Wie werden Bezugsbänder von Scratch erzeugt?
#1
Hallo zusammen. Ich möchte gerne wissen, wie Bezugsbänder "von scratch" erzeugt werden. Also nicht: man nehme ein käufliches Bezugsband ... Oder was bräuchte man, wenn es keine käuflichen Bezugsbänder mehr gäbe um ein solches normgerecht herzustellen? Ich finde dazu nichts wirklich Erhellendes.
Gerhard
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#2
Sonicman,'index.php?page=Thread&postID=203285#post203285 schrieb:was bräuchte man, wenn es keine käuflichen Bezugsbänder mehr gäbe um ein solches normgerecht herzustellen?
Ohne jegliche Referenz wird vor allem die Bestimmung des Bezugspegels zum echten Problem, da die Absolutmessung des magnetischen Flusses einen apparativen Aufwand benötigt, den sich von uns heutzutage keiner leisten könnte. Nicht von ungefähr wurde schon in den 1950er Jahren eine äußerst aufwendig hergestellte "Ur-Bezugspegelaufzeichnung" bei der PTB hinterlegt (wo sie sich vermutlich heute noch befindet).

Die exakte Bestimmung der senkrechten Aufzeichnungsrichtung ist demgegenüber ein Kinderspiel.

Zur genauen Nachbildung des Bandflussverlaufes der gewünschten Wiedergabeentzerrung braucht es hauptsächlich einen Wiedergabekopf mit bekannten Spaltverlusten sowie eine magnetische Einspeiseschleife.

Das erforderliche Prozedere ist in Peter van Bommels Standardwerk "Die Entzerrung in der magnetischen Schallaufzeichnung" (Agfa 1973) auf S. 35-42 beschrieben.

Grüße, Peter
Grüße
Peter


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(Konrad Adenauer)
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#3
Ich danke Dir Peter für die Info. Der Hintergrund meiner Frage ist, wenn alle Bezugsbänder letztlich Kopien sind, und niemand mehr die Kalibrierungseinrichtung vorhält, ob wir dann nicht irgendwann in Probleme laufen? Oder mache ich da gedanklich einen Fehler?
Gerhard

P.s. Das Werk von van Bommels habe ich mir heruntergeladen, sehr aufschlussreich! Hat jemand die DIN 45513 und könnte einmal nachsehen ob darin beschrieben ist wie das "urband" gemessen wurde oder wird? DIN Blätter kann man leider nur kaufen, ca 26,- EUR, sie dürfen aber nicht kopiert oder ins Netz gestellt werden.
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#4
Sonicman,'index.php?page=Thread&postID=203300#post203300 schrieb:wenn alle Bezugsbänder letztlich Kopien sind, und niemand mehr die Kalibrierungseinrichtung vorhält, ob wir dann nicht irgendwann in Probleme laufen? Oder mache ich da gedanklich einen Fehler?
Dein Einwand ist prinzipiell nicht von der Hand zu weisen: Irgendwann wird es vorbei sein mit der Originalität der ursprünglichen Referenz.

Zum möglichst spät eintretenden Verfall meiner Ur-Referenz-Aufzeichnungen benutze ich eine systematische Methode, indem diese Aufzeichnungen so sorgsam wie möglich gelagert und so selten wie möglich eingesetzt werden.

Beispielsweise habe ich zur Bestimmung des Bezugspegels vor über einem Jahr aus einer Sammlung vorhandener Bezugsbänder, die entweder noch nie oder nur sehr wenig benutzt worden waren, den Mittelwert bestimmt (die Streuung lag bei ±0,3 dB) und diesen dann durch Neuaufzeichnung auf einer speziell ausgesuchten NOS-Bandcharge mit extrem hoher Gleichmäßigkeit mit einer Genauigkeit von 0,05 dB (!) nachgebildet. Diese Aufzeichnung dauert etwa 30 Minuten und bildet meine Hauptreferenz für die von mir hergestellten Messbänder, bei denen ich eine Pegelgenauigkeit von 0,5 dB bei Bezugsfrequenz garantiere. In größeren Zeitabständen wird diese Hauptreferenz mit dem ursprünglich bestimmten Mittelwert der Original-Bezugsbänder verglichen. Bis heute sind mit diesem Verfahren langfristig keine nennenswerten Abweichungen aufgetreten.

Eine ähnliche Methode mit den entsprechenden Aufzeichnungen verwende ich für den Frequenzgang. (Im Grundsatz hat das Verfahren Ähnlichkeit zu einer Schallplattenherstellung mit einer Lackfolie, einem oder zwei Vätern, mehreren Müttern, vielen Söhnen und -zig daraus hergestellten Tonträgern.)

Die Herstellung einer exakt senkrechten Spaltaufzeichnung ist wie gesagt keine besondere Schwierigkeit. Diese braucht nur eine entsprechend hohe mechanische Präzision, um genau, stabil und reproduzierbar zu sein.

