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Hallo Forum,

Mit genügendem Sicherheitsabstand möchte ich mich Heute dem Tonband-Forum vorstellen. Bekannt geworden bin ich für meine Phonostufen. Was nur die wenigsten wissen: Ich habe mal mit einem Tonbandgerät angefangen. Wer wissen will, wie das alles zustande kam, möge es hier nachlesen. Dieser Beitrag wird später durch Bilder erweitert werden. Gelegentliches ´reinklicken lohnt also.

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Wer seine Teenagerzeit in den 70-ern verbracht hat, hatte normalerweise einen schicken Radiorecorder. Das war einfach "in", ein einziges Gerät am Henkel, und den SWR 3 Pop-Shop gab es damals nur als Nachmittagsprogramm, da hatte man noch seine C 60 mit der letzten Hitparade von Werner Reincke ´drin. Das konnte man dann abends hören, wenn Luxemburg auf Mittelwelle zu sehr pfeifte, denn ansonsten war damals nur Schlagerschmalz im Äther. Viele der heute Zwanzigjährigen beneiden mich, weil ich noch miterlebt habe, daß einst Deep Purple und Nazareth und Kiss und wie sie alle hießen in den Hitparaden waren. Wer sich noch an diese Zeit erinnert, wird mir zustimmen: Gottlob ist das Radioprogramm vielseitiger geworden. Wahrscheinlich 80% des 70-er Jahre Radioprogramms waren schlichtweg ungenießbar. Im Gegenzug war "Musik aus der Konserve" wesentlich gefragter als Heute, wenigstens, wenn der Musikgeschmack nicht dem damaligen Schlagerschmalz Mainstream entsprach.

Nun waren Radiorecorder eine Anschaffung, unter rund 200,- Mark für einen "Poppy" oder "Sanwa" und wie sie alle hießen ging damals fast nichts. Außerdem waren die Cassettenteile ziemlich anfällig. Wahrscheinlich 60% meiner Schulfreunde ärgerten sich über das defekte Cassettenteil und darüber, daß das lange gesparte Taschengeld weg war. Also wollte ich´s getrennt, ich sparte auf ein Kofferradio und einen Cassettenrecorder. Der war damals ganz selbstverständlich noch in Mono.

Als ich etwas Geld zusammenhatte, beschlossen meine Eltern, ich solle ein gutdeutsches Qualitätsprodukt bekommen. Sie nahmen mir mein Gespartes, gaben noch etwas zu, und für 180,- Deutsche Mark hatte ich ein Blaupunkt Derby Kofferradio. Der hat bis Heute überlebt. Am wertigen Gehäuse nichts auszusetzen, aber ein Klangbild, daß es eine Bestrafung ist, zuzuhören. Etikettenschwindel - Taiwanzeux, und mein langjährig gespartes Taschengeld war weg. Das war ungefähr die Zeit, da ich beschlossen habe, Bastler zu werden. Wenn man in den 70-ern über den Sperrmüll ging, konnte man im Zehnerpack Röhrenradios mitnehmen. Die waren damals noch 30 Jahre jünger als Heute, selbst mit Bastlermethoden bekam man das ein- oder andere Stück wieder hin, und klanglich ... aaah ... einem Kofferradio weit überlegen.

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Als billige und bessere Alternative zum Cassettenrecorder boten sich Batterie Tonbandgeräte an. Mono-Tonbandgeräte wurden damals zwar nicht unbedingt zum Sperrmüll bestellt - jeder hatte irgendwie eine persönliche Aufnahme auf der Spule - aber gebraucht wurden die auch nicht mehr. Meistens standen die unbenutzt und mit Standschäden im Kleiderschrank. Wenn man sagte, man sei bastelnder Schüler und suche ein altes Tonbandgerät - mit etwas Glück bekam man eins geschenkt.

