Datenreduziertes Musikhören macht müde!?
#1
Hallo in die Runde!

Ich habe zwar nach was völlig anderem gesucht, aber das Internet hält ja so manche Überraschung bereit, und so stieß ich auf einen Artikel in der "Die Welt" über die negativen psychisch-physischen Auswirkungen datenreduzierter Musikwiedergabe. Aber lest selbst. Ich wünsche euch "Gute Unterhaltung", schließlich haben wir es schon immer geahnt... Wink

http://www.welt.de/wissenschaft/article1...nervt.html

Gruß
Jochen
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#2
Hallo Jochen,

das klingt nicht unlogisch. Wenn ich allerdings an die Versuche in meiner Jugend denke, in München Radio Luxemburg per AM zu hören oder auch nur, meine "Enten" leidlich zu entstören, dann entspannt mich die digitalisierte Musik heute doch deutlich mehr. Analog ist ja allerdings generell am Aussterben. Ob das aber in so manchen Hirnen noch viel Schaden anrichten kann? Big Grin

Gruß, Anselm
Früher war mehr UHER. Cool Meine UHER-Erinnerungen
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#3
Moin, moin,

das Thema ist tatsächlich nicht ganz neu. Um so erschreckender, dass kräftig weiter und immer mehr gestaucht wird. Nun wissen wir es: Das ist Körperverletzung! Wink

Erst kürzlich bin ich auf einen Artikel in der Audio Engineering (¹) aus den späten vierziger Jahren gestossen, bei dem die sogenannte "listener fatigue" beschrieben wurde.

Damals ging es um andere Formen von Störungen. Letztlich ist das Thema aber das gleiche: Das Hirn versucht eine Wahrnehmung in einen Kontext seiner Erinnerungen zu bekommen. Um so schlechter das Signal (die Wahrnehmung), desto mehr muss das Hirn arbeiten und um so mehr Stress aber auch Desorientierung entsteht.

Für mich insofern lustig, weil ich Anfang der achtziger Jahre (ohne wirklich Ahnung gehabt zu haben, wovon ich sprach) Mitschüler von der Existenz solchen Problems zu überzeugen versucht hatte. Zum 20jährigen Abi-Jubiläum sprach mich dann einer von denen auf meine "skurrilen Ideen von damals" an. Der ist heute Professor am UKE (Uni-Klinik) und hat davon immer noch keine Ahnung ... Wink

Tschüß, Matthias


¹ "Psycho-Acoustic Aspects of Higher Quality Reproduction" von C.J. LeBel, Audio Engineering 1/49
zu finden bei: americanhistory.com
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#4
Matthias M,'index.php?page=Thread&postID=179122#post179122 schrieb:¹ "Psycho-Acoustic Aspects of Higher Quality Reproduction" von C.J. LeBel, Audio Engineering 1/49
zu finden bei: americanhistory.com

Hallo Matthias,

der Link auf americanhistory.com ist sehr interesant, weil hier Originaltexte der US-amerikanischen Geschichte aufgeführt sind. Aber bei der Suche nach irgendwelchen Ingenieurstexten wurde ich nicht fündig. Könntest du die Quellenangabe bitte etwas konkretisieren,
vielen Dank
Viele Grüße
Lukas
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#5
lukas,'index.php?page=Thread&postID=179126#post179126 schrieb:... Aber bei der Suche nach irgendwelchen Ingenieurstexten wurde ich nicht fündig....

Hallo Lukas,

das Magazin Audio Engineering war ab 1947 der Nachfolger der Radio und hatte sich vor allem an das Fachpublikum gewandt, war zunächst das Organ der Audio Engineering Society (AES) gewesen, die von den Machern des Magazins initiiert und mit begründet worden war.
Ab dem Februar 1954 hieß das Magazin dann nur noch Audio bzw. Audio Magazine und hat den Schwerpunkt eher zum Endverbraucher hin verlagert.

Unter Audio findest Du den Ordner auf der Eingangsseite der Homepage: http://www.americanradiohistory.com/Audio-Magazine.htm
Dort kannst Du Dir dann entweder ein Magazin komplett saugen oder Du machst eine Suche (zum Beispiel nach dem Artikel-Titel) und lässt Dir eine einzelne Seite anzeigen. Da es bei den amerikanischen Magazinen üblich gewesen war, die Artikel über mehrere Seiten zwischen der Werbung zu verteilen, musst Du Dir dann mehrere Seiten anzeigen lassen und gegebenenfalls runter laden.
In der Titelseite des Browser-Fensters findest Du die Blatt-Nummer, die Dir angezeigt wird. Die vergleichst Du mit der Seitennummer des Magazins, am Ende der Seite, und gibst einfach in der Adress-Zeile des Browsers die Seitennummer der fortsetzenden Seite, angepasst um die Abweichung des Scans, die Du ja eben festgestellt hast, ein. Dann zeigt das System möglicherweise die gewünschte Seite an. Was nicht immer funktioniert, weil der Scan-Automat bei der Verarbeitung wohl auch mal eine Seite verschluckt hatte, so dass sich die Abweichung im Verlauf eines Heftes manchmal verändert. Must du probieren,

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#6
Super, danke, jetzt hab ich es auch gefunden. Der Fehler lag im urspünglichen Link:da fehlt das radio in americanradiohistory.