Grüße, Peter

PS. Die DIN 35513 ist bei mir vorhanden.
Die Bestimmung und das Messverfahren für den Absolutbandflusses wird beschrieben in DIN 45520, die ich auch habe.
Grüße
Peter


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#5
Jetzt wird mir das klarer! Die 45520 werde ich mir gelegentlich besorgen, das Thema interessiert mich. Ich frage mich, ob es einen praktikablen "workaround" gibt. Schließlich haben wir 2017, da sollte man den Fluss am Spalt doch messen können.
Grüße und gute Nacht
Gerhard
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#6
Sonicman,'index.php?page=Thread&postID=203303#post203303 schrieb:Ich frage mich, ob es einen praktikablen "workaround" gibt.
Für deinen Wissensdurst habe ich etwas Material zum Download zusammengestellt (Link gilt eine Woche).

Aus den Vorschlägen von John McKnight zur vereinfachten Bestimmung des Absolutflusses wurde der AES Standard "ANSI S4. 6-1982", geltend für GB, USA, Kanada, Südamerika, Japan und Asien. Zu beachten ist allerdings, dass der ANSI-Bandfluss 0,8 dB höher liegt als der nach DIN. Das heißt ein Bandfluss von z.B. 200 nWb/m gemessen nach ANSI entspricht 220 nWb/m gemessen nach DIN.

Grüße, Peter
Grüße
Peter


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#7
Hallo Peter,
danke ebenfalls für die ausführlichen Erklärungen. Das würde ich mir auch gerne runterladen, muß aber warten, bis ich heute abend heim bin, im Geschäft zickt die Firewall... :whistling: Wink

Bei Cassetten handhabe ich das ähnlich. Ich habe mir ein paar Bezugsbänder besorgen können mit DIN-Pegel für 250nw/m. Die Pegel unterscheiden sich von zwei verschiedenen Exemplaren nur sehr gering. Daraus bastle ich mir dann Arbeitscassetten, die ich auf einem frisch Justierten Deck anfertige, die Originalcassetten verwende ich nur möglichst selten. BASF hatte zudem wohl auch empfohlen, eine Bezugspegelcassette oder Band nicht mehr als 10x zu verwenden, da durch Anlöschung oder Abrieb Pegelverluste entstehen können. In der Praxis ist das aber nicht so dramatisch, ich kann sie schon öfters verwenden, ohne messbare Unterschiede. Aber schon allein, Nachahmungen auf Stereodecks anzufertigen bringt wieder neue Probleme mit sich...

Bezugsbänder für Tonband muß ich mir noch besorgen. Auch die Profis wie Bluthardt oder Pievox fertigen ihre Arbeitsbänder gegen "geheiligte" Refrenzbänder an. Eine dierekte Messung des magnetischen Flusses am Kopfspalt stelle ich mir schwierig vor. Vor allem braucht es auch hier eine Referenz zum Abgleich.
Gruß André
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#8
Danke Peter!
Die Herstellung eines Referenzbandes nach der DIN ist eigentlich "primitiv", das Problem ist die Messanordnung, die einerseits ein "Gebastel" darstellt, andererseits höchste Genauigkeit bei der Herstellung und Messdurchführung erfordert. Allein das Auslenkdrehmoment eines Bandbündels im homogenen (!) Magnetfeld zu messen stelle ich mir fast unmöglich vor. Wer schon einmal einen Kernspintomografen geshimmt hat weiß, was ich meine. Ich gehe davon aus, dass die ursprünglichen Messaufbauten "auf dem Müll" gelandet sind. Daher wäre es m. E. doch sinnvoll sich Gedanken zu machen, ob man den Bandfluss heute nicht mit Hallsensoren messen könnte. Man müsste natürlich eine eigene Mess- und Kalibriervorschrift erstellen, aber dann hätte man für die Zukunft ausgesorgt. Mit modernen 3D Sensoren müsste das gehen. Ich werde mal einen unserer Physiker dazu befragen.
Grüsse
Gerhard
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#9
Sonicman,'index.php?page=Thread&postID=203334#post203334 schrieb:Allein das Auslenkdrehmoment eines Bandbündels im homogenen (!) Magnetfeld zu messen stelle ich mir fast unmöglich vor.

Deswegen waren in Deutschland solche Absolutmessungen damals ausschließlich größeren Forschungsstellen vorbehalten, deren Ergebnisse im Auftrag des deutschen Normenausschusses untereinander verglichen wurden (Ringmessung). Der Mittelwert wurde zum DIN-Bezugspegel erklärt, die Übereinstimmungsgenauigkeit lag innerhalb ±5%.

Nicht von ungefähr betragen nach DIN 45513 die zulässigen Maximalabweichungen für den Bezugsbandfluss seitdem ebenfalls ±5%.

Grüße, Peter
Grüße
Peter


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#10
Das erinnert mich irgendwie an einen alten Schinken der schon Jahrzehnte bei mir weilt

-> Helmuth Lemme, Elektro Gitarren Sound, Pflaum Verlag München.

Die Spannung wird durch eine Veränderung des magnetischen Flusses im TA bedingt durch die Seitenschwingung über dem TA erzeugt.

