Bau eines Mikrofon-Vorverstärkers mit P 48V
#1
Hallo in die Runde,

möchte euch den Bau eines Vorverstärkers erzählen.

Seit 1986 benutze ich für meine Neumann Kondensator-Mikros einen von einem damaligen Freund gebauten Vorverstärker. Das Gerät hat jetzt also ein Alter von bald 30 Jahren, funktioniert aber noch einwandfrei. Mußte vor zwei Jahren aber sämtliche Elkos erneuern, nachdem ein Kanal einen Pegelabfall von ca. 15 dB zeigte und eine Live-Aufnahme ruiniert war. Hatte schon einen mächtigen Schreck erhalten, weil ich zuerst dachte, das teure Mikro hätte Schaden genommen.
Vor ca. einem Jahr fand ich bei Durchsicht von Schaltungsunterlagen im Schrank auch wieder die Schaltungen des Preamps. Als Verstärker dienen zwei Audio-Op-Amps vom Typ SSM 2017. Bei der Durchsicht der Homepage vom Chip-Hersteller "Analog Devices" zeigte sich dann, daß dieser Chip schon seit über zehn Jahren nicht mehr hergestellt wird. Eine Frage kam mir sofort in den Sinn: Was tun, wenn einer der Chips seinen Geist aufgibt???

Auf besagter Homepage fand ich aber dann auch schnell das aktuelle Nachfolgeprodukt, SSM 2019. Doch das war für mich zunächst enttäuschend: Dieser Chip ist in keinster Weise mehr kompatibel mit dem 2017. Andererseits aber beeindruckten mich die sehr guten Audio-Werte des 2019:

Rauschverhalten
bei Gain = 1000: 1.0 nV / Wurzel aus Hz
Bandbreite
bei G = 100: 1 MHz

Und dann der Preis: Beim Elektronik-Shop mit dem großen "C" kostet dieser Chip gerade mal knapp 7 € ! (Der andere große Shop in Sande hat ihn gar nicht im Sortiment.) Noch ein Vorteil gegenüber des 2017: Der 2019 benötigt zur Funktion nur noch zwei Bauteile: Keramikkondensator und (Gain)Widerstand.
Ihr könnt euch vorstellen, daß bei mir der Wunsch aufkam: Jetzt muß ein Neubau her!

Da war ich froh, daß ich vor ca. 1,5 Jahren von einem Bekannten für einen symbolischen Euro ein ausgedientes, altes, mit UV-C ! Leuchtstoffröhren bestücktes, für irgend einen ? medizinischen Zweck benötigtes Gerät erhielt. Die gefährlichen UVC-Röhren hatte ich sofort entsorgt und mir aus dem verbliebenen Blechkasten ein Belichtungsgerät für Platinen gebaut. Ich habe es mit 4 UVA-Röhren 8W bestückt und mit der elektrischen Schutzklasse I versehen - funktioniert großartig! Als Hinweis: Ein entsprechendes Gerät kostet bei den einschlägigen Shops knapp 200 € ! Ok, ok, wer so ein Gerät jeden Tag benutzt... Rolleyes

Die ersten selbst hergestellten kleinen Platinen hatte ich für eine astronom. Teleskop-Steuerung belichtet (die Amateurastronomie ist eines meiner Hobbies). Außerdem konnte ich dabei die optimale Belichtungszeit von 3 min (Bungard-Platinen) ermitteln, und feststellen, daß die Druckergebnisse (Tonerdichte) der Layouts aus einem normalen Toner-Drucker auf Klarsichtfolie gerade ausreichend sind.

Das Datenblatt des SSM 2019 enthält u.a. die komplette Schaltungsskizze für die Phantom-Speisung P 48V für Kondensatormikrofone. Es handelt sich dabei um die schon beinahe uralte Tontechnik-Studionorm DIN 45596, heute EN 61938.

Teil 2 folgt!

