Demovideo "analoger Bandschnitt"
#1
Heute habe ich mal eine Idee in die Tat umgesetzt, die mich schon seit einiger Zeit umtreibt: Per Videoclip das Schneiden von Magnetbandaufnahmen zu demonstrieren, wie es in Funkhäusern und der Schallplattenstudios früher allgemein üblich war. (Vielleicht gibt es dergleichen schon bei Youtube, doch so wie ich es kenne, habe ich es nicht gesehen.)

Für meine kleine Demo habe ich zwei Beispiele mit Musik und Sprache ausgewählt. Letzteres ist eine kurze Serie korrigierter Versprecher. Das Musikstück wird mehrfach unterbrochen und dann jeweils kurz davor wieder gestartet. (Original würde das Werk etwa sieben Minuten dauern und entsprechend mehr Schnitte enthalten, doch das Prinzip wird bestimmt schnell klar.)

Vor fast 40 Jahren habe ich mit solchem und ähnlichem Audiomaterial als Tutor meinen Tontechnik-Kommilitonen erste Grundkenntnisse im Bandschnitt - neudeutsch "Editing" – vermitteln helfen. (Der Ausdruck "cutten", "cuttern" - oder wie manche es aussprachen: "köttern" - war in meiner professionellen Umgebung praktisch unbekannt, so sagte man wohl eher in der Berliner Gegend.) Als Musikstück habe ich damals dasselbe gewählt wie jetzt für die Demo.

Ein bisschen "türken" musste ich allerdings schon. Zum Beispiel benutze ich hier aus Zeitersparnisgründen ausnahmsweise eine Vorkopfschere, obwohl es durchaus genauere Methoden gibt. (Mein "Schnittmaterial" habe ich entsprechend gewählt, gegen Timingfehler ist es nicht allzu empfindlich). Analogschnitt im richtigen Leben ist auch meist komplexer, weil die gewünschten Takes nie so brav aufeinander folgen wie in meinen Beispielen. Fast immer sind sie auf mehrere Rollen verteilt, und falls sie zufällig auf derselben liegen, dann meist an entgegengesetzten Enden. Da ich aber niemandem zumuten möchte, sich bei ständigen Bandwechseln oder minutenlangem Umspulen königlich zu langweilen, zeigen meine Clips eine Art Light-Version:

Bandschnitt Musik
Bandschnitt Sprache

Aufmerksamen Beobachtern wird nicht entgehen, dass bei einem der Musikschnitte ich etwas länger nach dem korrekten Anschluss suchen durfte. Das kommt davon, wenn man für einen Moment vergisst mitzuzählen und sich stattdessen ausschließlich aufs musikalische Gedächtnis verlässt (sollte man vielleicht in meinem Alter sowieso nicht machen 8| )

Zum Ausgleich durfte ich den letzten Sprachschnitt um eine Achtelsekunde verschieben, weil ich bereits vergessen hatte, dass der Sprecher nur die letzte Silbe wiederholte. Solche Patzer habe ich einfach drin gelassen, sowas gehört mit zum Handwerk, finde ich.

Insgesamt empfinde ich meine Bewegungen im Video als etwas zittrig, mitunter sogar leicht fahrig. Der Grund: mir war ziemlich kalt. Zudem hatte ich meine Brille nicht auf (ich bin ziemlich kurzsichtig) und habe deswegen quasi blind gearbeitet. (Alternative wäre, zum Kleben jedes Mal meine Brille abzunehmen und danach wieder aufzusetzen, das ist mir aber zu blöd.)

Anfangsbuchstaben einzelner Wörter herauszuschneiden und mit ihnen ein gesprochenes Alphabet zusammenzusetzen ist eine weitere schöne Übung, die mir SRT-Absolventen vor ewigen Zeiten mitbrachten. Lehrreich für die Übenden, für Zuschauer zum Gähnen. Falls sich jemand von euch mal daran versuchen möchte … :whistling:

Grüße, Peter
Grüße
Peter


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Ich bin, wie ich bin.
Die einen kennen mich, die anderen können mich.
(Konrad Adenauer)
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#2
Hallo,

sehr interessant, vielen Dank!


Gruß
Peter S.
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#3
Hallo Peter,

sehr interessant.
Sehr sehr einfach aus, aber ich möchte wetten, dass es eben nur so aussieht.