In meinem Fall verliebte ich mich in das GRUNDIG TK 6 L. Ich habe noch Heute eines im betriebsbereiten Zustand. Dieses Tonbandgerät hat gewisse spezifische Nachteile. Es ist häßlich, es kann nur 11-cm-Spulen, und es ist bleischwer. Ein intakter Tragegriff zum TK 6 L wäre eine Rarität. Ansonsten hat es nur Vorzüge, und ich wundere mich, daß es so unbekannt geblieben ist. Der größte Vorzug - es ist ein Batteriesparwunder. Wanderurlaub mit den Pfadfindern 3 Wochen in den entlegensten Winkel der Erde. Andere hatten den Rucksack voller Ersatzbatterien. Ich hatte den Rucksack voller Tonbandspulen. Drei Wochen später: Mein TK 6 L spielte auch zur Heimreise noch - die Anderen mußten meine Musik ertragen. Eine Grundig TK 6 L kommt mit einem Batterisatz aus 6 Monozellen weit über 100 Betriebsstunden, wenn man Alkali-Batterien verwendet. Das eingebaute Netzteil ist eigentlich nur Luxus - bei dieser Bandmaschine braucht man es nicht. Die Maschine hat zwei Geschwindigkeiten, und mit 4,75 und triple-Band auf der 11-er Spule kam man durchaus auf eine ordentliche Spielzeit, dem Cassettenrecorder weit überlegen. Auch das Klangbild, selbst bei 4,75, war vieeeel besser als aus einem Japan-Billigrecorder. Zu guter Letzt entpuppte sich die Maschine als sehr robust. Sie hat mich über meine gesamte Jugendzeit begleitet.

Ich hatte noch andere Batterie-Tonbandgeräte, aber von allen war mir die TK 6 L die liebste. Eine Alternative war zum Beispiel die M 300 Reihe von Telefunken, ich hatte mehrere Geräte davon, und halte auch Heute noch eines in Schuß. Diese kleinen Batteriegeräte waren deutlich flacher, leichter und "smarter" als die Grundig, und konnten 13-er Spulen. Außerdem verfügten die M 300´s über "HighEnd-Specs" wie eine Gußrahmen-Mechanik (in einem Batteriegerät !) und ein "Anti Rolling" mit gegenläufige Schwungmassen. Die Qualität der Tonköpfe schwankte sehr stark. Von echten "Dumpfheimern" bis zur wirklich brillianten, guten Aufnahme und Widergabe war bei einer 300-er alles möglich, selbst mit ladenfrischem Tonkopf. Die Klanggüte des eingebauten kleinen Japan-Lautsprechers erreichte bei Weitem nicht das Maß einer TK 6 L, war aber je nach Aufnahme nicht wirklich schlecht. Mit einem sehr stabilen, in den Gußrahmen integrierten Tragegriff und einer in den Tragegriff integrierten Pausetaste war das Gerät geradezu ideal für Reportagezwecke und Mikrofonaufnahmen, zudem war die Aufnahme, gute Köpfe vorausgesetzt, ziemlich gut. Ansonsten jedoch waren die M 300´s mit ihrem tachogeregelten Motor ziemliche Batteriefresser, und die Mechanik, vor Allem die hakeligen Tipptasten, war weit weniger robust als der Gußrahmen das erwarten lies.

Eine UHER Report war Traum. Irgendwann konnte ich mir eine leisten, noch in hellgrau mit kleinem Fenster über den Spulen, lief noch. Die Report verwendete einen elektronisch kommutierten Synchronmotor wie meine Grundig, verbrauchte aber viel mehr Batteriestrom. Das Klangbild des kleinen Monitor-Lautsprecherchens konnte sich an meiner Grundig auch nicht gerade messen, die Dreikant-Ersatzriemen waren teuer und die gummibelegten Antriebsteller notorisch eingedellert. Obwohl optisch sehr schön, war das Ding weder deutlich kleiner noch deutlich leichter als meine Grundig. Irgendwann habe ich es gegen etwas anderes eingetauscht. Der Reiz der UHER ist - aus meiner Sicht - daß man Leute kennenlernt, es ist das ganze Umfeld. Wenn "Otto Normalbürger" einen Fotoapparat mit in Urlaub nimmt, hat der "Uherianer" noch ein Mikrofon mehr und eine Huthalterung dabei. "Tausche Mainzer Bahnhof Atmösphäre gegen Türkischen Jahrmarkt" unter UHER-Fans kein Problem.