Heribert


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#2
Ein interessantes IC, das ich bisher nicht kannte.
Für RG empfiehlt es sich vielleicht, einen 1 kOhm-Spindeltrimmer in Reihe mit einem 10 Ohm-Widerstand einzusetzen, damit könnte man die Verstärkung von. ca. 20 bis 60 dB einstellen.

Was in dem Schaltplan nicht dargestellt ist: wie hast du die 48 V-Versorgung realisiert?

LG Holgi
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#3
Teil 2

Meine erste Aufgabe bestand nun darin, diese Schaltung am PC in ein Platinenlayout zu verwandeln, natürlich doppelt (Stereo). Ihr werdet mich als komplett verrückt bezeichnen, aber ich habe die Layouts (Verstärker und Netzteil) mit "Paint" aus dem Windows Betriebssystem mit der Maus gezeichnet. Mir ist bisher noch keine Router-Software begegnet, die so arbeitet, wie ich das will !!!, insbesondere was Breite und Abstand der Leiterbahnen und Größe und Form der Lötaugen angeht! Eine schmalbrüstige Leiterbahn zwischen zwei Lötaugen mit RM 2,5mm zu ziehen, das geht gaaar niiiicht !!! :thumbdown: Ebenso ist ein 1-2mm Abstand einer diversen Leiterbahn neben einer mit 230V beaufschlagten Bahn nicht akzeptabel! Dann lieber ein paar Drahtbrücken mehr in Kauf nehmen!

Wie man sich denken kann, habe ich mir viel Zeit gelassen zum Erstellen der Layouts. Die Leiterplatten habe ich mit vielen Platinen-Kabelsteckverbinder
bestückt, so daß sie ohne Lötkolben ausgebaut werden können. Die Positionen der Stecker sind so gewählt, daß kein unübersichtlicher Drahtverhau im Gehäuse besteht.

Die Ausstattung der Steck- und Bedienungselemente auf Front- und Rückplatte habe ich auf das Notwendigste beschränkt: Netz- und Phant.-Speis.- Schalter, zwei Spannungskontroll-LEDs, und ein Stufenschalter mit zwei Ebenen für den Gain auf der Frontplatte. Ich habe mich für den Einbau von jeweils vier Festwiderständen 1% für 1, 10, 50 und 100 fachen Gain entschieden.

Auf der Rückplatte sind eine Kaltgerätebuchse, 2 XRL Buchsen und zwei Cinchbuchsen verbaut. Für mich ist es ein weiterer Vorteil des SSM 2019, daß der Ausgang asymmetrisch ist. Damit kann ich bequem die A77 - oder sonstige analoge Aufnahmegeräte versorgen. Eine besondere Schaltung zur Anpassung der Ausgangsimpedanzen war nicht nötig.
Vor dem Ausdrucken auf Folie habe ich immer wieder kontolliert: Habe ich auch keinen Fehler gezeichnet? Sind die Maßstäbe (Lötaugen) auch wirklich 1:1 zu den Bauteilen? Sind die Leiterbahnen für die Audiosignale auch nicht zu lang? Sind die Abstände der Leiterbahnen, wo 230 V drauf sein werden, auch weit genug?

Nun ja, schließlich war doch alles gut geworden, habe die Layouts ausgedruckt und die Platinen belichtet. Erst nach dem Entwickeln in NaHO einer Platine zeigt sich, ob die Belichtung korrekt war.

   

Netzteilplatine belichtet

Nach gründlichem Spülen legte ich beide Platinen ins Ätzbad mit Natriumpersulfat, bis das nicht gebrauchte Kupfer der Platinen entfernt war. Das dauerte ca. 15 min. Nach Spülen kam die Feinbohrmaschine mit ca. 20000 U/min und mit 0,8 mm- und 1 mm bestückten Bohrer zum Einsatz.

