Futterneid
#1
Moin, moin,

heute bin ich, trotz Wind und Regenschauer, zum Flohmarkt geradelt und wurde schon am Eingang damit konfrontiert, dass ein paar Unwürdige Boxen in einem Hackenporsche abtransportiert haben. Nicht, dass ich die gewollt hätte, aber ich hatte nicht einmal die Wahl gehabt!
Vor ein paar Wochen ist mir Ähnliches passiert. Da schob ein mir gut bekannter Händler mit den selbst frisch erworbenen Canton‘s an mir vorbei (so was hat der schon öfter getan!), erzählte mir, was er ausgegeben habe und fragte mich dann, ob ich sie ihm nicht (fünfzig Prozent teurer) abkaufen wolle. In meinem Jagd-Revier. Ich habe mir dann fünf Plattenspieler gekauft: Frust-Bewältigung.

Die HGS und die Optacord habe ich heute trotzdem stehen lassen und bin an einem Haufen Stände mit eher uninteressanter Ware vorbei geschlendert, habe mir zwei Schallplatten ausgesucht, um überhaupt etwas zu kaufen (dabei nicht einmal gemerkt, dass ich die eine schon habe, dafür eine andere, interessante wegen eines! Euro zuviel stehen lassen), ein altes Messgerät und ein paar Röhren, die ich alle samt eher nie brauchen werde, mitgenommen, und stand plötzlich an einem Stand der alle anderen überstrahlte: Ein Sonnenstrahl brach durch die Wolken und beschien einen edler Vollverstärker und einen ebensolchen Tuner; und daneben stand ein Verkäufer der überzeugte, dass das auch wirklich seine Geräte wären, die er nur ungern abgäbe. Aber Kinder müssen auch irgendwo wohnen, und dann muss das HiFi-Zimmer halt weichen. Meinte er.

Wenn ich durch die Kleinanzeigen blättere, kann ich mir Bilder tausender gebrauchter Musik-Wiedergabe-Hilfsmittel anschauen. Darunter auch welche von T+A und Nakamichi. Jeweils wahrscheinlich Dutzende davon. Kaufen tue ich sie dort eher nicht, weil: schließlich gibt es sie dort morgen immer noch, und brauchen tue ich tatsächlich wirklich weder noch einen Tuner noch einen weiteren Verstärker. Aber der große Unterschied besteht darin: Sie standen heute vor mir, waren greifbar und könnten mir jederzeit quasi weg genommen werden.
Und schon ist ein anderer Interessent da … und noch einer: Alle möglichen Leute, denen der Preis sowieso zu hoch ist, fangen an zu Grabbeln, weil man hier ja Grabbeln kann. Nehmen Stück für Stück in Besitz, hinterlassen Grabbelspuren und Duftmarken. Und alle paar Minuten kommt wieder irgendein älterer Herr vorbei – bin ich wirklich auch so alt? - und fragt nach dem Preis und lässt trotzdem deutlich an seinem Gesicht erkennen: „eigentlich will ich den haben“.
Es entwickeln sich Gespräche um einander zu legitimieren, warum man Den nicht nehmen sollte: ohne zu testen!, bei dem Preis!, auf einem Flohmarkt! Stünde da ein Onkyo, dann würde nicht darüber geredet, sondern würde bei dieser Argumentationslage Gegangen werden. Aber man bleibt stehen. In meinem Revier. Einer verspricht, sollte das Gerät in den Kleinanzeigen auftauchen, würde er vielleicht anrufen, fragt sogar nach dem Standort. In meinem Revier!
Ich bin gegangen, wiedergekommen, ein bisschen gekreist. Am Anfang mit der klaren Erkenntnis, „den brauche ich nicht“. Bevor das „Gegangen“ in das „Kreisen“ übergegangen ist, sogar mit der Erkenntnis, „den kriege ich woanders auch“. Aber jener wäre halt „woanders“. Dieser ist nahe, realistisch, greifbar. Und die Sparkasse ist auch nicht weit weg …