Für Zuhause verwendete ich die "üblichen" Hutschachtel-Monogeräte, so lange sie liefen. Es haben nur wenige davon diese Zeit überlebt. Eine AEG KL 65 habe ich noch, weil sie für mich irgendwie die Vorwegnahme des Tapedecks symbolisiert. Die KL 65 hat keine Endstufen, ist klein und herzig-schön. Eine Grundig TK 20 hat überlebt, als typischer Vertreter ihrer Art einerseits, und wegen technischer Details. Die TK 20 hatte in ihrer Equalisation keine Spulen, sondern verwendete Doppel-T-Filter in einer abgesetzten EQ-Box. Das fand ich zur Studentenzeit hochinteressant. Wie jeder andere Tonbangerätefan auch habe ich eine TK 14*, in meinem Falle die Grundig TK 145 de luxe. Für eine gewisse Zeit liebte ich außerdem die TK 42 von Grundig. Die TK 42 war ein "häßliches" Hutschachtelgerät, und daher billig(st) zu bekommen. Unter der Deckelplatte fand man einen modesten Gußrahmen, 3 Köpfe, 3 Geschwindigkeiten und immerhin eine Wiedergabemöglichkeit für Stereo-Bänder. Die Wiedergabe für meine TK 6 L Bänder, einst mit 4,75 aufgenommen, war gut, und bei 19 cm gab diese Dreikopfmaschine Aufnahmen, die weit über dem Niveau liegen, das man Grundig-Tonbandgeräten gemeinhin nachsagt. Irgendwann hat sich der Gußrahmen leider aufgelöst --- Zinkfraß !

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Das Tonbandhobby war für mich weitgehend monofon. Sicher, spätestens seit der UHER Report und ihrem Umfeld und ihren Fans hatte ich doch gewittert, daß Tonband ein ganz anderes Medium, ein ganz anders Hobby ist als zum Beispiel die Compact Cassette. Aber ... wen oder was wollte man aufnehmen ? Wer sich an die frühen UKW-Stereotuner erinnert, wird bestätigen, daß sie gerne gerauscht und gepfiffen haben. Solche Aufnahmen machten keinen Spaß, da blieb es beim Mono. Es gab gute Tuner, aber das war die Ausnahme. Erst mit dem MC 1310 Chip von Motorola und mit PLL - Decodierung kamen wirklich brauchbare, robuste UKW-Stereo-Tuner ... für mich damals unerschwinglich. Mikrofonaufnahmen ! Ja, und ich hatte schon damals kapiert, daß eine gute, unkomprimierte Bandaufnahme weit mehr hergibt als Radio oder eine Schallplatte. "Dieter Diercks" und sein "Recording Mobile" waren uns ein Vorbild für einen Lebensstil. Wenn irgendo ein Turnhallen - Rockkonzert war, dann war ich da, und ich hatte ein Bandgerät unter dem Arm, wenn möglich direkt aus der PA gezogen, das sind Aufnahmen !!! Es war aber schon ende der 70-er abzusehen, daß diese Zeit und dieser Lebensstil keine Kontinuität haben würden. Die Funkrockband "Flickwerk" aus Mainz Kastel, oder die Jazzer vom "Michael-Sagmeister-Trio", und wie sie alle hießen, wie es sie damals in jedem Ort gab ... solche "Mastertapes" waren eine ideale Tauschbasis, und ein Erlebnis, sie abzuhören. Ein Tonband opfern, um eine Schallplatte zu überspielen ? Nein, da habe ich lieber die Schallplatte genommen.

