Gedenken an einen UHER-Mitarbeiter
#1
Liebe Bandmaschinen-Freunde,

ich erlaube mir, ein paar persönliche Gedanken ins Forum zu schreiben - wohin sollte ich sonst damit? In der Süddeutschen Zeitung sind tagtäglich mehrere Dutzend Bestattungen aufgelistet, die am Erscheinungstag in München und der näheren Umgebung stattfinden. An oberster Stelle sprang mir heute der Name Adolf E., Feinmechaniker, 88 Jahre, ins Auge. Der Familienname in Kombination mit dem Beruf macht es unwahrscheinlich, dass es sich nicht um einen ehemaligen UHER-Kollegen handelt. 15 Jahre älter als ich könnte sein; sein Alter war schwer zu schätzen.

Adolf E. war "mechanischer Reparateur" in der Fertigung des Report und ab meiner Zeit als Fertigungsleiter mir unterstellt. Er war "ewig" bei der Firma, möglicherweise tatsächlich schon vor mir eingetreten; er war bescheiden und freundlich, vom Typ her eher Knecht auf einem Bauernhof denn Feinmechaniker, aber er machte seine Arbeit gut, er war zuverlässig und er fehlte so gut wie nie, Urlaube ausgenommen. Nur einmal brach er sich ein Bein und war deshalb längere Zeit krankgeschrieben.

Das war unseligerweise während des drastischen Personalabbaus bei UHER. Wir Vorgesetzten hatten klare Anweisungen, nach welchen Kriterien wir die zu Kündigenden auszuwählen hatten. Schlechte Leistungen standen an oberster Stelle, hohe Fehlzeiten waren der nächste Grund, auf die schwarze Liste gesetzt zu werden. Adolf E., diesbezüglich großes Vorbild gewesen, landete auch darauf. Meine Fürsprache unter Hinweis auf E.s tadellose Vergangenheit und darauf, dass ein Beinbruch auf keinen schlechten Gesundheitszustand schließen lässt, waren vergeblich.

Es hat mich damals sehr belastet, die blauen Briefe aushändigen zu müssen, auch denen gegenüber, die sie eher "verdient" hatten. Wir hatten ja lange zusammengearbeitet, und von so manchen Mitarbeitern wusste ich auch um private Probleme. Adolf E.s Kündigung ging mir besonders zu Herzen. Er war nicht der Typ, der relativ leicht eine andere Arbeit finden würde. Ich habe ihn aus den Augen verloren. Immerhin wurde er 88 Jahre alt.

Nun widme ich ihm wenigstens hier ein paar Erinnerungszeilen, in der Hoffnung, dass sein weiterer Lebensweg einigermaßen eben verlief. Und dass er nun vielleicht von seiner "Wolke" aus lesen kann, was sein früherer Boss damals über ihn dachte, ihm aber nicht sagen konnte. Ruhen Sie in Frieden, Adolf E.

Anselm Rapp
Früher war mehr UHER. Cool Meine UHER-Erinnerungen
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#2
Das wirft leider kein gutes Licht auf deine Vorgesetzten und die Werksleitung... Wenn eine "schwarze Liste" erstellt wird, in der es u.a. um hohe Fehlzeiten geht, dann kann es doch wohl nicht sein, dass jemand, der sonst nie krank gemacht hat, wegen eines einmaligen, momentanen Beinbruchs darauf landet. Das sind ja äußerst fragliche Methoden, nach denen damals vorgegangen wurde! Und ich bin fast sicher, einen Arbeitsgerichtsprozess hätte der gute Adolf auf jeden Fall gewonnen.

In meiner ehemaligen Firma wurden auch schon Leute wegen übermäßiger Krankheitstage entlassen. Die waren dann aber auch über zwei oder drei Jahre zwischen 100 und 200 Tage per anno abwesend. Das ist wohl eine andere Größenordnung als einmal für ein paar Wochen.

Hattet ihr keinen Betriebsrat? Und wenn ja, warum hat der da zugestimmt? Denn das müsste er ja wohl bei solchen Maßnahmen.
Aber wahrscheinlich wird es so gewesen sein, wie eine zeitlang auch bei meinem Arbeitgeber: man "arrangiert" sich mit dem Vorstand und vertritt weniger die Ansichten des Personals, als vielmehr sein eigenes Schäfchen ins Trockene zu bugsieren! So lange, bis man selbst zu den Krähen gehört. Und dann hackt man sich bekanntlich gegenseitig kein Auge mehr aus. Huh
Traurig...

LG Holgi
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#3
Hallo Holgi,

das war in der Nach-Baron-Zeit. Die neue Führungsriege kannte die Mitarbeiter nicht und hat rein wirtschaftliche Interessen verfolgt. Und Führungskräfte, die da allzu laut menschliche statt wirtschaftliche Ziele verfolgt haben, konnten selbst in einen unerfreulichen Fokus geraten. Adolf E. hat seine Interessen sicher auch nicht allzu geschickt vertreten. Ob er beim Betriebsrat war, weiß ich nicht, ob er es hätte auf einen Arbeitsprozess ankommen lassen, glaube ich nicht.

Als ich heute früh seinen Namen las, standen er und sein Schicksal plötzlich vor mir. Das musste ich mir spontan von der Seele schreiben.

Gruß, Anselm
Früher war mehr UHER. Cool Meine UHER-Erinnerungen
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