Teil 1
#1
Neulich kam ich wegen einer Autobahn-Umleitung durch einen wie ausgestorben wirkenden Ort. Nein, es war eher eine Stadt, nur fehlten die Menschenmassen. Wenige ältere Leute schleppten sich über die Bürgersteige, fast jedes Geschäft war geschlossen. Es gab sogar grosse Kaufhäuser, doch auch diese waren geschlossen. Die Neugier packte mich. Ich stellte meinen Wagen an einem der zahlreich vorhandenen Parkplätze ab und beschloss, das Terrain zu sondieren. Eine alte Frau kam mir entgegen und ich hielt sie sogleich an. Auf meine Frage, was um alles in der Welt geschehen sei, antwortete sie mir 'damals haben sie die Eisenbahnverbindung stillgelegt. Dann kam die Autobahn, die weit am Ort vorbeiführt, jedoch nicht mitten durch wie die alte Bundesstrasse. Schliesslich zogen noch alle umliegenden Fabriken weg. Wir sind eine Geisterstadt, seit 25 Jahren!'
Interessant! Ich wollte mich gerade umdrehen, um zu meinem Auto zurückzukehren, da fiel mein Blick auf ein ziemlich grosses Elektrogeschäft. Dort gab es noch Original-SABA- und -Telefunken-Ausleger. 'Mein Gott, hier ist die Zeit stehengeblieben!', dachte ich bei mir. Sofort machte ich mich auf und betrachte zunächst die Geschäftsauslagen: alles, wirklich alles in diesem Geschäft schien aus den späten 70er Jahren zu stammen. Hier pries man einen Wega-Receiver, 'made in germany', dort einen 67 cm Farbfernseher von Philips. Das wundersamste hingegen waren die Preise: immer noch war alles in DM ausgezeichnet. Es brauchte jetzt keiner Aufforderung mehr, ich betrat den Laden...und erschrak! Ein so grosses Geschäft hatte ich nicht erwartet und vor allem war es nicht beleuchtet. Die Türklingel funktionierte jedoch und obwohl ich den Eindruck hatte, ein eigentlich geschlossenes Geschäft zu betreten, trat ich ein.
Es dauerte nicht lang, da kam ein kleiner, älterer Herr auf mich zu und fragte, womit er dienen könne. Nun ja, sagte ich, ich würde mich gerne einmal umsehen. Er liess mich zwar gewähren, blieb aber wie ein zum Sprung bereiter Panther immer neben mir stehen. Als erstes fielen mir die wunderbar erhaltenen alten Prospekte ins Auge. 'Was kosten die?' fragte ich etwas verwirtt. 'Werter Herr, Prospekte sind kostenlos!' entgegnete der älterer Herr und ich fragte mich, ob er schonmal etwas von eBay gehört hat. Ich war in meinem Element. All diese Geräte, praktisch in Neuzustand, schauten mich an. Mein Kopf rechnete fieberhaft von DM in Euro und umgekehrt und verglich Summen mit dem derzeitigen Kontostand, dennoch liess ich mir nichts anmerken. Und der Mann hatte wirklich einiges zu bieten: da gab es eine Ecke, voll von Braun-Receivern, alle übereinander gestapelt und darauf krönend ein Preisschild: 'Sonderposten je 350 DM'. In den Regalen blitzte und funkeltes es von Kenwood-, Scope-, Pioneer-Geräten nur so. Dann fiel mein Blick auf eine Treppe und ich fragte den Verkäufer, ob es da oben etwa noch weiter geht. 'Ja, da haben wir auch noch etwas, aber ich befürchte, dass man heute soetwas nicht mehr benötigt'. Abwarten. Ich musste mich am Riemen reissen und gelangweilt die Treppe hinaufgehen - dass der bloss nicht merkt, wie sehr mein Herz pocht. Was wird mich oben erwarten?
Einem Infarkt nahe, beinahe rücklinks die Treppe runterfallend erblickten meine Augen einen unglaublichen Schatz: schier endlose Regalreihen, links und rechts, voller Bandmaschinen. Revox zur linken, Teac und Akai zur rechten. 'Wenn Sie an sowas Interesse haben, mache ich Ihnen einen Sonderpreis. Empfehlen würde ich die Technics-Maschinen, hab selbst eine im Wohnzimmer'. Als ich die Preise der Geräte sah, wurde mir schwindelig: B77 MK I, Auslaufmodell 1250 DM, Technics 1700 Vorführgerät 1699 DM... Mir war völlig klar, dass meine Bank einen Kredit ausspucken muss. Und so fragte ich bescheiden 'Wenn ich alle nehme, machen Sie mir dann einen Sonderpreis?'. 'Haha, guter Scherz, 100.000 Mark.'. Während er lachte blieb ich völlig ernst: '50.000 DM und Ihre Lager-Tonbandgeräte dazu'. Das Gesicht des Mannes erhellte sich augenblicklich und doch etwas verwundert fragte er - eine mögliche Geschäftsschädigung billigend - 'Was wollen Sie nur mit all diesen Geräten?'. 'Ich bin Sammler!', antwortete ich wahrheitsgemäss.
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#2
Das Telefon bimmelte. Aufällig daß es tatsächlich klingelte, nicht hupte, flötete oder dudelte. Kein Melodie - ein einfaches ring-ring.

