Eine kleine blaue Wundertüte
#1
Moin, moin.

als ich noch ein bischen kleiner gewesen war und, nicht eben selten: hier und da mal Unsinn angestellt hatte, kündigte mir vor allem meine Oma des öfteren eine merkwürdige Strafe an. Übrigens immer die gleiche und für den unterschiedlichsten Unsinn! Ich würde noch mein "Blaues Wunder" erleben. Mit dem ersten Anführungszeichen hob sie den ausgestreckten Zeigefinger.
In meinem Alter ist das inzwischen anders. Heute wird eher mit Schlägen, Anwalt oder Gefängnis gedroht. Selbst wenn ich noch keinen Unsinn angestellt habe! Behörden drohen zum Beispiel profilaktisch: Würde ich, immerhin Souverän dieser Republik!, zum Beispiel den Fragebogen der Rentenversicherung nicht rechtzeitig ausfüllen, dann dürfe ich mich, so das Anschreiben zum Fragebogen, auf eine Ordnungsstrafe freuen ....

Tatsächlich ist mein Respekt vor dem "Blauen Wunder" immer größer gewesen als vor dem, was Erziehungs-Anmaßende heute im Drohungs-Repertoire mitführen. Vielleicht liegt das daran, das ich einfach nie verstanden hatte, was mir Blaues widerfahren sollte und mir daher die wildesten blauen Unglücke hatte vorstellen können.
Hätte Oma mir erzählt: "Pass bloß auf, sonst wird Dein Pulli blau", hätte ich mich wahrscheinlich zu einem noch schlimmeren Buben entwickelt, als ich es so geworden bin.

Nun habe ich keine Ahnung welche Farbe der Bezug des kleinen Tonbandkoffers tatsächlich hatte bekommen sollen. Als ich den petrol-blauen Deckel das erste mal aufgemacht hatte, habe ich mich aber tatsächlich richtig gewundert!
Das ist über ein Jahr her und beeindruckt mich übrigens immer noch mehr als der Anhang zum Anschreiben zum Fragebogen der Rentenversicherung.

   


Der kleine Koffer steht nun neben mir auf dem Tisch und schaut etwas distanziert, dabei aber irgendwie freundlich und gutmütig: "Mach mich auf und spiel mit mir", scheint er zu denken. Egal wer.

Als ich ihn auf den Tisch stellte war ich zunächst über sein Gewicht erstaunt. Der proppere Kleine bringt, mit Zubehör, immerhin ein Gewicht von fast 5.250 Gramm auf die Briefwaage. Etwas mehr, als die "Specifications" und die "Technischen Daten" versprechen. Bei Abmessungen von 285 (B) x 210 (T) x 135 (H) mm wirkt er dabei keinesfalls dicklich, bestenfalls stämmig und solide.
Unten drunter zeigt er vier schwarze Gummi-Tatzen, am Hinterteil vier hell-blaue Plastik-Füße. Ingesamt drei hellblaue Metall-Gitter, links, hinten und unten, sorgen für ausreichend Belüftung für all jenes, was sich in seinem Innern versteckt.

   

An der, aus der Betrachter-Position gesehen, rechten Seite hat der Kleine einen lindgrünen Metall-Deckel mit einem schwarzen Knopf. Wird der, bei liegendem Gerät, runter gedrückt, lässt sich der zweifach gelagerte Deckel nach unten öffnen und gibt den Blick auf ein Fach frei, in dem sich das Stromkabel und ein Mikrofon unterbringen lassen. Das weiß ich übrigens daher, weil bei meinem Gerät hier unter anderem ein Stromkabel und ein Mikrofon untergebracht waren! Selbstverständlich ist das nicht. Denn in anderen Serien der gleichen Marke hatte das Zubehör seinen Platz im Deckel gehabt. In dieser Serie befinden sich im Deckel zwei Schaumstoff-Polster, die auch beim Transport die Spulen auf ihren Antrieben halten sollen.
Hinten hat das Gehäuse zwei Deckel-Scharniere, vorn einen soliden schwarzen Griff und zwei Verschlüsse. Und wenn man die Verschlüsse öffnet, dann kann man auch den Deckel öffnen und beginnt sich zu wundern. Zumindest hatte ich mich gewundert und wundere ich mich immer gerne wieder.