Unglaublich, dass man einzelne Buchstaben "editieren" kann.
Traue keinem Mitschnitt, den man nicht selber geschnitten hat thumbsup thumbsup


Gruß Torsten
Gruß
Torsten


aktuelle R2R: ReVox B77 MK nix, AKAI GX-630D
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#4
Hallo Peter,

könntest Du bitte noch das Wort "Gott" durch "jenes höhere Wesen, das wir verehren" ersetzen? ;-)


Grüße

96k
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#5
Voelket,'index.php?page=Thread&postID=189044#post189044 schrieb:Sehr sehr einfach aus, aber ich möchte wetten, dass es eben nur so aussieht.
Sagen wir so: Ich habe alles weggelassen, was den Arbeitsablauf komplexer machen würde (und damit schwerer zu verfolgen, wenn man nicht „drinsteckt“). Die Vorkopfschere war nur eine Maßnahme von mehreren. Vorkopfscheren schneiden Band fast immer so, dass „rechts“ noch ein Stück von dem dran ist, was eigentlich „links“ bleiben sollte. Sie schneiden also zu spät, was auch nicht justiert werden kann. Damit genügt sie für den „schnellen Reportageschnitt“, doch meine Hauptbeschäftigung war seit jeher die sog. Ernste Musik. (Auch die zweitschnellste Art, nämlich mit Markierstempel, wäre für diese Zwecke nicht genau genug.)

Statt dessen habe ich für Musikschnitt meist Bleistift (bei schwarzer RSM hellen Fettstift) genommen. Damit geht das Markieren exakt genug. So sehr, dass man am Ende zwei oder mehr kleine Marker im Millimeterabstand auf dem Band wiederfindet und sich dann beim Schnitt für einen davon entscheiden darf 8| . Hätte ich diese Werkzeuge im Video durchweg verwendet, hätten die Schnitte wegen der zusätzlichen Arbeitsschritte unnötig lange gedauert.

Zur größeren Einfachheit habe ich auch ein Cembalo gewählt, ein Instrument, das durch seinen Tonerzeugungsmechanismus sehr leicht einzustellen ist und zudem auf Schnittfehler relativ gutmütig reagiert. Hätte ich statt dessen z.B. Holzbläserensemble, Streichquartett oder gregorianischen Choral (in passend halliger Kirche) ausgesucht, hätte ein Nichteingeweihter kaum Chancen nachzuvollziehen, worum es beim Schneiden überhaupt geht. Denn erstens muss man hierbei äußerst genau arbeiten, damit der Schnitt unhörbar bleibt - bei Klarinetten z.B. werden viel zu leicht Einschwingvorgänge abgeschnitten, weil sie beim Einstellen kaum zu hören sind, und bei einem Streichquartett ist das Timing schneller versaubeutelt als man ahnt -, und zweitens ist das, auf was man beim Suchen & Einstellen solchen Materials am meisten hören muss, für Musikschnitt-Novizen fast nicht zu identifizieren, weil genau das, worauf zu hören wäre, zunächst praktisch erarbeitet sein will.

Vom selben Stück (Bach Partita e-moll, Anfang der Toccata) gibt es auch Klavierfassungen, nur ist Klavier im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Annahme analog mitnichten durchweg einfach zu schneiden. Der Schnittpunkt ist zwar meist schnell gefunden, doch passiert es überraschend oft, dass Takes einfach nicht zusammenpassen wollen. Entweder hört man verräterische Nebengeräusche oder es entstehen Klangeffekte, die mit einem Klavier in natura so nicht möglich sind und deswegen auch nicht plausibel erscheinen.

Ende der 1970er Jahre konnte ich als Tutor bei der Vorbereitung von Schneideübungen für meine Kommilitonen im Tonstudium mitunter ziemlich gemein werden: zum Beispiel durch die Vorgabe eines Schnittes mitten in chromatischen Sechzehntel-Läufen, wo man viel zu leicht die Orientierung verlieren kann, weil beim manuellen Suchen die Tonhöhe schwankt und auch die zugehörigen Harmonien oft nur schwerlich bestimmbar sind. Wer in solchen Fällen nicht eisern zählen kann oder mag, bleibt beim Suchen unweigerlich auf der Strecke. Und auf den simplen Trick, solch heikle Stellen bei halber Geschwindigkeit anzuhören, kommen Anfänger fast nie :whistling:

Voelket,'index.php?page=Thread&postID=189044#post189044 schrieb:Unglaublich, dass man einzelne Buchstaben "editieren" kann.
Digital ist das nun wirklich keine Hexerei mehr - dafür ist es analog umso spannender thumbup


Grüße, Peter
Grüße
Peter


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(Konrad Adenauer)
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#6
96k,'index.php?page=Thread&postID=189045#post189045 schrieb:könntest Du bitte noch das Wort "Gott" durch "jenes höhere Wesen, das wir verehren" ersetzen? ;-)
Antwort von Radio Eriwan: Im Prinzip ja.
Nur habe ich nicht gehört, dass im Material für den Sprachschnitt "Gott" überhaupt vorkommt.
Und wo bekäme ich "jenes höhere Wesen, das wir verehren" her?