"Entschuldigen sie bitte", sagte der ältere Herr, sichtlich irritiert und ging in das kleine Büro, dessen Tür offen geblieben war und aus dessen Inneren das Klingeln kam "Es muß wichtig sein, wir bekommen in letzter Zeit sehr wenig Anrufe"

Ich hörte wie er sich meldete, dann eine kleine Pause.

"Jaaa..." sagte er etwas gedehnt "haben wir noch!"

Ich schnappte neugierig die Wortfetzen auf:

"Natürlich völlig neu und mit voller Garantie"

"Ja auch exotische Marken!"

"Eine Ferrograph Logic 7? Nun, die müsste ich aus dem Lager holen, die verkauft sich nicht mehr sehr oft in letzter Zeit. Wäre aber ab morgen vorführbereit! In welcher Farbe möchten sie die Maschine gerne sehen?"

"Sanitär-beige / dunkelbraun? Soll wohl zu einer Quad-Kombi passen. Ja haben wir!"

"Nun, sie müssten sich beeilen.... komisch, ich habe gerade einen Interessenten für alles... einen Sammler....aber die eine oder andere Maschine kann ich ihnen sicher zurückhalten..."

"Auch an allem interessiert? Nun, ich weiss nicht wie lange ich noch warten kann, wann können sie denn hier sein?"

"Verständlich, wenn sie aus Süddeutschland kommen.... also gut, die 5 oder 6 Stunden kann ich werde ich sicher noch warten."

Er legte auf
Michael(F)
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#3
Die ganze Situation erschien mir unwirklich und irgendwie fand ich sie sogar beängstigend. Wie in einem Kinostreifen, wo der Hauptdarsteller in ein Paralleluniversum gerät. War mir das auch passiert? Als sich der Verkäufer wieder mir zu wandte, beschloss ich, die Sache ernst zu nehmen.
"Verrückt...da rief gerade ein weiterer Sammler an, der ebenfalls Interesse an den Geräten hat. Er ist sofort in sein Auto gesprungen und will in wenigen Stunden hier sein."
"Soviel Zeit habe ich nicht." Ich beschloss, in die Offensive zu gehen: "Sie wissen genauso gut wie ich, dass diese Geräte keinen Hund hinter dem Ofen hervorlocken. Sie stauben seit Jahren hier herum. Ich gebe Ihnen 10.000 Euro bar auf die Hand und nehme alles mit!".
"Aber...aber", stammelte der Verkäufer, "Sie sagten doch 50.000...Sie hatte 50.000 gesagt!".

Währenddessen pflügte ein Saab mit über 200 km/h durch den Verkehr der deutschen Autobahnen. Noch am Morgen entdeckte der Fahrer im Internet den Hinweis auf das verschlafene Städtchen, suchte die Adressen der HiFi-Händler heraus und rief sie an. Nein, diese einmalige Gelegenheit würde er sich ganz sicher nicht entgehen lassen. Dafür liess er sogar einen Auftrag sausen, denn schon in einer Stunde hätte er mit einem Kunden einen Vertrag schliessen müssen. Er fuhr wie besessen: mal links mal rechts fuhr er Slalom um die PKW, als wären es Pelonen. Er fuhr dicht auf, benutzte ununterbrochen die Lichthupe und betete insgeheim, dass der konkurrierende Sammler keinen Weg findet, den Verkäufer doch noch zu überreden...