Aus dramaturgischen Gründen würde ich jetzt gerne eine Pause machen, vielleicht etwas Werbung einspielen oder auf den zweiten Teil verweisen, der in der kommenden Woche und nur nach Überweisung von viel viel Geld freigeschaltet werden kann.
Da das die "Granden" des Forums aber nicht begeistern würde, will ich noch schnell auf vier solide Schrauben verweisen - eine links, eine rechts und zwei vorn - die das Chassis im Koffer halten.

Und nun zumindest die dramaturgisch wichtige Pause!
   

Wer kennt das nicht: Der Moderator der Sportsendung kündigt die Werbung an und erzählt noch schnell, womit der Zuschauer hinterher belohnt werden wird, sollte er dran bleiben und nicht umstellen. Das Angekündigte kommt dann garantiert nicht; jedenfalls nicht unmittelbar nach der ersten Werbung.

In dem Seitenfach des kleinen Gesellen steckt ein fest installiertes, zwei-adriges braunes Stromkabel. Das kann durch eine Aussparung in dem Türchen herausgeführt bleiben. Das Typenschild daneben erklärt: "220 V, 50 c/s, 50 VA".

   

Das kleine, creme-weiße Mikrofon, ein "high performance crystal microphone", hat ein beiges Rückenteil und lässt sich mit Hilfe eines Metall-Bügels aufstellen. Es ist wirklich liebevoll gemacht, denn für die Fixierung des Bügels sorgen keine Plastik-Nupsi's, sondern Metall-Knöpfe und auch das Anschlußkabel ist, mit einer extra Kunststoff-Ummantelung an der Ausführung, dauerhaft ausgelegt. Zudem lässt sich das Mikrofon-Gehäuse aufschrauben.
Auf der anderen Seite des Kabels befindet sich ein 3,5 mm-Klinkenstecker, dessen Zuleitung ebenfalls auf dem ersten Zentimeter mit einem Kunststoffmantel ausgerüstet ist.

   

Übrigens fiel mir beim Herausnehmen des Mikrofons noch ein originaler Ohr-Hörer, das sogenannte "magnetic earphone" entgegen. Auch der wird mit Hilfe eines 3,5 mm-Klinkensteckers angeschlossen. Selbst dieser kleine Ohrhörer ist mit einem verschraubten Gehäuse ausgestattet. Während der hintere Abschluß aus Kunststoff besteht ist das vordere Gehäuse aus Metall und von durchsichtigem Kunststoff überzogen, damit der Hörer besser im Ohr sitzt. Selbst der Metall-Bügel, mit dem der Hörer am Ohr befestigt wird, ist Kunststoff-überzogen.

   

Es ist tatsächlich so, dass ich an dieser Stelle noch einige weitere Dinge erwähnen könnte, die wahrscheinlich jedoch niemanden interessieren. Dürfte ich jetzt die genannte Woche Pause machen, Werbung einspielen oder zumindest den kostenpflichtigen Download-Link einfügen, dann würden ich danach zweifellos die Harten Fakten präsentieren.
So erfreue ich mich jetzt an dem wirklich soliden Griff, der breit genug für große Hände ausgelegt ist, aber gleichzeitig nicht so breit, dass die Gefahr bestünde, dass das Gerät beim Transportieren ins Ungleichgewicht rutschen könnte. Natürlich ist auch er mit Metall-Beschlägen befestigt.

   

Ganz besonders pfiffig finde ich den Deckel gelöst. Selbst bei prominenten und teuren Geräten dieser und anderer Größe hängt ein geöffneter Deckel meist recht deplatziert am Heck eines Geräts, macht den Eindruck, die Scharniere verbiegen sich gerade.
Bei meinem kleinen Blauen steht der Deckel, bei liegender Maschine, stramm waagerecht vom Gehäuse ab und stützt sich dabei auf zwei Füßchen. Solche an der Hinterseite des Gerätes ermöglichen zu Vieren das Hochkant-Abstellen. Die beiden davon, die am Deckel befestigt sind, stützen sich nun an der Koffer-Rückseite ab.
Nicht nur das: Bei geöffnetem Deckel - und nur dann - kann der einfach nach oben aus den Scharnieren herausgenommen werden. Praktisch.


Und nun etwas Werbung für einen Fuji Cherry Cassette Recorder ...
   
--- die tatsächlich richtig wenig mit meinem Bandgerät zu tun hat.


Das Typenschild meiner kleinen Blauen zeigt den Schriftzug Fujiya Electric Co. Ltd., Tokyo, Japan.
   