Objektiv betrachtet ist es so: In meiner Wohnzimmeranlage steht ein guter und funktionsfähiger Verstärker. In meiner Büro-Anlage steht auch ein guter und funktionsfähiger Verstärker. Das größere Modell, das ich mir vor ein paar Wochen gekauft habe, steht auf einem Tischchen vor dem „Rack“ in meinem Büro und ist nur noch nicht eingebaut, weil das erstens Mühe macht und zweitens der, der dort eingebaut steht, eigentlich nicht schlechter ist, als jener, der eingebaut werden könnte. Und in Höhle 1 stehen auch noch ein paar Verstärker und in Höhle 2 sowieso.

Man kommt ins Gespräch, erklärt dem Verkäufer, dass man den Verstärker ja eigentlich nicht brauche, man so einen zu diesem Preis jederzeit an anderer Stelle bekommt und man ja höchstens bereit wäre, „soundsoviel“ auszugeben. Ja, wäre der Preis niedriger, dann wäre ich sofort zur Sparkasse unterwegs.
Der Käufer macht ein Gegenangebot. Nicht mein Preis: Ich reagiere nicht einmal: Mensch, bin ich souverän. Er geht nochmal runter. Soll man wegen dreißig Euro wirklich diskutieren, wo ich doch an der einen Platte bereits drei Euro eingespart habe?

So schwer, wie er von außen aussieht, ist der Verstärker übrigens nicht. Da ist einer von den Unbenutzten, die ich im vergangenen Jahr erlegt habe, bei vergleichbaren Dimensionen und Haptik, schwerer.
Die Stereoplay-Testübersicht nennt irgendwelche „Punkte“ zur Qualitätseinschätzung. Deren gleiche Anzahl hat mein Wohnzimmer-Verstärker auch. Und der andere, der auf dem Tischchen steht, und das vermeintlich kleinere Modell im Büro ersetzen soll, auch. Beide. Bei letztlich tatsächlich nicht geringerem Gewicht. Was ich hier keinem Entwickler zum Vorwurf machen will.

Nun steht mein „neuer“ Verstärker also auf einem Stuhl neben dem Computer an dem ich schreibe. Immerhin in mittelbarer Nähe zu den ebenfalls noch nicht benutzten Boxen, die ich letzten Monat erjagt habe. In Betrieb gehen wird er dort nie. Aber das macht ja nichts, schließlich spielen die anderen zur Zeit gut.

Bekloppt? Vor ein paar Jahren bin ich über einen anderen Flohmarkt gegangen und habe ein Paar I.Q. Level One gefunden und stehen lassen. Erstens waren die mir ein paar Euro zu teuer und zweitens hatte ich drei Stände zuvor bereits ein Paar Level One für zehn Euro weniger gekauft. Auch wenn ich die One nicht benutze, ärgere ich mich doch bis heute, das zweite Paar stehen gelassen zu haben. Welche Qualen die jetzt wohl bei fremden Leuten erleiden müssen …
Trotzdem erinnere ich mich gern an diesen Flohmarkt, auf dem ich immerhin so etwas wie die Level One gefunden habe. Ebenso erinnere ich mich genau an den Flohmarkt, auf dem ich die Mission 750 Limited Edition und an den, auf dem ich das eine Paar Arcus TL500 erlegt habe, an den Flohmarkt, auf dem Bernhard und ich eine schön erhaltene A77 haben stehen lassen (was mich heute noch ärgert) und an den Flohmarkt, auf dem er eine A77 und ich eine Ihle Phono-Rex mitgenommen haben. Bei den vielen hundert anderen Märkten, von denen ich „Irgendetwas“ mitgenommen habe, habe ich eher keine konkrete Erinnerung. An den T+A-Flohmarkt werde ich mich erinnern. Lohnt nicht alleine das das frühe Aufstehen? Erinnert hätte ich mich allerdings auch, wenn ich ihn hätte stehen lassen, wenn auch ein bisschen weniger positiv.