Danke trotzdem
Viele Grüße
Lukas
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#7
N'Abend allerseits...

in allen Punkten zustimmen möchte ich dem Artikel dann nun doch nicht. Es ist (aus eigener Hörerfahrung) zwar absolut richtig, dass man bei "zerhackter, verrauschter, knisternder" Sprachwiedergabe in einer solchen Konferenz gestresst wird, weil sich das Gehirn enorm anstrengen muss. Dies aber eigentlich, weil man dem Gesagten einen Sinn entnehmen möchte und gespannt zuhört, alles zu verstehen. Da dies nicht zu 100% gelingt, weil die Übertragung schlecht und damit unvollständig ist, reagiert man gestresst und ermüdet schneller. Soweit so gut... (oder schlecht).
Bei "durchschnittlichem" Musikhören verhält es sich jedoch nach meiner Meinung anders. Hier wird i.d.R. gar nicht bewusst und hoch konzentriert gehört, ein Sinn will nicht unbedingt entnommen werden, das "Gedudel" dudelt eben so nebenbei mit und wenn es sich auch noch um die Lieblingssongs handelt (...die man ohnehin rückwärts pfeiffen kann...) dann ist ein Aussetzer in der Übertragung nicht weiter schlimm. Man weis doch ohnehin, was als nächstes kommt. Das ist bei der Konferenz völlig anders. Die Wortbeiträge sind unbekannt und neu und was gesagt ist, ist gesagt... ...wird in der Regel nicht wiederholt und man muss eben höllisch aufpassen, alles mit zu bekommen.
Darüberhinaus ist eine "totkomprimierte" Wiedergabe etwas anderes als eine "verrauscht unvollständige" Wiedergabe, in der ganze Klang-/Wort-Fetzen fehlen. Das, was dem komprimierten Musikfile die Natürlichkeit nimmt (nämlich die identische "Lautheit" von Instrumenten und Stimmen, die eigentlich von "Natur aus" nicht gleich laut sind) mag zwar enttäuschen oder die Lust am bewussten Hören nehmen aber es fehlt ja eigentlich nichts. Es ist eben nur alles gleich laut... ...und damit unnatürlich. Dieser Verlust wird jedoch von vielen Konsumenten gar nicht wahrgenommen - eben weil nur so nebenbei mit gehört wird (...ob beim Joggen, im Auto oder sonstwo...).

Was die unnatürlichen, weil absolut "fehlerfreien" und gleichförmigen elektronischen Beats angeht, so ist dies übrigens nichts, was mit komprimiertem Sound zu tun hat. Diese "Samples" sind nämlich schon vor über 30 Jahren eingesetzt worden, als das Komprimieren noch gar nicht gang und gäbe war. Man (= einige Künstler) fand diese "Drum-Maschines" einfach toll. Und wer erinnert sich nicht an sogenannte "String Orchestras" - völlig synthetische Streicher"ensembles", mit denen so manche Pop-Ballade stimmungsvoll unterlegt war. Der Ursprung dessen mag "analog" bespieltes Bandmaterial gewesen sein aber wenn man einen Soundschnipsel immer und immer wieder hintereinander "schneidet", dann geht die natürliche "Asymmetrie" der Musizierenden eben dahin... ...es gibt sie nicht mehr. Jeder Drumbeat sitzt... ...gleich lang, zum gleichen Zeitpunkt, gleich laut. Das soll mal ein Musiker nachmachen... ...soetwas bedarf schon hohen handwerklichen Könnens. Zumindest, wenn man das zig mal und minutenlang wiederholen möchte...