Für eine Langnase ist es ausgesprochen schwierig den Überblick über die verzwickten asiatischen Unternehmensstrukturen zu behalten. Selbst dann, wenn er regelmäßig ins Nihon no Kigyo Guru-pu, eine jährlich erscheinende Übersicht der wichtigen an der Tokyoter Börse gelisteten Konzern-Strukturen, schauen würde. Denn zu einem Konzern oder gar zu einem Keiretsu gehören oft hunderte von Firmen, die durchaus unterschiedliche Namen tragen können. Und die Bezeichnungen, die wir hierzulande in vertrauter Schrift zu entziffern in der Lage sind, sind meist bestenfalls Übersetzungen oder gar Zweitnamen. Denn kaum ein Rundauge kann etwas mit den vielen Schriftzeichen anfangen, mit denen selbst heutige Weltunternehmen zumindest in früheren Zeiten original und einzig identifizierbar benamt gewesen waren. Und solche Zweitnamen wurden schon immer gerne mehrfach eingesetzt oder im Laufe der Zeit variiert.
So taucht der Name Fujiya zwar beispielsweise in dem Buch Asia Major Manufacturers der Business Information Agency immer wieder auf, das aber für ganz unterschiedliche Unternehmen verschiedener Branchen. So wird im Jahre 1969 im Broadcasting Magazine darüber berichtet, amerikanische Produktionsgesellschaften hätten einen Werbe-Film für Schokoriegel von Fujiya Candy gedreht. Und selbst der Name Fujiya Electric ist anscheinend mehrfach benutzt worden, ohne dass ich heute herausfinden könnte, ob dahinter die selben Personen oder Gesellschaften gestanden hätten.

Der Verdacht, die Fujiya Electric Co. Ltd. sei eng mit Fuji verwandt, kann daher ebenso kaum überprüft werden. Denn auch "Fuji" ist ein oft benutzter Name für Unternehmen ganz unterschiedlicher Keiretsu's und Konzerne.
Beispielsweise auf der indonesischen Homepage "Neo Giszmo" wird ein Fuji Cherry Cassette Recorder vorgestellt, der angeblich von der Fujiya Electric stamme. Wenn man dem Suchbegriff "Fuji Cherry Recorder" folgt, dann stößt man immer wieder, beispielsweise auf der Vintage-radio.net-Seite, auch auf transportable Bandgeräte die man beispielsweise als Commodore auf der Tom's Tape Recorder Collection-Seite wiederfindet. Billboard weist in der Ausgabe vom 31.7.1965 darauf hin, eine Fujiya-Bandmaschine für 18cm Spulen und mit 4-Spur Köpfen sei in den USA als Gemsonic erhältlich. Eine andere Marke, unter der Fujiya Radio-Plattenspieler Portables angeboten worden waren, war zum Beispiel Califco. Es bleibt schwierig.

Ich habe mich entschieden, die Fujiya Electric Co. Ltd., Fujiya Audio Co. und Fujiya Kogei KK als "eine Firma" zu behandeln. Primär-Quellen dafür habe ich allerdings keine.


Fujiya taucht in meinen Quellen ab den späten fünfziger Jahren auf und schien vor allem in den USA aktiv. Dort gab es mit der Fujiya Corporation in New York eine eigene Tochterfirma, die für den Vertrieb der Geräte zuständig gewesen war und, wie Billboard am 29.06.1959 in der Sparte "Audio News" berichtete, auf der NAMM-Show (National Association of Music Merchants) in New York die ersten transistorisierten "Stereo-Portables" vorgestellt hatte.
Doch anscheinend konnte die Firma mehr: New Scientist berichtet beispielsweise am 1.11.1962 von einer Erfindung, die mit Hilfe von Magneten und Strom eine Ionisierung von Treibstoff erreichen sollte, was für eine bessere Durchmischung mit Luft und damit für einen höheren Wirkungsgrad eines Benzin-Motors hatte sorgen sollen.