Er stand vor der Frage wie man die Resonanzfrequenz und Güte eines TAs ohne schwingende Saite erzeugen kann. Er benutzte in seinen Versuchsaufbau zur Bestimmung der Eigenschaften eines eingebauten TA's einen (weiteren) Tonabnehmer.

Analog würde ich für die Erzeugung eines magnetischen Flusses im Tapedeck...na was?...einen Tonkopf 8o benutzen und so lange testen bis dieser das gleiche Ergebnis wie die Testkassette erzeugt.

P.S. Ich schreibe dies in der Eigenschaft eines kompletten elektronischen Laiens der sich nicht anmaßen möchte irgend etwas von dem hier Diskutierten zu verstehen. Aber in Analogie war ich schon immer Spitze.. ^^

Vg Martin
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#11
Das Buch habe ich auch, aber den Teil habe ich vergessen... :S
Gruß André
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#12
https://www.conrad.de/de/bluetooth-adapt...44488.html
Gruß Ulf

TF-Berlin
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#13
Apropos Einspeiseschleife

Irgendwo liegt das hier im Keller, zuammen mit dem EMT203 ...

Und wer noch Bezugsbänder oder Meßkassetten haben will -> PN. Da das weltweit die letzten Reste aus dem EMTEC Insolvenz-Bestand sind, sind nicht mehr alle Entzerrungen und Geschwindigkeiten vorhanden. D.h. es muss mit Korrekturwerten gearbeitet werden. Tabellen finden sich auf Seite 10. Und bevor die Diskussionen über Genauigkeit losgehen ... man beachte die Meßungenauigkeiten des eigenen Equipments, welches in den meisten Fällen sowieso nicht kalibiert ist. Jedes Bezugsband wird noch auf meiner A820 auf Pegelkonstanz kontrolliert. Ich gebe noch zu bedenken, dass das Angebot begrenzt ist ...

Gruß
Michael
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#14
sensor,'index.php?page=Thread&postID=203347#post203347 schrieb:https://www.conrad.de/de/bluetooth-adapter-kassette-ion-audio-1244488.html

Wo wir schon mal so weit sind ...

https://de.wikipedia.org/wiki/Theremin
https://www.youtube.com/watch?v=w5qf9O6c20o
https://www.youtube.com/watch?v=pSzTPGlNa5U
https://www.youtube.com/watch?v=MJACNHHuGp0

Grüße, Peter
Grüße
Peter


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#15
Ich stelle mir das als Lieschen Müller eher so vor: Man nimmt eine Vollspur Maschine, z. B. eine Nagra 4.2 oder eine mit etwas mehr Platz im Bandpfad und baut eine Hallsonde hinter oder statt des Wiedergabekopfes ein, dies aber mit schön definierter Mechanik. Diese müsste man sich einmal gut überlegen und dann vielleicht im 3D Drucker erzeugen. Hallsonden gibt es kalibriert mit hoher Genauigkeit, 1-2 % sollten aber genügen. Dann schickt man einmal ein Bezugsband durch und schaut, ob die Sonde misst, was sie soll. Das ist keine Kalibrierung sondern lediglich ein Test. Wenn dieser Teil funktioniert beschreibt man mit dem Aufnahmekopf das Prüfband und stellt den Pegel dabei direkt nach dem Hallsignal ein, das ginge sogar automatisch. Dann hätte man eine Maschine die beliebige Bezugsbänder und Pegel generieren könnte. Ginge das? Wie gesagt, wir haben 2017 und die kleinen feinen Halbleitersonden gab es vor 40 Jahren noch nicht.
Gerhard
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#16
Frohe Ostern!

Da mich doch so einige anschrieben haben, mache ich die Inventur aus Vereinfachungsgründen mal hier.

Noch im Bestand:

Tonbänder
BB9,5-6-IEC, 90+3180µs, 250nWb/m, englische Ansage - 70€
Gleichlauf-/Geschwindigkeitsmeßband, 19,05 cm/s, 3150Hz@-10dB, 0dB=320nWb/m,150m - 50€
BB4,76-6-IEC, 120+3180·µs, 250nWb/m - 70€
BB19S-6-IEC1, 70µs, ohne Ansage - 60€
BB19S-6-IEC1, 70µs, 320nWb/m - 70€
Stereo Testband 38, Pegeltonteil, Kopfhöheneinstellung, Spalteinstellung, Übersprechdämpfung - 50€

Fidelipac 65-451, 8-Track NAB Standard Calibration Cartridge - Angebot
Spaltprüfband 1/4“, verwendbar für 19, 38 oder 76 cm/s - 50€
Bluthard Meßband 9,5-NAB - 50€

MCs
Referenzlevel 1kHz@0dB, 250nWb/m - 40€
Referenzlevel 1kHz@-10dB, 250nWb/m - 40€
Multifrequenz Fe/Cr, unterschiedliche Frequenzen - 10€

Alles andere ist weg und es liegt auch nichts mehr unterm Tisch oder Sofa ...
Alle Preise pro Stück inkl. Versand in D.

Gruß
Michael
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