"Wir sollten auf dem Teppich bleiben! Wenn jedes Gerät noch 50 Euro bringt, einen Käufer vorausgesetzt, ist das schon viel. Schaun sie mal, diese Teac hat einen Riemenantrieb. Den Riemen können Sie vergessen, die Maschine steht schon Jahrzehnte so herum. Wo bekommt man heute einen neuen Riemen?". Der Verkäufer war sichtlich in die Enge getrieben und auch im Umgang mit Käufern etwas aus der Übung, Schweissperlen bildeten sich auf seiner Stirn und irgendwie tat er mir leid. "Ich gebe Ihnen schonmal 500 Euro...hier bitte. Und dann bringen wir schonmal ein paar Geräte zum Auto, okay?"
Als mein Wagen, den ich mittlerweile vor das Geschäft geparkt hatte, randvoll war, klingelte wieder das Telefon, dieses ring-ring, ein Ton, den ich schon wer weiss wie lange nicht mehr so oft gehört hatte.
"Radio Heinzelmann...Ja, ja, meine Nummer, das ist richtig, ja! Genau. Verunglückt? Nein... Er wollte mich in ein paar Stunden treffen, er wollte etwas kaufen, sonst kenne ich ihn gar nicht, heute das erstemal am Telefon gesprochen... Ja, tut mir leid. Alles klar, wiederhörn!". Der Verkäufer war blass geworden und stammelte: "Ddd dder andere Sasammler ist mit seinem Wagen Höhe Frankfurt tödlich verunglückt... mit 264 km/h auf einer Bananenschale ausgerutscht ... das verstehe ich alles nicht..." er schüttelte den Kopf. Obwohl er wusste, dass er heute ein gutes Geschäft gemacht hatte, kam auch ihm dieser Tag sehr unwirklich vor...
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#4
Ich bemühte mich um Betroffenheit.

"Wie schrecklich", murmelte ich zwischen zusammengekniffenen Zähnen hervor.

Innerlich begann ich zu überlegen. Der Sammler M. aus F., um den mußte es sich handeln, war ein verrückter Chaot der im Laufe von Jahren alles zusammengetragen hatte, was ihm unter die Finger kam. Gebremst wurde er nur durch die temporären Leeren auf seinem Bankkonto, die sich in immer häufigerer Folge einstellten. Die Geräte passten schon lange nicht mehr in seine Dachgeschoss-Wohnung, und die Stapel waren aus dieser hinaus, die Treppe hinunter, bis in die Kellerräume gewuchert, wo sie die anderen Mieter störten. Das sowas in einem schwäbischen Haus überhaupt möglich war fand ich immer unglaublich. Vor der taktischen Meisterleistung, den Rausschmiss zu verhindern, zog ich insgeheim meinen Hut.

Nun, wo der Gute so ausserplanmäßig aus der Mitte seiner Sammlung gerissen worden war - Anhang hatte er keinen - gab es für den Vermieter ein Problem: Wie wird er den vermeintlichen Schrott los? Ich würde der rettende Engel sein und für einen Appel und ein Ei in kürzester Zeit ein zweites "Geschäft meines Lebens" machen.

"Regeln wir das Finanzielle" schlug ich vor und ging in den Laden. Der Ladenbesitzer folgte mir.

Dort klingelte das Telefon.

Mit dem mir mittlerweilen bekannten, halb entschuldigenden und halb erstaunten Gesichtsausdruck schaute er mich an und nahm den Hörer ab.

Er sagte nichts! Das zarte, gesunde rosa in seinem freundlichen Gesicht wich schlagartig einer Blässe, wie ich sie aschfahler noch nicht gesehen hatte. Die Augen wurden größer und größer, drohten aus den Höhlen zu springen, der Mund öffnete sich und nur mit Mühe konnte er den Hörer wieder auffangen, der ihm beinahe aus der Hand gefallen war. So muss es aussehen, wenn jemand eine Stimme aus dem Jenseits hört!


*******************************************


Kurz zuvor stand der Sammler M aus F fassungslos auf einem Rastplatz der Autobahn nach Frankfurt.

Als er, verkrampft über das Lenkrad seines Autos gebeugt auf der Überholspur den ersten klaren Gedanken seit Stunden fassen konnte, wurde ihm zweierlei klar:

a) Es waren am Abend zuvor zuviele Biere gewesen. Ein Teil davon machte noch Probleme im Kopf.
b) der Teil des Biers, der nicht über das Blut in den Kopf stieg, machte Probleme in der Blase.