Aus dem Jahre 1960 stammen auch zwei Patent-Anmeldungen des Erfinders Aoki Takeshi für einen "Phonographic apparatus" (United States Patent 3065972 und US3008720). Noch aus dem Jahre 1983 datiert eine Patent-Anmeldung der Fujiya Kogei KK für die Entwickler Hideo Arai und Hitoshi Kimura für eine Stopping Method of Turntable (JPS6061952) und aus dem selben Jahr, für den Entwickler Kazuto Kobayashi, für einen Record Size Detector (JPS60117447). Überhaupt schienen Plattenspieler eine Domäne von Fujiya gewesen zu sein. Zumindest in Transonic-Plattenspielern des Nikko-Distributos Intermarket fanden sich Fujiya-Motoren; das HiFi-Jahrbuch 8 nennt für den Transonic P100 sogar Fujiya als Hersteller! Im HiFi-Forum wurde vermutet, Fujiya sei Hersteller von Marlux- und Audion-Plattenspielern gewesen.
Auf Audiokarma kann man lesen, neben Chuo Denki (CEC) sei Fujiya Audio der größte Plattenspieler OEM Japans gewesen. Im AAA-Forum wird vermutet, Fujiya sei der Hersteller der "kleinen Denons der ersten Generation" gewesen. Zumindest die Motoren vieler Dreher sind mit Fujiya Audio Co. markiert: Yamaha hat in seinen Plattenspielern genauso diese Motoren verwendet, wie Mikro-Seiki. An anderer Stelle sind Bose, Luxman, Sharp/Optonica, Onkyo, Nakamichi und Marantz erwähnt.
Ein Indiz, für welchen Hersteller Fujiya Plattenspieler gebaut haben könnte, bringt die Suche nach Ersatz-Nadeln und die dabei angezeigten Kompatibilitäts-Listen.
Die berühmte Liste The Web of Japanese Contractors von "Axel" auf The Vintage Knob führt Fujia ebenfalls als "Major turntable OEM provider & developer".

Mit den eigenen Plattenspieler-Motoren begann bereits Ende der vierziger Jahre die Tonbandgeräte-Geschichte der Firma: So entwickelte Nobutoshi Kihara den ersten Prototyp einer Sony-Bandmaschine mit Hilfe eines Induktions-Motors, den Fujiya für den Einsatz in Plattenspielern angeboten hatte.
Geschichtlich so etwas wie bedeutsam wurden dann Fujiya-Recorder in Großbritannien: "... Not quite so inexpensive, but still well done the scale is the first Japanease recorder to appear this country. The recorder we have in mind is the Fujiya ...", berichtete Tape Recording UK (11/1960 S.22) über das erste japanische Bandgerät im Lande.
Wann tatsächlich das erste eigene Bandgerät von Fujiya erschienen sein mag kann ich nicht sagen. Ab dem Spätsommer 1960 berichten die Magazine Tape Recording UK und Studio Sound über Geräte, die von Nortons of Manchester importiert worden waren. In der US-Ausgabe vom Oktober 1961 wurden in dem Magazin Tape Recording gleiche mehrere Bandgeräte werbemäßig erwähnt, auf eine Neuerscheinung hingewiesen und findet sich eine Vorstellung für einen Fujiya Recorder. Design und Programm-Abstufung weisen für mich darauf hin, zu diesem Zeitpunkt wird Fujiya schon längere Zeit Bandgeräte im Programm geführt haben.

Seit wann auch immer. Eine Spezialität von Fujiya schienen bis weit in die sechziger Jahre hinein vor allem transportable Geräte gewesen zu sein. Radiogeräte, Plattenspieler, Kombinationen aus beidem und eben Tonbandgeräte.
Und wenn ich mir bei radiomuseum.org die Bilder der dort gelisteten Fujiya-Geräte anschaue, dann habe ich bei dem Anblick mancher Plattenspieler und mobiler Bandgeräte ein Dega Vue. Zu Recht?


Eine einzige nahezu Primär-Quelle habe ich gefunden, die über die jüngere Geschichte von Fujiya berichtet. Auf The Vintage Knob erfährt man etwas über die 1000er Nakamichi-Plattenspieler. Während das Modell TX-1000 von Etsuro Nakamichi konzipiert und von Micro-Seiki gebaut worden sein soll, wäre der CT-1000, nach Vorgaben von Nakamichi, durch Junichi Okumura bei Fujiya Audio realisiert worden.
"... Fujiya was later in the 1980s absorbed by NEC and units such as the Dragon CT were scrapped from the books. And when NEC shut down its own audio/video activities in the mid 1990s, well, the Dragon CT definitively vanished from the landscape. Thanks to Shinichiro Okumura, son of Junichi, for unveiling this revealing bit of history. ..."

Doch ist die Marke Fujiya zumindest nicht ganz vergessen. Eine britische Elektro Rock-Band hat sich, als Reminiszenz an Fujiya-Plattenspieler und an eine Figur aus dem Hollywood-Film Karate Kid, Fujiya & Miyagi benannt.