   

Verstärkerplatine nach Bohren und mit IC-Sockel

Schließlich konnte ich mit der Bestückung und dem verlöten der Bauelemente beginnen. Die Bestelliste für die Zener-Dioden für die Verstärkerplatine war
wohl falsch, sie sind ein bisschen zu groß ausgefallen? Macht nichts, nach Aufbohren der Lötaugen passten sie trotzdem auf die Platine...

   

Fertige Amp-Platine

Der wichtigste Punkt bei der Bestückung der Amp-Platine war die Auswahl der vier 6,8 kOhm Widerstände. Sie sollen die 48V Phantomspeisung möglichst exakt gleich auf die beiden Tonadern verteilen, so daß keine Spannung mehr zwischen ihnen übrig bleibt. Das verlangt eigentlich eine Selektierung. Ich habe aber Widerstände mit 0,1 % gekauft. Die erwähnte Studionorm verlangt eine Toleranz von höchstens 0,4 % Widerstandsabweichung. Es war mir nicht möglich, mit der Ohm-Einstellung meines Multimeters einen Unterschied bei den Widerständen zu messen, auch die spätere Spannungsmessung der Ph.-Sp. zwischen den Tonadern zeigten 0,00 V. Ich gehe daher davon aus, daß die Widerstandsdifferenz mit max. 0,2 % im grünen Bereich liegt.

Für die Schaltung des Netzteils habe ich mich für die althergebrachte konventionelle Methode entschieden. Zwei Trafos, zwei 78(9) 'ger Spannungsregler für + - 15V und zwei Zener-Dioden mit Transistor für 48V versorgen die Verstärkerplatine.

Nach der Sichtkontrolle der fertigen Platinen habe ich erstmal die Spannungen des Netzteils ausgiebig gemessen. Ein Sieb-Elko für die -15V, falsch gepolt und etwas bauchig aussehend, mußte ich noch austauschen. Nun jaaaaa, er war auch etwas heiß geworden... Rolleyes

   

Netzteil wird gemessen mit LEDs als "Belastung"

Danach habe ich mich wieder einer Bohrmaschine gewidmet, diesmal eine uralte Standbohrmaschiene bei einem Bekannten. Dort habe ich die notwendigen
Bohrungen am Plastikgehäuse ausgeführt und danach die Aussparungen für Schalter & Co erledigt. Dann habe ich die rechte Seite des Gehäuses innen mit selbstklebender Alufolie zwecks Abschirmung verkleidet. Von der Amp-Platine führt ein Kabel über Lüsterklemme und Lötfahne die Masse auf die Folie. Die Leiterplatten habe ich mit Kunststoffschrauben befestigt, damit die Schutzklasse II gewährleistet bleibt.

   

Nach Einbau der Kaltgerätebuchse, Netzschalter und der beiden Platinen konnte ich nach verkabeln der Spannungsversorgung die Chips erstmals unter Spannung setzen, prüfen, ob an den anderen Pins keine falsche Spannungen anliegen, die Audioeingänge der Op-Amps frei von der Ph.-Sp. sind und die Chips nicht heiß werden.
Apropos Gehäuse: Die Auswahl von stabilen Kunststoffgehäusen in den E-Shops ist zwar groß, aber sie sind alle m.M.n. häßlich...Wichtig ist mir aber die Stabilität des Gehäuses bei den Aufnahmen "im Feld".

   

   

Als ich den Vorverstärker fertig verkabelt und nochmals alles geprüft hatte, kam der Moment, die Neumann Mikros KM 83i erstmals anzuschließen. Das war eine sehr emotionale Angelegenheit, die teuren Mikros sollten schließlich keinen Schaden nehmen. Trotz aller Kontrollen und Prüfungen kann man einen fatalen Fehler beim Selbstbau nie ganz ausschließen...
Ich plazierte beide Mikros auf ihrem Stativ vor die großen T&A-Lautsprecher, legte eine laute CD in den Player, Onkyo-Verstärker schön aufgedreht. Den neuen Preamp veband ich mit einem DAT-Recorder, stellte den Rec. auf Aufnahme-Source - huuuurrrrrraaaa, die LED-Aussteuerungsanzeigen fingen an zu zappeln, und zwar gemäß der Lautstärke aus den Boxen. Dann habe ich einen Kopfhörer mit langer Leitung an den Rec. gestöpselt, bin in einen Nebenraum gegangen, und die CD hörte sich trotz der miesen Akustik (für die Mikros!) des Musikraumes ganz ordentlich an.