Wenigstens dem 2. Problem konnte schnell abgeholfen werden. Mit quietschenden Reifen war er über quer über die Fahrbahn in den Parkplatz hineingewedelt und knapp vor einem Truck zu stehen gekommen. Er stürzte aus dem Auto, hinter die Büsche und genoss das Gefühl der Erleichterung, als er die letzten Tropfen abschüttelte und die Hose zuknöpfte. Dann stapfte er zu seinem Auto zurück und konnte sehen, wie es genauso dynamisch, wie es hinein gefahren war, wieder vom Parkplatz fegte.

"War keine gute Idee mit laufendem Motor und und offener Tür zu parken", meinte lakonisch der Trucker, der auf einer Bank saß und an seinem Vesperbrot kaute "Es gibt Leute die leben davon."

"Bier?" fragte er weiter und langte in seine Kühltasche, zog eine Büchse "Aschendorfer Schäumle" hervor und riß, um vollendetet Tatsachen zu schaffen, die Dose auf bevor er sie zu M hinüber schob, der sich resigniert auf die Bank gesetzt hatte. Ein Auto war schnell gekauft, aber der Zeitverlust war durch nichts zu ersetzen.

"Kannst ja jetzt ruhig trinken, musst ja nicht mehr fahren" lachte der Trucker und fügte hinzu: "Ich nehme Dich mit nach Frankfurt, dahin habe ich Fracht, und von dort aus kommst Du weiter."

War es das Bier, war es das beruhigende Brummeln des Diesels, im Fahrerhaus kam M. zur Ruhe und begann zu planen. Auf den Planen des Trucks war nichts zu lesen gewesen.

"Für welche Spedition fährst Du?" fragte M.

"Für keine, bin mein eigener Chef", kam die erhoffte Antwort.

"Was kostest Du am Tag?"

Der Betrag war verblüffend niedrig.

"Ich brauche Dich für 3 Tage und ich zahle das Doppelte des Üblichen." sagte M

Der Trucker - "Theo" stand auf dem Schild in seinem Fahrerhaus - zuckte bedauernd die Schultern.
"Geht leider nicht, habe Termine."

"Das 3fache," erhöhte M.

"No way. Werde meine Kunden nicht verprellen." Theo blieb stur.

Der LKW rollte Richtung FFM.

"Darf ich telefonieren?"

"Bitte!" Theo zeigte auf das futuristisch eingerichtete Cockpit mit PC, Satellitentelefon, Fax, und und und..

Er bemerkte den erstaunten Gesichtsausdruck von M, dessen Büro wesentlich altmodischer war als dieses Cockpit.

"Technisch bin ich uptodate," sagte Theo, "Musiktechnisch eigentlich auch."

Dabei zeigte er auf einen HiFi-Turm, den man eher im Wohnzimmer eines Zahnarztes vermutet hätte denn in der Fahrerkabine eines LKws.

"Aber das ist alles digital. Ganz praktisch für die Parkplatzparty mit Kollegen. Aber mein Herz hängt hier dran."

Dabei zeigte er unter das Armaturenbrett. Dort erblickte M als Anachronismus mitten in diesem Raumschiff-Enterprise-Ambientente - - - ein SABA Transeuropa! Irgendwie dahingebastelt. Theo bemerkte Ms Erstaunen.

"Den Halter habe ich selbst gemacht," sagte Theo voller Stolz.
"Mit einem Griff hab ich das Radio in der Hand und mit einem Griff steckt es wieder. Das Ding nehme ich sogar mit zum Pinkeln. Schließlich hat man mir schonmal einen Laster geklaut. War ein ziemlicher Stress damals und mit Müller-Westernhagen haben sie einen Film darüber gedreht."

M schöpfte Hoffnung.

"Wie schön," sagte er mit glänzenden Augen "so einen hatte meine Mutter. Meine A77 lief darüber, denn ich hatte keinen Verstärker" "Kanst Du mal einschalten?"

Theo betätigte den Drehschalter. Es lief, was zur Zeit immer lief: "Behind Blue Eyes" von Limp Bizkit. Der Song nervte M.