   

"The Fujiya Corder ... records and plays back two tracks of material on standard-width recording tape. This doubles the playing time without loss of quality or frequency response. Recordings can be made from a phonograph, radio, or television receiver, in addition to those made directly from the microphone.
A record safety lock prevents accidental erasure, and a Quick Stop control permits pauses to be made during a recording. ...
" (PhotoFact Folder 7, Set 490 der U.S. Photo Supply Company, Washington).

Bei dem FujiyaCorder EX-322 handelt es sich um die große Schwester der EX-311, deren Service-Manual der Howard W. Sams & Co. Inc. aus Indianapolis auf den Juno 1960 datiert ist.
Meine Fujiya wurde mit Vertrag vom 10.7.1962 in Zürich ausgeliefert. Sie war Bestandteil eines Französisch-Kurses beim Institut für Neuzeitliche Fortbildung in Luzern und wurde ein Jahr lang mit 14 SFr im Monat gemietet und konnte, nach Ablauf des Mietvertrages, durch eine zusätzliche Zahlung von 240 SFr übernommen werden. Das hat die bis 1963 nach Lübeck umgezogene Mieterin dann auch getan.
Der Französisch-Kurs kostete übrigens 564 Franken. Ohne Bandgerät. Ich hoffe, es hat sich gelohnt.

Die EX gab es also in zwei Versionen. Als Modell 311 bot das Gerät eine Arbeitsgeschwindigkeit: 9,5 cm/s. Die EX-322 ermöglichte zusätzlich 19 cm/s.
Natürlich ist die EX eine 2-Spur Mono-Maschine. Eine Glühlampe fungiert als Pegel-Instrument. In den Pegelregler ist der Hauptschalter integriert.

   

Das wichtigste Bedien-Element ist ein Knebelschalter, mit dem Stop, Play und Rücklauf ausgelöst werden können. Ein zusätzlicher Druck auf einen roten R-Knopf startet die Play-Funktion in den Aufnahme-Betrieb. Der Quick Stop-Hebel realisiert eine Pausen-Funktion.
Links neben dem Pegelregler befindet sich ein Ein- und ein Ausgang. Die beiden 3,5 cm-Klinken-Buchsen sind für den Mikrofon-Anschluß und den Betrieb der Fujiya an einem externen Verstärker, Lautsprecher oder Kopfhörer gedacht. Ist die Buchse "EXT" in Betrieb, schaltet das Gerät die Wiedergabe über den internen Lautsprecher ab.


   

Die Bedienung ist eigentlich ganz einfach: Links wird eine Spule mit Bandmaterial aufgelegt, rechts eine Leerspule. Das Tonband wird, über zwei Umlenk-Bolzen in den Schlitz im Kopfträger-Gehäuse geführt. Dort kommt es automatisch zwischen Tonkopf und Andruckpads, zwischen Capstan-Achse und Andruckrolle zu liegen.

   

Die Stromzufuhr lässt sich einschalten, indem der Bediener den Lautstärke-Knopf aus der 0-Position heraus dreht. Der Vortrieb beginnt, wenn der Knebelschalter auf "Play" steht.
Einen schnellen Vorlauf kennt die EX nicht. Zurück spulen kann sie schon. Und dreht man den Knebelschalter auf "Stop", dann wird der Antrieb abgeschaltet.
Um eine Aufnahme zu machen muss zunächst der mit "R" bezeichnete rote Record-Knopf eingedrückt und dann der Knebelschalter auf "Play" gedreht werden. Die Aufnahmesperre soll verhindern, das Bänder zufällig überspielt werden. Die Aussteuerung erfolgt dann mit Hilfe des Lautstärke-Reglers.

HiFi kann die Fujiya nicht wirklich. Ihr Frequenzgang ist selbst bei hoher Geschwindigkeit bei 8.000 Hz begrenzt. Ihre untere Einsatz-Frequenz, von 200 Hz, liegt in etwa dort, wo bei den Boxen, mit denen ich zur Zeit spiele, der Übergang zwischen Mittel- und Tieftönern erfolgt.
Zudem ist die korrekte Aussteuerung eher Glücksache. Man nimmt auf, spult zurück, und prüft die Aufnahme durch Abhören. War sie ungenügend ausgesteuert, dann spult man erneut zurück und wiederholt die Aufnahme. Für einen Reportage-Einsatz ebenso ungeeignet, wie für Musik-Aufnahmen.
Man stelle sich den Besuch im "Kaiserkeller" vor, bei dem der Tonjäger plötzlich ruft "seit doch mal leise", um seine Aufnahme zur Kontrolle abhören zu können, und dann fragt: "Könnt ihr das noch einmal spielen?"