   

Preamp ist fertig gebaut

Vergangene Woche kam dann für den Preamp der eigentliche "First Sound", eine Live-Aufnahme von unserem Chor in einer Kirche, deren Akustik und den dadurch entsprechenden Sound meiner Mikros ich gut kenne. Das Ergebnis ist hervorragend, ich konnte keinen Unterschied im Klang zu den bisherigen Aufnahmen feststellen.
Einige Tage später beim Abhören der Aufnahme zeigte sich dann doch noch ein sehr positiver Unterschied: Das Rückpositiv der fast 60 Jahre alten Orgel hat in der unteren Oktave einen Fehler: Die Manualkontakte oder die Spulenkontakte in den Windladen der elektrischen Traktur erzeugen beim Loslassen der Tasten Funkenentladungen, die auf den Aufnahmen bisher immer als relativ laute, häßliche Kratzer zu hören waren. Bei der aktuellen Aufnahme ist davon nichts mehr zu hören.

Sicherlich werden einige von euch denken: Warum hat Heribert sich nicht einfach einen entsprechenden Preamp gekauft? So teuer sind die Dinger doch
heutzutage gar nicht mehr? Kann sein, aber ich habe mit dem Selbstbau doch was Geld gespart. Aber der Antrieb, sowas selbst zu basteln und
zu kreieren war weitaus größer.

Heribert
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#4
Wollte noch zwei Bilder nachschicken:

   


   


Hi Holgi,

Reicht Dir meine Beschreibung im 2. Teil?
2 Zenerdioden 24 V in Reihe, davor ein Transistor BD 138 mit Spannungsteiler zur Basis zum "Schaufeln" des benötigten Stroms.

Heribert
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#5
Heribert W,'index.php?page=Thread&postID=182564#post182564 schrieb:Reicht Dir meine Beschreibung im 2. Teil?
Ja, klar, danke Heribert!
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#6
Neumann Mikrofonvorverstärker aus Studiomischpult:


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#7
Hallo,
das ist doch gut geworden. Ein Selbstbau ist doch immer was schönes, ganz unabhängig ob finanziell lohnend oder auch nicht.

Eine Sache verstehe ich aber nicht und das ist die Beschreibung dieser Messung.

Heribert W,'index.php?page=Thread&postID=182562#post182562 schrieb:, auch die spätere Spannungsmessung der Ph.-Sp. zwischen den Tonadern zeigten 0,00 V.

Das klingt so, als ob die Differnezmessung ohne Last (Mikro) stattgefunden hatte, nur ohne Stromfluß kein Spannungsabfall und damit auch keine Differenz.
Eventuell habe ich die Messung aber falsch verstanden.

Gruß Ulrich
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#8
Heribert W,'index.php?page=Thread&postID=182562#post182562 schrieb:Ihr werdet mich als komplett verrückt bezeichnen, aber ich habe die Layouts (Verstärker und Netzteil) mit "Paint" aus dem Windows Betriebssystem mit der Maus gezeichnet.

Moin Heribert,

da kann ich dir den "DIY Layout Creator" empfehlen. Das ist eigentlich auch nur ein besseres Paint für DIY Menschen. Das ist super einfach zu bedienen und man kann die Leiterbahnen, Lötaugen und das RM einstellen. Das Programm ist sehr klein und verbraucht kaum Ressourcen. Außerdem ist es für Umme! Damit habe sogar ich meine kleinen Projekte etwas "professioneller" angehen können.

DIY Layout Creator

Beste Grüße, Heiko
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