Auch was den Punkt der Produktion von Musik angeht, kann ich nicht ganz zustimmen. Zugegeben... ...wie "sein Produkt" auf den Tonträger kommt, entscheidet der Künstler nicht immer unabhängig aber es darf angenommen werden, dass heutzutage sehr wohl ganz bewusst Musik so produziert wird, dass sie sich "totkomprimiert" über die Wiedergabegeräte des Mainstreams vermeindlich "gut" anhört. Der Wunsch des Autors, dass "... Musik nicht nur auf dem Handy einigermaßen gut klingen, sondern auch bei hochwertigen Audioanlagen in Klubs, im Auto oder über Kopfhörer"... soll, mag verständlich sein aber ob die Musikindustrie diesen Wunsch überhaupt noch zu erfüllen gedenkt, darf angezweifelt werden. Die Hörgewohnheiten der Massen bewegen sich jedenfalls nach meiner Wahrnehmung in eine andere Richtung. (Und was ist schon eine "hochwertige Audioanlage" in einem Klub oder im Auto? Die Quadratur des Kreises? Ganz ehrlich... ...die Meisten dieser genannten Wiedergabequellen sind grottenschlecht und genauso auf "komprimiert" getrimmt, wie das Smartphone oder der vielgescholtene MP3-Player.)

Schlussendlich bleibt mir nur ein "Schade... ...gut gemeint aber..." zu dem Artikel übrig. Zu viel Unterschiedliches wurde hier in einen Topf gekippt, um zu rechtfertigen, was dem Autor am Mainstream augenscheinlich nicht gefällt und was er mit Hilfe einer Zitatensammlung unterschiedlichster wissenschaftlicher Erhebungen unter Zuhilfenahme etlicher "vielleicht", "könnte" und "möglicherweise" zu vermischen versucht. Dabei ist die Quintessenz doch recht einfach: "synthetische Gleichförmigkeit" in der Musik macht das Leben ärmer an Eindrücken, wenn die "natürliche Zufälligkeit" vollends verschwindet. Der Mensch verlernt dabei, genau hinzuhören weil es nichts mehr zum "Hinhören" gibt.

Soweit meine ganz persönliche und unverbindliche Meinung.

Schlaft's gut....

P.
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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#8
was mir an der modernen Zeit ehrlich gesagt am meisten auf den Keks geht, ist das Vorgehen der Journaille, zuerst das Ergebnis eines Artikels zu definieren, und dann so lange zu schwurbeln, bis das Gewünschte dabei herauskommt.

Die These dieses Artikels lautet: Komprimierter Digitalklang nervt uns, also nicht nur den Schreiberling dieses Artikels, sondern uns alle. Anschliessend wird alles in einen Topf geschmissen - Telefonkonferenzen, komprimierte Musik, Loudness War, das bei analogen wie digitalen Aufnahmen den Klang gleichermaßen versaut, gekrönt von Formulierungen mit esotherischem Touch wie humanisierter Musik und die High End Weisheit, dass nur Röhre den wahren Klang produziert.

Mich nervt nicht, dass bestimmte Gegenwartsphänomene kritisch durchleuchtet werden, auch ich finde es total schade, dass gute Musik wegen der Klangqualität unhörbar wird. Es ist aber schlicht eine Lüge, wenn behauptet wird, dass die untersuchten Stress Symptome nur bei digitalen und komprimierten Audiosignalen auftreten. So lange es elektronische Musikwiedergabe gibt, wird darüber diskutiert, wie viele Mängel des Audiosignals vom Gehirn kompensiert werden können. Es gab Abhandlungen in seriösen Fachzeitschriften, die wissenschaftlich belegten, dass Musik von der Schallplatte überhaupt nur anhörbar ist, weil sie vom Gehirn "nachbearbeitet" wird. Es gab Tonbeispiele von krächzender hohl klingender Musik, die verdeutlichen sollten, wie sich Schallplatten anhören würden, wenn das Gehirn das Signal ungefiltert durchlassen würde. Und es gab Jünger, die dem einen wie dem anderen Glauben angehörten.