Immerhin, die Fujiya hat eine Pause-Taste. Die wird in der Anleitung "Schnellstop" genannt und greift vor allem in die Mechanik der Andruckrolle ein. Der Motor läuft also weiter und die Bandteller werden nicht gebremst, dafür aber der Antrieb ausgekuppelt. Ein Assemble- oder Insert-Schnitt ist damit eher nicht möglich. Auch wenn die Anleitung vorschlägt, vor "Play" solle immer das Band gestrafft werden.

Der Anschluß einer Wiedergabe-Quelle ist über die Mikrofon-Buchse und durch ein passendes Dioden-Kabel möglich. Radio, Plattenspieler mit Kristall-System oder ein Verstärker sind hier anschließbar. Das schlägt zumindest die in Japan gedruckte Anleitung und deren schweizer Übersetzung vor. Lustig schient mir ein zusätzlicher Vorschlag der US-Amerikanischen Operating Instructions für die EX311: "To Record From a Radio" wird empfohlen, ein Kabel in die Mikrofon-Buchse zu stecken, das an der anderen Seite zwei Alligator-Klemmen hat. "... Connect the alligator clips across the voice-coil terminals of the radio-speaker ..." Alternativ könnten die Klemmen direkt "... across the radio volume-control" befestigt werden. Nicht jedes amerikanische Radiogerät hatte wohl eine Ausgangs-Buchse.
Die Buchse "Ext" des Fujiyacorder erlaubt den Anschluß eines externen Lautsprechers an den 0,5 Watt-Verstärker. Die geringe Leistung erlaubt es ebenso, die Buchse für den Anschluß an einen externen Verstärker oder den Ohrhörer zu verwenden.

   

   

Die Grundlage der EX ist ein Metall-Chassis von etwa 17 x 26 cm Ausmaß, das aus einer an den Seiten bis zu acht Millimetern hoch-gebörtelten, Millimeter-starken Blechplatte besteht. Der gedämmt gelagerte Motor und die ohne Platine aufgebaute Elektronik sind unter der Platte angebracht, der Rest ist darüber befestigt. Vier Röhrchen bilden Abstandshalter, zwischen denen sich die Mechanik befindet und auf denen die Frontplatte angebracht ist.

   

Über fast die gesamte Höhe von 17 cm ist unter der Basis ein Winkelblech angebracht. Links daran sind zwei Trafos, zwei TEN-Röhren (12AX7 und 12BH7A) und ein Chemicon 20MFD-Kondensator, rechts daran die übrige Elektronik befestigt. Deren Widerstände und Kondensatoren stammen übrigens zum großen Teil von Suzuki.

   

Der eine Elko trägt übrigens eine Bezeichnung, die mit etwas Raten auf ein Produktionsdatum im November 1961 hinweisen könnte. Die Ziffernfolge "31161" könne aber auch etwas ganz anderes bedeuten. Ein kleinerer Kondensator auf der gegenüberliegenden Seite ist mit "3 10 61" deutlicher als datierend beschriftet. Vielleicht.

   

   


Wer das Chassis einer EX entnehmen will, der entfernt die vier Schrauben, die seitlich durch das Gehäuse in die Blechplatte gedreht sind. Weitere Befestigungen gibt es nicht. Trotzdem wird eine gut erhaltene Fujiya nicht leicht auseinander fallen.
Das liegt einerseits an dem Stromkabel, das im Gehäuse durch eine Zugentlastung und unter dem Lautsprecher-Korb hindurch geführt ist und das Chassis daher recht kurz anbindet. Ebenso das Lautsprecherkabel. Vor allem aber ist ein weiteres Winkelblech, das eine Abschirmung zwischen Elektronik und Motor bildet, auf eine Isolierung auf einer Kante unter dem Chassis und mit der anderen Seite gegen das Ende des ersten Winkelblech gesteckt und im Gehäuse eingeklemmt, so dass das Chassis hier fest gehalten wird. Ist das Chassis erst einmal abgehoben liegt das Abschirmblech meist lose im Gehäuse und muß vor dem Wieder-Zusammenbau wieder aufgesteckt werden. Andernfalls klappert hinterher etwas.