"Gefällt Dir nicht?" fragte Theo etwas unfreundlich

"Der Song ist Klasse" beeilte sich M. Theos Mundwinkel wurden wieder gerade.

"Aber das Original finde ich besser" Theos Mundwinkel gingen leicht nach oben.

"Who's next" ist eine super Scheibe". Wieder 2 mm Höhe gewonnen.

"Aber wenn ich mich entscheiden müsste: Ich weiss nicht ob ich "Who's Next" oder "Live at Leeds" auf die Insel nehmen würde."

"Sag ich doch!" zeigte sich Theo begeistert, schaltete den Transeuropa ab und ein anderes, daneben hängendes Gerät an.

Das war eine Stellavox, kunstvoll ins Amaturenbrett integriert und vom Band erklang "Magic Bus", der Killertrack des letztgenannten Albums. M war hingerissen - noch nie hatte er eine Stellavox gesehen, geschweige denn gehört. Der Sound lies ihn vermuten, da sein wohl irgendwo in dieser Kabine eine Electrovoice Sentry III versteckt.

"Ist das Dein Hobby?" fragte Theo hoffnungsvoll.

"Mehr als das."

M nutzte die Chance. Er erzählte von seiner Situation, von seinem Vorhaben, von einem norddeutschen Noah und seiner Arche für anitke HiFi-Geräte. Und es gelang ihm, Theo weich zu kochen.

"O.K." sagte der schließlich "Man muss Prioritäten setzen. Wir fahren"

M war erleichtert.

"Aber vorher muss ich noch zum Abladen nach Frankfurt!"

M guckte über das Armaturenbrett. "Ladeboardwand auf/zu" stand dort auf einem Knopf. Er drückte beherzt. Der LKW für gerade durch eine Kurve, die Boardwand öffnete auf der richtigen Seite, und im Rückspiegel konnte M sehen, wie einige Stapel Kisten über das Geländer der Brücke segelten, über die sie gerade fuhren. Von dort fielen sie auf die darunter verlaufende Autobahn.

"Iss praktischer so" meinte Theo nach kurzer Überraschung.

"Ich zahl Dir den Schaden," sagte M, "was war den drin?"

"Nix besonderes, nur Bananen!"

M griff zum Telefon



****************************************************


Als der Verkäufer wieder auflegte, hatte sein Gesicht einen freudigen Ausdruck bekommen.

"Ich verstehe das zwar nicht ganz," sagte er, "aber der Kollege kommt doch noch."

Und dann fügte er bestimmt hinzu:

"Was sie im Auto haben, dürfen sie behalten. Für 50.000.--. Das Geld will ich sofort.
Über den ganzen Rest sprechen wir erst, wenn ihr Kollege ein Angebot gemacht hat."

Den Spatz in der Hand zu halten und trotzdem die Taube auf dem Dach zu jagen war Gebot der Stunde.

"Gut," sagte ich zähneknirschend, und reichte ihm meine Kreditkarte.

"Nehmen wir nicht, tut mir leid!" Es schien ihm gar nicht leid zu tun!

"Ich zahle an und bringe den Rest."

Ich öffnete mein Geldbeutel und leerte ihn auf dem Kassentisch aus. Jetzt schien er zum ersten Mal das Geld anzusehen.

"Oh, das sind ja die neuen Euronen! Ich hätte gerne von jedem eines, aber den Rest brauche ich in DM!"

"Die gibt es doch gar nicht mehr!"

"Doch, bei uns schon. Wir passen sehr darauf auf, daß nichts nach draussen geht."

"Aber ich habe keine DM und bekomme auch nicht so viel her." Ich war verzweifelt.