Ich glaube, der wahre Grund des Digitalbashings, das von bestimmten Kreisen einfach nicht aufgegeben wird, liegt ganz woanders. In der guten alten Röhrenzeit konnten nur wenige Leute professionell Musik produzieren, und ebenso wenige konnten diese in HiFi Qualität hören, weil die Geräte einfach unbezahlbar teuer waren. Mit der Transistortechnik setzte etwas ein, das man neudeutsch als Demokratisierung bezeichnet - es kamen bezahlbare Heimstudiogeräte auf den Markt, und der Umgang mit den Geräten wurde einfacher. Mit der Digitalisierung kam etwas hinzu, was man in der Bildbearbeitung als non destruktiv bezeichnet, sprich, durch den Computer konnte man jetzt im Studio kreativ mit den Aufnahmen arbeiten, ohne die Originale zu zerstören, und ohne beim Mischen und Kopieren einen Qualitätsverlust zu erzeugen. Zu Analogzeiten wurde die Mehrspur Aufnahmetechnik von wahren HiFi Jüngern abgelehnt, weil beim Hin- und herkopieren Informationen verloren gingen. Hinzu kommt, dass die Digitaltechnik nochmal zu einer deutlichen Verbilligung der Geräte geführt hat, das Internet bietet heute eine Vertriebsplattform für jedermann, und die digitale Audiotechnik hat dazu geführt, dass es auf der Hörerseite selbst in der unteren Preisklasse kaum noch unbrauchbare HiFi Geräte gibt. War früher der Besitz der Technik ein wichtiges Kriterium, ist heute nur noch das Können von Bedeutung. Wie jede Veränderung macht auch dieser Trend alte Königreiche überflüssig, und wie immer teilen sich die Königreiche in zwei Gruppen auf - die einen fügen sich in das Unvermeidliche und sehen zu, dass sie auch auf die neue Zeit einen gewissen Einfluss haben, die anderen verschanzen sich hinter ihren alten Werten und machen alles runter, was nicht in das Bild passt. Der Schreiber des hier diskutierten Artikels gehört eindeutig zur zweiten Gruppe.

Ich bin ein großer Fan der Geräte aus der Dampfradio-Ära. Das, was der Mensch hier über den "vollen" Klang der Zeit vor der Transistortechnik schreibt, ist vorsichtig formuliert etwas undifferenziert. Ich habe in meiner Sammlung ein Beispiele für das, was Anfang
der Fünfziger "State Of The Art" war - eine Grundig Truhe 9010 von 1952. Die hat eine 25 Watt Gegentaktendstufe mit zwei EL12/375 eingebaut und ist mit der ersten Plattenspielergeneration bestückt, die es mit Magnetsystem gab. Diese Truhe klingt in der Tat genial gut, witzigerweise aber besonders dann, wenn man die alte Fünfziger Jahre Musik nicht von der Platte oder vom eingebauten Bandgerät, sondern von einem IPod einspielt - als mp3 mit 128kBit/s . Wenn der Schreiber des Artikels dies einmal hören würde, würde das wahrscheinlich sein Weltbild auf den Kopf stellen. Hinzu kommt, dass die 9010 neu 3250 DM gekostet hat - zu einer Zeit, wo ein Facharbeiter gut verdient hat, wenn er im Monat 200 DM in der Lohntüte hatte. 16 ( in Worten sechzehn ) Monatslöhne, jeder kann sich selber mal ausrechnen, was er sich heute dafür an Audiotechnik ins Haus stellen könnte, und ob diese dann so klingen würde, dass sie Stress im Gehirn verursacht. Die normalen Feld-/Wald- und Wiesenradios, die immer noch mehrere Monatslöhne kosteten, waren klanglich bis auf wenige Ausnahmen weit von HiFi entfernt. Wenn der Autor des Artikels den basslastigen matschigen undifferenzierten Klang des Durchschnitts-Röhrenradios gut findet, sei ihm sein Geschmack gegönnt, er soll aber nicht versuchen, dies als besseres HiFi zu verkaufen.

Natürlich erhöht eine Technik, die für jeden verfügbar ist, auch die Menge an Trash, die damit produziert wird. Es ist aber unfair, dies der Technik anzulasten, immerhin führt sie auch dazu, dass talentierte Künstler eine Chance bekommen, die früher an den Mauern der Plattenkonzerne und des allmächtigen Rundfunks abgeprallt sind. Wenn man weiß, wie es geht, und den Willen hat, es auch zu tun, kann man mp3-s produzieren, die uneingeschränkt HiFi-tauglich sind, genau wie es ais der Röhren-Ära unzählige Beispiele für Geräte gibt, deren Klang nicht weniger Stress produziert hat als heute eine Skype Konferenz, die mit Smartphones geführt wird. Wenn die 20 Power Hits von K-Tel auf einem Telefunken Mister Hit gespielt in den Ohren weh tun, würde niemand auf die Idee kommen, die Technologie Schallplatte dafür verantwortlich zu machen. Wenn aber ein 64kBit/s geripptes mp3 auf einem zehn Euro Player mit 2,95 Euro Wühltisch Ohrstöpseln klanglich in den Ohren weh tut, dann ist es natürlich die böse Digitaltechnik. Ich freue mich auf den Tag, wo dieser Blödsinn endlich aufhört, und die High End Szene wieder das tut, was sie früher getan hat - die Technik nach vorne bringen, statt sie auszubremsen.

Ach ja - Stress wird im Gehirn auch dann ausgelöst, wenn die Sinneseindrücke intensiv sind. Das dumpfe Geblubber des normalen Röhrenradios hat sicher kaum Stress verursacht.

Gruß Frank
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