   

Um die Frontplatte abzunehmen müssen die vier Kreuzschlitz-Schrauben, die von oben durch die Frontplatte geschraubt sind, entnommen werden. Die beiden Schrauben, die am oberen Rand der Frontplatte, direkt auf dem Metall zu liegen kommen, haben einen durchsichtigen Unterleg-Ring. Der Lautstärke-Regler und der Quick-Stop-Schalter sind nur aufgesteckt. Der Knebelschalter und der Umschalter für die Bandgeschwindigkeit sind mit Hilfe einer Madenschraube gesichert. Die Verkleidung des Kopfträgers ist wiederum mit zwei Kreuzschlitz-Schrauben angebracht.


   

Ein einzelner großer Motor treibt die Fujiya an. Zwei Reibräder bewegen den rechten Bandteller und die Schwungmasse des Capstan.
Der Andruck des Bandmaterials wird mit Hilfe eines Federblechs realisiert, das mit Hilfe zweier Pads das Band gegen den Tonkopf und gegen einen Umlenkbolzen drückt, über den das Bandmaterial in den Kopfträger einläuft.

   

   

Die Umschaltung der Geschwindigkeit erfolgt über eine Mechanik, die ein Reibrad anhebt beziehungsweise absenkt, also die Übersetzung im Antrieb verändert. Die Bremse wird mit Hilfe zweier Arme realisiert, die bei "Stop" gegen die Basis der Bandteller drücken.

   

Die Kopfbestückung ist zeitgemäß: ein winziger Löschkopf, der beim Druck auf die "R"-Taste an das Band heran geschwenkt wird, und der zentrale 2-Spur Kombi-Kopf, der mit "1376" bezeichnet ist.

   


Zweifellos ist die EX kein Technologie-Monster, wird mit zeitgenössischen Nagra oder Perfectone nicht konkurrieren können. Trotzdem ist mir die Fujiya ausgesprochen sympathisch. Sie ist sehr solide gearbeitet und durchdacht aufgebaut. Welches andere Bandgerät trennt schon die Funktionsbereiche mit Hilfe derart vieler und massiver Blech-Wände? Und auch die Frontplatte scheint mir im Detail viel liebevoller gemacht als die Front, die uns so manches europäisches Gerät zeigt.

   

Lustig finde ich die "Neon-Type recording level indicator" genannte Glühbirne. Sie als "Aussteuerungsinstrument" zu bezeichnen fände ich etwas aufschneiderisch. Ihre Funktion erinnert mich vielmehr an manch Übersteuerungs-Warn-Anzeige in Tapedecks späterer Zeiten. "Mit dem Lautstärkeknopf ist die Lautstärke so einzustellen, dass das Kontrollämpchen beim lautesten Ton gerade noch aufblitzt."
Ob eine Einmessung der Anzeige auf das verwendete Bandmaterial notwendig werden könnte steht in der Anleitung nicht zu lesen. Die amerikanische Service-Anleitung meint, der Wiedergabe-Pegel solle per Schraubendrehung auf das Maximum eingestellt werden.



Übrigens stellt die schweizer Bedienungsanleitung fest, Tonkopf, Löschkopf, Bandführung, Tonwelle und Andruckrolle seien "der Beschmutzung durch das Tonband unterworfen." Frechheit! Als Lösung schlagen die Übersetzer vor, zur Reinigung solle ein "weicher Lappen, mit ein wenig Sprit befeuchtet, verwendet werden." Ich denke da jetzt an Treibstoff oder Fusel. Die japanischen Autoren meinten reinen Alkohol.
Für die Reinhaltung der Gummi-Teile von Fett und Ölen empfehlen die Übersetzer übrigens "Tetrachlos-Kohlenstoff". Drei Kohlenstoff-Klöße aus dem Kochbeutel? Die Japaner meinten "carbon tetrachloride". Leider wird das meiner Andruckrolle nicht mehr helfen. Die muß neu.