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Stereofonie war für mich stets mit der Schallplatte verbunden. Meine erste "Stereoanlage" bestand aus zwei Holzradios und einem alten Dual mit Kristallsystem Stereo-Abtaster ... aus einer Musiktruhe ausgebaut. Die Wende kam für mich zu Anfang der 80er Jahre, nicht nur in der Politik. Aus der Begegnung auf dem fast allwochenendlichen Turnhallen-Rockkonzert wurde die Begegnung auf der (Schul-)Klassenparty, Rockmusik war out, Disco kam und die Klassiker dieser Zeit füllen noch Heute jede Discothek, HiFi war vergleichsweise erschwinglich geworden. Ich hatte die gymansiale Oberstufe erreicht, der Gewerbebetrieb meiner Eltern forderte mehr Mithilfe denn je, meine Freizeit wurde knapp. Ich zog erstmals eine Bilanz, was und wo ich "weiter basteln" sollte oder wollte. Zu dieser Zeit hörte ich meine Musik mit einem BRAUN RC 8 Stereogerät, zwei großen SABA-Breitbändern in je einem Kleiderschrank, und als Plattenspieler hatte ich einen PE 34 HIFI mit Kombinationsantrieb sowie Bang & Olufsen Tonabnehmer --- sozusagen die "Creme" der 60-er Jahre, alles damals 20 Jahre (ver)alt(et) und quasi zum Schrottpreis erstanden, ergab sich ein Klangbild, das von der maximalen Lautstärke der "paar Röhrenwatt" einmal abgesehen so ziemlich alles in den Schatten stellte, was irgendwie erschwinglich war. Ich kaufte mir damals ein billiges Stereo Cassettendeck, um mich mit Freunden leichter austauschen zu können, und begann ernsthaft an die Phonostufe heranzugehen, um auch andere Plattenspieler an meinen Braun anschließen zu können.

Ich will diese Gedanken hier zitieren, weil sie so oft mißverstanden werden. Im HiFi-Jahrbuch aus 1982/83 gab es weder das Gerät "Phonostufe" noch gab es diesen Begriff für ein Stand-Alone-Gerät. Allenfalls gab es MC-PrePres, oder die CX-Decodereinheit (Rauschunterdrückung für Schallplatten) von CBS/Sony. Eigenständige Phono-Vorverstärker waren Einbaugeräte für Plattenspieler. Wer etwas auf sich und eine gute Schallplattenwiedergabe hielt, hatte Vorverstärker und Endverstärker getrennt, und placierte den Vorverstärker nahe dem Plattenspieler, um kurze Kabelwege und die damit verbundene Klangverbesserung beim Plattenspieler zu erreichen, und trotzdem die dicken, brummenden Endstufentrafos vom Tonabnehmer fernzuhalten. Auch meine erste selbstgebaute Stereoanlage war nach diesem Konzept aufgebaut. Nun ist, wie die heutige HighEnd Ecke uns eindeutig zeigt, eine aufwendige (!) Röhren-Phonostufe nicht ganz ohne, und es ärgerte mich, daß sie stets leer mitlief, wenn ich gerade Tonband hörte. Außerdem war bei meinem Röhrenverstärker (und darunter wollte ich nicht mehr gehen) die Trennung von Vor- und Endstufe nicht gerade zum klanglichen Vorzug verlaufen. Aus dieser Situation heraus "erfand" ich das, was man Heute als "Phonostufe" bezeichnet. Ich selbst nannte das gute Stück damals "Tube Phono Preamp by Stefan G." und verkaufte es bis 1997 auch genau unter diesem Namen.

Die ersten Ansätze verliefen, wie bei wohl jedem Bastler, katastrophal. In den frühen 80-ern gab es keine Hochvolttrafos, es gab keine Hochvoltelkos, Folienkondensatoren bestenfalls in Netzfilter-Qualität, es gab keine Röhrensockel und Röhren gab es bestenfalls als billige Importversion aus Russland oder China. Schon die Materialsituation in Sachen Röhrengeräte war eine Katastrophe. Das erste gut laufende Stück, das die im PE eingebaute Phonostufe oder Etücke wie zB. einen Dual TVV 46 wirklich deutlich übertraf, hatte ich nach jahrelanger Bastelarbeit so um 1982 am Laufen. Danach kamen die Detailverbesserungen wie Loftin-White Kopplung der Röhrenstufen (schwierig, weil es keine PNP Röhren gibt), die verzerrungsmindernde QPP Anordnung nach Gibbert, Röhrenstabilisiertes Netzteil, in weiten Grenzen einstellbare Grundlast für den MM-Tonabnehmer undundund und ... was Heute sooo sehr daran auffällt: Die umschaltbare Entzerrung, die Multi-EQ-Phonostufe. Ich hatte wohl kapiert, daß der EQ bei Schallplatten nicht immer normgemäß verläuft, hatte jedoch - wie Heutige Hersteller auch - keine genauen Unterlagen. Außerdem mußte ich fertig werden, das Abitur stand vor der Tür. Meine Phonostufe dieser Ära verwedete Potis für die EQ-Kalibrierung und sah einer heutigen FM-222 nicht unähnlich. Auf der Rückseite war bereits damals ein Anschluß für externen EQ, vorgesehen als Option zum Weiterbasteln. Dieses Gerät, diese Entwicklungsstufe, habe ich später als "Phono 85" dokumentiert und die Grundschaltung des Verstärkers niemals wieder verändert. Es läuft derzeit als MK IV, eine MK V ist in Vorbereitung.