Grüße, Peter
Grüße
Peter


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#7
Peter Ruhrberg,'index.php?page=Thread&postID=189047#post189047 schrieb:
96k,'index.php?page=Thread&postID=189045#post189045 schrieb:könntest Du bitte noch das Wort "Gott" durch "jenes höhere Wesen, das wir verehren" ersetzen? ;-)
Antwort von Radio Eriwan: Im Prinzip ja. Nur habe ich nicht gehört, dass beim Sprachschnitt "Gott" überhaupt vorkommt.
Das betrifft den nächsten Bandstapel hinten rechts. Smile

Peter Ruhrberg,'index.php?page=Thread&postID=189047#post189047 schrieb:Und wo bekäme ich "jenes höhere Wesen, das wir verehren" her?
Das müsste Herr Professor Bur-Malottke schon selbst einsprechen. Wink
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#8
96k,'index.php?page=Thread&postID=189048#post189048 schrieb:Das müsste Herr Professor Bur-Malottke schon selbst einsprechen. Wink
Wobei meine Lieblingsformulierung bei Böll selber nicht zu finden ist, in der sw-Produktion des HR von 1964 dagegen schon.
Statt "Um Gottes willen" darf Bur-Malottke nun sprechen:
"Um jenes höheren Wesens, das wir verehren, willen."

Grüße, Peter
Grüße
Peter


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#9
Peter Ruhrberg,'index.php?page=Thread&postID=189053#post189053 schrieb:Wobei meine Lieblingsformulierung bei Böll selber nicht zu finden ist, in der sw-Produktion des HR von 1964 dagegen schon.
Statt "Um Gottes willen" darf Bur-Malottke nun sprechen:
"Um jenes höheren Wesens, das wir verehren, willen."
Ich vermisse Dieter Hildebrandt!

Grüße

96k
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#10
96k,'index.php?page=Thread&postID=189054#post189054 schrieb:Ich vermisse Dieter Hildebrandt!
Nicht nur du.
Auch ein Satz von ihm kehrt bei mir in letzter Zeit ständig wieder:
"Die Autoren und ihre Texte werden immer digitaler. Nur noch Nullen und Einsen. Kaum noch Zwischentöne."

Grüße, Peter
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Peter


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#11
Hallo Peter,

du hast doch hoffentlich die ausgschnittenen Schnippsel in einer Zigarrenkiste aufbewahrt!? :-)

Sehr schöne Videos, ich habe eins einem jüngeren Freund gezeigt, der, obwohl technikinteressiert, analogen Tonbandschnitt nicht mehr kannte. Der hat Bauklötze gestaunt.

Ein vielleicht etwas abwegiger Gedanke ist mir beim Betrachten gekommen: Tonbänder gibt es ja im Prinzip auch zukünftig für uns wenige Fans ja ausreichend. Aber was, wenn das Klebeband zur Neige geht? Das ist immerhin ein hochspezialisierter Artikel, der noch dazu auf seiner Spenderrolle nicht unbegrenzt haltbar ist. Ich habe vor einiger Zeit ein Röllchen PW 384, wohl aus den 80ern, wegwerfen müssen, weil es nicht mehr ausreichend klebte. Droht uns da ein Engpass?

Beste Grüße
Stefan
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#12
Vollspurlöschkopf,'index.php?page=Thread&postID=189337#post189337 schrieb:du hast doch hoffentlich die ausgschnittenen Schnippsel in einer Zigarrenkiste aufbewahrt!? :-)
Na klar: "Siebenundzwanzigmal Gott, von Ihnen gesprochen. Wollen Sie sie haben?"

Vollspurlöschkopf,'index.php?page=Thread&postID=189337#post189337 schrieb:Droht uns da ein Engpass?
Beim Ton-Aldi kann man sich jedenfalls noch aus Emtec/RMGI-Produktion eindecken (PE 36). Ist halt nur mit 9,90 Euronen nicht mehr ganz so preiswert wie vor 30 Jahren ...
Ich selber hatte noch 10 Rollen weißes Band "von früher", und im letzten Jahr aus unterschiedlichsten Quellen noch 10 blaue "zugesteckt" bekommen. Das dürfte für den bescheidenen Rest meines Lebens genügen. Wer's danach noch gebrauchen kann - Email an meine Frau genügt :whistling:

Grüße, Peter
Grüße
Peter


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