   

Technische Daten (aus den Operating Instructions ... abweichend Bedienungsanleitung)
Power Rating: 50 cycles, 220-240 Volts A.C. ... Spannung: 220 Volt (50-Perioden-Wechselstrom)
Tape Speeds: 7 1/2 and 3 3/4 ips
Reel Size: 5" maximum ... Spulendurchmesser 13 cm
Speaker: 3" Dynamic Speaker with permanent magnet-voice coil, Impedance 8 Ohm
Amplifier: 2 tubes transless-type
Frequency Range: 200 - 8.000 cps at 7 1/2 ips, 200 - 6.000 cps at 3 3/4 ips
Output Power: 0,5 W maximum
Earphone Jack: For magnetic earphone or external speaker
Microphone: Crystal microphone
Size: 10 11/16" (width) x 8 3/4" (depth) x 5 7/8" (height) ... Abmessungen: 28 cm (Breite), 21 cm (Tiefe), 13 cm (Höhe)
Weight: 11,4 lbs. ... Gewicht: 3,4 kg
Accessories: 1 pc. Crystal Microphone, 1 pc. 5" Empty Reel, 1 pc. Magnetic Earphone


Hätte ich in dieser Vorstellung Werbung, kostenpflichtige Download-Links oder ähnliches einbringen können, dann hätte zweifellos die Möglichkeit bestanden, die Klangqualität der Fujiya mit aktuellem Bandmaterial und modernster Mess-Elektronik auf ihre Leistungen zu prüfen. Kein Highend-Elektrostat wäre mir zu schade gewesen, ihn direkt an den Röhrenverstärker der Bandmaschine anzuschließen und einen Hörtest abzuliefern

So bleibt mir der Hinweis, alle Bedienelemente der Fujiya wollen zwar mit Kraft bewegt werden, laufen aber souverän. Nichts klappert im Betrieb oder macht den Eindruck, es verbiege sich etwas, wenn man am Knebelschalter dreht.

   

Den eingebauten permanent-dynamischen 0,35 Watt-Lautsprecher habe ich nicht auf seine HiFi-Tauglichkeit getestet. Lustigerweise ist der übrigens an der Rückseite des Gehäuses angebracht. Wer weiss, ob Hans Deutsch und andere nicht hier etwas über die "Indirektion" im Mittelton-Bereich als Grundlage für eine räumliche Klang-Reproduktion gelernt haben ...

   


Quellen:

Gerät
Operating Instructions der Fujiya Co.
Bedienungsanleitung zu Tonbandgerät Fujiya Mod. EX-322
Photofact Folder 7 Set 490 zur EX-311
Verträge des Institut für Neuzeitliche Fortbildung
http://www.radiomuseum.org/r/fujiva_fuji...ex_32.html

Hintergrund: s. Text

Dies ist die erste ß-Version 0,95 der Vorstellung vom 21.11.2014. Korrigiert mich!

Tschüß, Matthias

P.S.: Dieser Text samt Bilder ist ausschließlich für die interne Verwendung durch Besucher des "Bandmaschinenforum" gedacht. Die durch Klammern heraugehobenen oder kursiv gesetzten Zitate unterliegen gegebenenfalls Urheberrechten Dritter. Eine, auch auszugsweise, private oder gewerbliche Nachverwertung, ohne schriftliche Genehmigung, ist ausdrücklich untersagt.
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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#2
Hallo,

Beeindruckend, das Teil! Recht gute Fertigungsqualität.
Sagenhaft, in welch fast als neuwertig zu bezeichnenden Zustand es sich befindet.

Danke für den guten Bericht

Gruß
peter S.
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#3
Schade, dass so ein relativ aufwändig und solide gefertigtes Gerät dann aus Sparsamkeitsgründen nur eine Gleichstrom-Vormagnetisierung mit Permanentmagnet als Löschkopf verpasst bekommen hat! Damit lässt sich natürlich nur ein sehr begrenzter Frequenzbereich und vor allem kein wirklicher "Rauschabstand" erreichen.
Ansonsten sehr interessant gemacht! thumbup
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#4
Schöner Bericht mit tollen Bildern von einem interessanten, nicht ganz alltäglichen und schön gestalteten Gerät.
Der Kontrast zwischen sorgfältigem Aufbau und durchaus hochwertigem Material einerseits und eher mäßigen technischen Daten andererseits verblüfft mich allerdings auch. 408 SFr dafür sind auch nicht gerade wenig.
Hätte man nicht zu jener Zeit von europäischen (und vielleicht auch von japanischen) Herstellern für diesen Betrag Besseres bekommen können? Zumindest sah es mit seinem kantigen Design wesentlich moderner aus als einige der altbacken-rundlichen Köfferchen von Grundig oder Telefunken, die designmäßig 1961 noch tief in den 50ern steckten.

Gruß
TSF
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#5
Neben dem sicherlich sehr schönen Gerät hat mich Dein Umgang mit dem "Werkzeug" Sprache begeistert.
Das ist doch mal ein Bericht, vielen Dank dafür.

Gruß
Michael
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