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Mit bzw. kurz nach dem ABI kam die Volljährigkeit, der völlige Bruch mit dem Elternhaus, das Motorrad, die Nachtarbeit beim Paketdienst, das Studium, die erste eigene Wohnung, und .... eine gewisse Freiheit.

Ich habe diese Möglichkeiten - zum Glück und gerade noch rechtzeitig - genutzt, um alles über die Aufnahmetechnik von Schallplatten anzusammeln was ich bekommen konnte. Die Lust am Motorradfahren und die damit verbundene Möglichkeit längere Distanzen zu überwinden und kundige Menschen kennenzulernen, Studios und Schneidebetriebe aufzusuchen usw. usw. ... Möglichkeiten, die es Heute in dieser Form einfach nicht mehr gibt. Kontakte zu van den Hul fallen in diese Ära, zu EMT, zu Neumann, zu Mohndruck, zu AEG, zu EMI und zu DECCA und viele andere mehr. In diese Zeit fiel auch das erste Mal da ich unter Studiobedingungen "echte" Mastertapes abhören konnte - Ein Erlebnis ohnegleichen ! Mastertapes vermitteln einen völlig anderen Eindruck von den Möglichkeiten der Aufnahme- und Wiedergabetechnik, Wahrscheinlich 95% des aktuellen Hai Aend würden bis zur absoluten Lächerlichkeit degradiert, wenn man gegen ein Mastertape hört. Einmal gut aufgenommene Mastertapes abgehört zu haben eröffnet einen ganz anderen Horizont.

Ich bekam offene, ehrliche Einsichten in den damals noch laufenden Studio- und Schneidebetrieb der Schallplattentechnik. Damals war man noch willkommen, wenn man als Bastler seine Phonostufe voranbringen wollte, und die Information war weitgehend frei ... man wußte, daß die Ära zu Ende geht, und gab bereitwillig Auskunft. Dazu kam das Studium, falls man ein konkretes Ziel vor Augen hat, lernt man wesentlich intensiver, man kann das Erlernte sofort - z.B. an seiner Phonostufe - in die Realität umsetzen und den Gehalt hinterfragen, sich ggfs. selbst korrigieren usw. usf..

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Der nächste Wendepunkt kam in der zweiten Hälfte der Achtziger Jahre. Ich wollte, man wird´s kaum glauben, mal "Digitalo" werden und mir einen CD-Spieler kaufen. Also zog ich los, kaufte mir wie andere auch "frei nach Testbericht" einen 900-Mark-CD-Spieler, dazu zum Einstand noch zwei CD´s, nahm alles mit nach Hause, klemmte an ... und war entsetzt. DAS war ja nun wirklich kein Fortschritt !!! Der Händler tauschte mir auch noch dreimal um - die CD mußte doch einfach besser sein - und dann mußte ich mich für ein Stück entscheiden und das Geld war weg.

