwar nicht, aber bei maximal 10-cm-Spulen gibts auch nicht viel umzuspulen. Mit ein paar kleinen Änderungen – es handelt sich nur um wenige Millimeter hier und da – hätte man allerdings auch Platz für 11er schaffen können.
Komplettiert werden die Bedienelemente durch ein Zählwerk rechts und ein Rändelrad links für Netzschalter und Lautstärke-/Aussteuerungsregler. Unter der Öffnung gleich daneben sitzt eine Glimmlampe, die als Aussteuerungshilfe dient. Anschlüsse für Mikro und externen Lautsprecher findet man oben rechts neben dem Kabelfach.

Unter der Abdeckung geht es entsprechend schlicht weiter. Ein-Motoren-Laufwerk für 9,5 cm/s, zwei Köpfe in Halbspur-Mono-Technik, vierstufiger Verstärker mit nur zwei Röhren, ECC83 und ECL82.
Schlicht heißt allerdings nicht schlecht. An einigen Stellen der Technik hat man sich durchaus etwas Ungewöhnliches einfallen lassen.
So wird z. B. eine der beiden Trioden der ECC83 nicht mit der vollen Heizspannung von 6,3 Volt betrieben, sondern mittels eines Vorwiderstands von 10 Ohm etwas unterheizt. Ich vermute, es handelt sich um jene Triode, welche die erste Verstärkerstufe bildet. Ich vermute weiter, man wollte mit der so verringerten Kathodentemperatur das Rauschen dieser Stufe vermindern.

Der rechte Bandteller wird über ein Reibrad angetrieben, der linke bei Bedarf vom Motor selbst, mit Hilfe eines aufgesetzten Gummirads.

   

Für den schnellen Rücklauf wird der linke Bandteller gegen den Motor geschwenkt.

   

   

Die Ruheposition kann mit einer Stellschraube justiert werden.
Der eine der beiden Bremsgummis im Bild dient als Feststellbremse in Stellung Stop, der andere sorgt für den gewünschten Bandzug bei Aufnahme/Wiedergabe.

Hier noch ein Blick auf die beiden Köpfe.

   

Und hier mein Versuch, die kleine Glimmlampe in Aktion abzulichten:

   

Blick auf die Unterseite. Die Tonwelle wird ebenfalls über ein Reibrad angetrieben.

   

Der Antrieb des Zählwerks erfolgt über eine flexible Welle.

   

Damit kommt der Antrieb ganz ohne Riemen aus. Die Reibräder sind noch in sehr gutem Zustand, keine Dellen, nichts verhärtet.

Blick auf die Elektronik; mehr braucht man nicht für ein Tonbandgerät:

   

Mir fiel auf, daß hier Bauteile von Firmen verwendet wurden, die mir in anderen französischen Geräten bisher nie begegnet sind, z. B. die Folienkondensatoren von HELGO, die auf dem obigen Bild zu sehen sind, oder Elkos von G. Varret ...

   

… ein Motor von Cassor …

   

… oder ein Trafo von Tesa:

   

Zum Schluß noch ein Blick in den leeren Koffer mit dem Lautsprecher ...

   

… und auf den Lautsprecher allein:

   

Wie es sich gehört, gibt es auch ein Typenschild mit einer Seriennummer, hier die 1459:

   

Die originale Bedienungsanleitung ist zwar vorhanden, …

   

… gibt aber leider keine Auskunft über Frequenzgang oder andere technische Daten, sodaß ich solche Informationen vorerst schuldig bleiben muß.

Was aus CEREL geworden ist, konnte ich bisher nicht herausfinden. Im Handelsregister ist – soweit mir zugänglich – kein Eintrag zu dieser Firma mehr vorhanden. Auch die einstige Adresse, die Impasse Lemière, existiert heute so nicht mehr. Das Viertel wurde umgestaltet.

Gruß
TSF
Zitieren
#2
Hallo,

wie kommst Du nur immer an diese entzückenden Exoten?

Sehr schöne Vorstellung, vielen Dank!

Man sieht, wie die Konstrukteure versucht haben, mit einem Minimum an Material auszukommen und

das Problem gut gelöst haben. Interessant und blöde Tradition zugleich: die überall verwendeten Rundkopfschrauben, die schon

vermurksen, wenn ihnen ein Schraubenzieher zu nahe kommt.

Gruß

Peter S.
Zitieren
#3
PSMS,'index.php?page=Thread&postID=216539#post216539 schrieb:wie kommst Du nur immer an diese entzückenden Exoten?
Hallo Peter,
dieser hier schwamm vor einiger Zeit in der französischen E-Bucht. Auf den Bildern sah der Koffer etwas vergammelt aus. Das hat vielleicht einige Interessenten abgeschreckt. Einer ließ sich aber nicht abschrecken und hat das Gerät dann für einen sehr geringen Betrag bekommen. Wink

Der Moder auf dem Köfferchen ließ sich aber leicht abschrubben. Nur die Rostflecken auf den metallenen Deckelverschlüssen zeugen jetzt noch von der einstigen feuchten Lagerung.
Innen war das Gerät recht sauber. Ein paar Teerkondensatoren mußten gewechselt werden, die meisten durften bleiben. Die Mechanik verlangte nach Säuberung und nach frischen Schmierstoffen. Daß ich beim Lösen einiger Schrauben etwas Mühe hatte, hast Du mit Kennerblick gleich erspäht. Vielleicht fehlt mir einfach das geeignete Werkzeug dafür.

Gruß
TSF
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 1 Gast/Gäste