"Wie wäre es mit Naturalien?" schlug er vor. "Sehen sie den Garten da draussen? Der Gärtner der mir das immer gemacht hat und den ich mit Fernsehern bezahlt habe ist leider verstorben. Meine Frau und ich hätten gerne wieder einen Garten, aber wir sind zu alt für die schwere Arbeit. Ich brauche Pflanzen, die können sie kaufen und bringen. Einpflanzen müssen sie natürlich auch. So ein junger kräftiger Mann wie sie macht das mit links. Aber sie müssen vor morgen Mittag fertig sein, da kommt ihr Kollege."
Michael(F)
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#5
Ich war ziemlich niedergeschlagen. Dankend lehnte ich den Vorschlag mit dem Garten ab. Wer war bloss dieser andere Sammler, der unbesehen ein komplettes Lager kauft? Eigentlich gab es ausser mir nur einen, der soetwas fertigbringt... Egal, es war schon spät geworden und ich hatte keine Lust mehr zum Kämpfen oder Lamentieren. Der Verkäufer bat mich höflich, aber bestimmt - offenbar war er innerhalb kürzester Zeit wieder geschäftsfähig geworden - meinen Wagen wieder auszuladen...wegen den paar Piepen! Ohne etwas zu sagen, schleppte ich Karton um Karton wieder in den Laden zurück und nach hinten in das Lager, stets unauffällig beobachtet vom Ladeninhaber, der sehr geschäftig dies und das, aber nichts bestimmtes, im Laden werkelte. Und schliesslich war ich schweissgebadet und fertig.

"Schön, junger Mann!", grinste mich der Verkäufer an, "Ich hätte nicht gedacht, dass Sie so kampflos das Feld räumen. Ich hätte eher damit gerechnet, dass sie wütend alle Kartons aus Ihrem Wagen werfen und nach Hause fahren. " Er machte eine Gedankenpause und sagte dann "Wenn Sie Sammler sind, dann sammeln Sie doch vor allem seltene Stücke, oder?". Ich fragte mich, was er jetzt noch wolle, eigentlich hatte ich keine Lust mehr zu gar nichts, dennoch erwiderte ich brav, aber mit einer gehörigen Portion Niedergeschlagenheit in der Stimme "Da haben Sie schon recht.". "Nun ja, ich habe da noch eine originalverpackte Marantz. Ein Einzelstück. Die kam damals aus den USA über unseren Grossisten, weil ein Kunde danach fragte. Der Preis war hoch und so wurde die Maschine nie verkauft. Wenn Sie wollen, dann schenke ich Ihnen dieses Gerät, dann war Ihr heutiger Tag nicht ganz verdorben und wir trinken noch eine Tasse Tee miteinander.". Und ob ich wollte! Beim Tee tauschten wir allerhand Know-How aus und gegen 16 Uhr war ich wieder auf der Autobahn Richtung Heimat, im Kofferraum einen silbernen Schatz. So schnell war ich noch nie gefahren und gegen 19 Uhr stand das gute Gerät bereits im Wohnzimmer, völlig ohne Macken, nagelneu und mit dieser herrlichen Schreibschrift. Ich liess den Abend mit einem Band des Sammlers ausklingen, der vermutlich in diesem Augenblick seinen Wagen mit all diesen Geräten beläd... Soll er doch, pah, das habe ich doch alles...
Die Fahrt des Sammlers M. aus F. verlief alles andere, als erfreulich. Nachdem der LKW seine Ladung verloren und damit für einen kilometerlangen Stau sowie einen tödlichen Unfall gesorgt hatte, beschloss der überaus gut gelaunte Fahrer an der nächste Raststätte anzuhalten und seinen Beifahrer zu einem echten Fernfahrertisch einzuladen. Obwohl M. eigentlich weiterfahren wollte, war er durchaus interessiert, einmal hautnah die Sitten und Gebräuche der fernfahrenden Zunft kennenzulernen. Im Rasthaus dann die Überraschung. "Komm, Freund, hier, trink den, der bringt dich wieder nach oben!". Wodka? Der Mann trinkt Wodka? "Aber du wolltest doch etwas essen?" fragte M. "Quatsch! Fernfahrertisch heisst, ein paar hinter die Binde kippen um wieder klar denken zu können, hier nimm noch einen!". M. bemerkte nicht, wie er im Qualm und Trubel der Raststätte einen Wodka nach dem anderen herunterspülte. Nach 3 Stunden wankten beide zum LKW zurück. "Tu kannscht doch nich mäh faahn!" sagte M. "Doch, setz dich, kein Problem, das mache ich jeden Abend so!". Sie fuhren los und der Brummifahrer zündete sich eine merkwürdige Zigarette an. "Sach mah, was iss das fürn Geruch hia?", fragte M. "Willst auch mal einen Zug probieren?" der Fahrer hatte seine Beine mittlerweile auf das Cockpit gelegt. "Autopilot, feine Sache sowas, besonders, wenn der Nebel so dicht ist wie jetzt.".
Endstation Kamener Kreuz. Der LKW fuhr im dichten Nebel auf ein Stauende auf, glücklicherweise ohne Blessuren für die Insassen. "Sie sind ja sternhagelvoll Mann!" sagte der Polizist zu M. "Ich hatt nu einen Wodka", erwiderte M. und erbrach sich über die Schuhe des Polizisten. M. wurde festgenommen und in die Entnüchterungszelle gesteckt. "Wo isch das Radio? Wollt ihr mich foltern? Keine Muschik?" *Klong* fiel die Tür der Zelle ins Schloss. "Als ich den aus dem LKW holte, hatte er noch diese Zigarette dabei!" sagte Wachtmeister Habermann zu Inspektor Klusau, welcher erwiderte "Aha, Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz, wahrscheinlich Drogendealer oder sowas, der wird morgen dem Haftrichter vorgeführt!"
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#6
...und die Moral von der Geschichte:

Habgier bringt keine Freu(n)de!


P.S.: Herr Friedrich Heinzelmann ist leider vor 2 Monaten verstorben. Als sein Nachlaßverwalter habe ich seinen letzten Willen ehrenvoll ausgeführt: Das gesamte Inventar seines Ladens inclusive der Waren sollte in einer Auktion zu Gunsten eines guten Zwecks veräußert werden.
Alle Geräte wurden durch das bekannte und renomierte Online-Auktionshaus "EBAY" versteigert. Der Gesamterlös von 325.886,11 Euro wurde als Spende an verschiedene SOS-Kinderdorf-Einrichtungen weitergeleitet.
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#7
Ohhh mannn wenn das mal alles wahr wäre :-)))))
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#8
und da erwachte der sammler aus seinem Traum und siehe, er war gar kein Sammler. Seine alte Grundig tk 140 hatte gestern den geist aufgegeben und dieses leidvolle erlebnis hatte den ausschweifenden Traum zu Folge.Er räumte die Bierkisten zu Seite und verschaffte sich zugang zum Computer. "Jetzt werde ich Sammler" dachte er bei sich und tippte "www.ebay.de".
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#9
Nach der Einloggprozedur gab der zukünftige Sammler "Tonband" in die Suchmaschine ein und beobachtete, so konzentriert wie es nach einer geleerten Bierkiste und zu wenig Schlaf danach eben ging, den Monitor. Was er als Suchergebnis präsentiert bekam schockte ihn zutiefst, so wie es ihn am Abend zuvor auch geschockt hatte.

Er erinnerte sich langsam wieder. Als seine Grundig den Geist aufgegeben hatte, weil sie offenbar das Bier nicht vertrug, daß er ihr generös in die Lüftungsschlitze gekippt hatte, war er im world-wide-web auf die Suche nach Ersatz gegangen. www.ebay.de hatte er gestern schon eingetippt und sich über das riesengroße Angebot eines einzigen Verkäufers gewundert. Ein für seine unseriösen Geschäftsmethoden bekannter Händler aus dem Koblenzer Raum, dem es mit zugegebenermaßen verlockend gestalteten Prospekten und einem an Frühlingsluft erinnernden Firmennamenn immer wieder gelang, Vertrauen zu erwecken und gutgläubige Kunden über den Tisch zu ziehen, die sich bei ihm für teures Geld ihren Jugendtraum zurückkaufen wollten, belegte mindestens 4 Seiten mit seinen Angeboten.

Den Verkaufstexten zufolge war das nur eine kleine Auswahl an verfügbaren Geräten. Alle Geräte waren neu, originalverpackt, aus "Ladenauflösung", wie geschrieben stand. Jedes Gerät war mit dem Originalkarton abgebildet, der in einer extra-Auktion zum Verkauf stand, ebenso wie die Styroporeinlagen, die Netzkabel und die einzelnen Seiten der Bedienungsanleiutngen. Auf einer Großaufnahmen konnte er den immer gleichen Namen des Empfängers lesen: "Friedrich Heinzelmann, RADIO, FERNSEH, ELEKTRO".

Das, was er geträumt hatte, musste sich irgenwie zumindest in Ansätzen so abgespielt haben. Zweifellos hatte es eine Fa. Heinzelmann gegeben, und deren Lagerbestand war dem Geier von Plaidt in die Hände gefallen, dem er schon oft genug die Pleite an den Hals gewünscht hatte - leider ohne Erfolg.
Michael(F)
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