Jetzt wollte ich es aber wissen und schrieb im studentischen Kreis eine Wette aus. Die Wette betraf, daß kein CD-Spieler meinen Plattenspieler übertrifft. Voraussetzung: Gleiche Aufnahme auf beiden Medien, jedoch frei wählbares Musikstück (meine Plattensammlung war schon damals ziemlich umfangreich) sowie frei wählbarer CD-Spieler. Die Anzahl der wertenden Zuhörer mußte ungeradzahlig sein, damit man zu einem Ergebnis kommt. Die Wette ging um eine Kiste Bier. Ich wollte einfach wissen, welcher CD-Spieler kaufenswert war. Das Resultat war eine verrückte Zeit. Quasi jeder, der sich im Bekanntenkreis einen neuen CD-Spieler kaufte, kam anschließend mit dem guten Stück und ein paar Freunden bei mir an und wir haben testgehört ... und ich wurde fast zum Alkoholiker, so viel Freibier habe ich damals gewonnen. Die Sache zog sich über mehrere Jahre hin. Verloren habe ich schlußendlich an der Aufnahme "Black or White" von Michael Jackson - die kommt von CD einfach besser. Aber das ist Heute fast unwichtig.

Diese Zeit prägte meinen Ruf als Phono-Audiophiler, der wider den Strom der anerkannten Testheftchen sich bereitwillig dem direkten A-B-Vergleich zur CD stellt ... und gewinnt. Irgendwann kam jemand auf den Gedanken und fragte mich, ob das nun ein "Geniestreich" sei, oder ob das gute Stück reproduzierbar ist. Diese erste jemals verkaufte Gibbert-Phonostufe ist auf 1987 datiert.

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Die Finanzierung des Studiums wechselte von Nachtarbeit zur Teilzeitarbeit in einem Fernsehgeschäft, wo sich diese anfälligen Japanischen Videorecorder stapelten und der Inhaber - zu meinem Glück - keine Lust mehr hatte, sich mit diesen "LowQuality" Produkten noch abzugeben. Dieses Arbeitsverhältnis hielt bis zum Ende des Fernsehgeschäftes, was glücklicherweise mit dem (sehr gut gelungenen) Ende meines Studiums zusammenkam. Diese Zeit prägte mein Empfinden für Qualität und das Wissen darum, wie man einen langlebigen elektrischen Apparat baut. Schade, daß es nur noch so wenige Werkstätten gibt. Mindestens 75% meiner Ingenieurskollegen, finde ich, hätten einen solchen "Werkstatteinsatz" einmal nötig, allein schon um zu erfahren, was aus theoretischen Gedanken und Konstruktionen in der Praxis einmal wird. Erst die Kenntnis der Praxis gibt einem Ingenieur die Möglichkeit, ein wirklich gutes Produkt zu schaffen.

Neben anderen Dingen, die nun einmal mit dem Ende eines Studiums und dem akademischen Grad zusammenkommen, habe ich mich in den letzten Jahren intensiv darangesetzt, meine früheren "Basteleien" genauer zu dokumentieren, und meine umfangreiche Radiogeräte-Sammlung aufzuarbeiten bzw. instand zu halten. In gewisser Weise konnte ich mein früheres Hobby zum Beruf machen, ohne den Spaß daran zu verlieren. Falls man mich Heute fragt, was der Unterschied zwischen einem "Bastelgerät" und dem "Ingenieursgemäßen HighEnd" ausmacht ... es ist wohl die Dokumentation und die Reproduzierbarkeit. Viele schöne, kaufenswerte Stücke sind seit dieser Zeit bei mir entstanden. Seit Herbst 2001 trete ich auf als nebenberuflich freiberufliches Ingenieurbüro. Außer der HOAI-Beratung (Schaltungsentwicklung von der Idee bis zur Kleinserie, CAD-Service, usw. usf.) für Firmen biete ich nach Musterbau-Maßstäben individuell auf Bestellung handgefertigtes HiFi. Es gibt mittlerweile bei mir vom Tonarm bis zur Lautsprecherbox komplette Stereoanlagen zu kaufen. Mein Ruf ist dennoch für viele mit der wahrscheinlich besten Phonostufe der Welt verbunden.