Die Frage, ob das etwas mehr „positiv“ das Geld wert gewesen ist, werde ich mir nicht stellen. Ein wenig Selbsterkenntnis sollte man sich erhalten: die Frage führt zu nichts. Natürlich hätte ich gleich zuhause bleiben können. Bei dem Wetter und wo ich auf Flohmärkten sowieso keine Geräte mehr finde. Erzähle ich zumindest immer und versuche auch mir das einzureden. Klappt nur nicht, glaube ich mir nicht und schließlich ist das, was dort steht, ja auch so lange irgendwie meins, bis ich mich entscheide, es nicht haben zu wollen. Anders kriegt man halt keine TL500 vom Flohmarkt. Und schließlich habe ich den T+A ergattert und nicht die Anderen ...

Bekloppt? Immerhin: An welche einzelne Zigarette erinnert Ihr Euch noch nach Jahren? Ich rauche nicht, ich schleppe ab Wink

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#2
Wie wahr!

Ich bemühe mich meiner besseren Hälfte zuliebe die Sammelleidenschaft nicht zu sehr ausarten zu lassen.

Allerdings stelle ich fest das es viel mehr Spaß mach ein neues Gerät dazu zu nehmen als mal ein paar wieder abzugeben...

hat echt einen nich ganz von der Hand zu weisenden Suchtcharakter,,,

VG Martin
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#3
Matthias, als ich dich vor 10 Jahren kennen gelernt habe, warst du noch jünger. Ob du inzwischen so alt bis, wie jene, die in deinem Revier stöbern, können wir prüfen, wenn wir wieder gemeinsam stöbern gehen. (Das sollten wir in diesem Jahr wieder einmal machen. Wenn Bernhard und ich dabei sein, fällt dir anscheindend das Stehenlassen von Geräten leichter.)

"Nicht brauchen" ist kein gutes Kriterium. "Keinen Platz haben" indes schon.

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#4
nicht brauchen ist so eine sache.
ich sage immer, lieber haben als brauchen. Big Grin
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#5
niels,'index.php?page=Thread&postID=203970#post203970 schrieb:...wenn wir wieder gemeinsam stöbern gehen. (Das sollten wir in diesem Jahr wieder einmal machen. Wenn Bernhard und ich dabei sein, fällt dir anscheindend das Stehenlassen von Geräten leichter.)...
Mensch Niels,

nehmt mich mit. Als ich das letzte Mal mit Matthias loszog, hat er einen Receiver und ich ein Tapedeck abgeschleppt...brauchte er sicher nicht Big Grin und meines wollte der, für den es gedacht war, dann auch nicht...Schicksale halt...aber allein das gucken ist schon Adrenalin pur...
Weißt Du noch, Matthias, der schlafende Händler, während ich um die Revoxe ´rumgeschlichen bin???
T+A und Nakamichi gabs da aber nicht, sicher warst du woanders...DAS wäre aber mal ein Revier für mich! Wink

Gruß
Frank
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#6
Hallo Frank,

leider ist das "Niveau" des Angebots nicht planbar. Insofern muss man sich überraschen lassen, Glück haben. Aber "Revox" war doch auch nicht schlecht, oder?

Gemeinsam jagen? Da bin ich zu vielen Schandtaten bereit. Man kann ja auch mal, wenn Ihr schon eine Anreise in Kauf nehmen wollt, das eine oder andere Ziel außerhalb der Stadt angehen. Es gibt so einige vermeintliche Kult-Veranstaltungen (von denen alle reden, auf denen aber noch nie jemand selber gewesen ist ...) über die man nachdenken könnte.

Wie dem auch sei: Sprecht Euch ab, macht Termine.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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