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Das Tonbandhobby, um den Beitrag abzurunden, war bzw. ist für mich stets mit der Möglichkeit auf gute Mikrofonaufnahmen verbunden. Diese Möglichkeiten resultieren stets aus dem Umfeld, dem Freundeskreis. Gute Amateur-Rockbands gibt es Heute kaum noch, und wenn, dann Covern sie altes Zeux aus den 70-ern. Disco war seit jeher mit der Digitaltechnik verbunden. Mein Tonbandhobby lag in gewisser Weise brach, bis ich zu Anfang der 90er mit einer Musikerin befreundet war, die konzertant Geige spielt. Außerdem waren zu dieser Zeit Stereofone Bandgeräte günstig zu bekommen. Zu meinem Entsetzen mußte ich jedoch feststellen, daß ich fast alle Medien verloren habe. Die alten Bänder klingen entweder matt oder dumpf, und Neubespielungen hören sich noch schlechter an. Neue Bänder gibt es wohl kaum noch, oder schon zu "Liebhaberpreisen". Immerhin eröffnete mir meine damalige Freundin die Welt zur klassischen Musik, das Gefühl für die klassischen Instrumente und große Orchester. Nennenswerte Aufnahmen habe ich zu dieser Zeit nicht mehr hinbekommen. Meine Aufnahmegeräte waren zu weit zurück und zu lange nicht gewartet, um aus dem Stand heraus noch einmal ernsthaft loszulegen. Langfristig werde ich in Sachen Aufnahmetechnik wohl auf digitale Formate umsteigen. Erste Versuche mit 32 BIT und 96 kHz sampling auf Basis von Linux verliefen recht erfolgsversprechend, wenngleich noch immer ein Unterschied zu wirklich hochwertiger Schallplattenwiedergabe verbleibt. Daß man in solchen Digitalformaten nur noch zwei bis drei Musikstücke auf eine CD bekommt und darüber hinaus eine "schnelle" Rechnerausstattung benötigt ist natürlich eine andere Geschichte.

Meine noch vorhandenen Tonbandgeräte pflege ich als ein schönes Stück Technik. Das Tonbandgerät stellt für mich einen Höhepunkt einer Hochtechnologie dar, bei der Mechanik und Elektronik schon sehr früh zu einer Synergie verbunden waren. Heute ist es fast üblich, in mechanische Geräte eine Elektronik einzubauen. Von der Schlagbohrmaschine bis zum Auto-Motor finden wir Heute eine Synergie von Mechanik und Elektronik. Das Tonbandgerät enthält viele perfekt ausgearbeitete Lösungen parat für diese spezielle Problematik, zumindest wir Ingenieure sollten diese Technologie "griffbereit" erhalten. Einen weiteren Ansatz sehe ich darin, meine Multi-EQ-Phonostufen auf Tonbandfunktion zu erweitern. Es ist ohne weiteres möglich, einer Gibbert Phono 85 per externem EQ-Filter die Wiedergabe Equalisation von Studiomaschinen beizubringen. Ob das lohnt, ob ich es jemals realisiere, hängt natürlich von der Verfügbarkeit genügend hochqualitativer Aufnahmen ab, und davon, daß sich Leute dafür interessieren, solche Entwicklungen kosten richtig Geld. Aus Heutiger Situation würde man sich bei EQ-Problemen mit exotischen, ausländischen Bandaufnahmen wohl eher eine zweite, passende Bandmaschine hinstellen.

Außer den weiter oben genannten Mono-Bandgeräten erhalte ich noch folgende Stereo-Bandgeräte in Schuß, hauptsächlich als Ergänzung zu meiner Radiosammlung und ohne jeden HighEnd-Anspruch: Philips N 4404 (neat Chunk) - Sabafon 300 SH (19cm/sek. Stereo Halbspur) - Nordmende 8001 /T (mit Boah eY - ein tolles Stück für seine Zeit). Mein "jüngstes" Tonbandgerät ist eine Tesla B 93, die ich als Lokalpatriot einfach kaufen mußte, weil sie in Ihrer Spulenanordnung das "Mainzer Rad" enthält. Es ist eine Frage von Zeit und Möglichkeit, das Hobby weiter zu pflegen, und hier am Forum teilzunehmen. Man tut halt, was man kann.

- Stefan
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