Wann gibt es zuviel Musik?
#1
http://www.rauterecords.de/ verbreitete gestern einen newsletter und bewarb darin einen neuen Plattenkatalog. Er umfaßt allein rund 85.000 Vinyls.

Gehen wir einmal ganz keck davon aus, daß es rund 100.000 verschiedene Vinyls gegeben hat. Das sind bei ca. 50 Minuten pro Scheibe (man bedenke die Doppelalben!) rund 5 Millionen Minuten Musik.

Es stellt sich unweigerlich die Frage, wieviele CDs bzw. andere Tonträger es bis zum heutigen Tag gegeben hat. Ich könnte mir aber vorstellen, daß in den letzten Jahren sehr viel mehr produziert wurde. Können wir uns auf vorsichtige 7,5 Millionen Minuten Musik einigen?

Wen ein Mensch 65 Jahre lang Musik hören kann, so könnte er nonstop 35 Millionen Minuten zuhören. Würde er in den 65 Jahren nur rund 5 Stunden pro Tag Musik hören, könnte er das, was bislang fabriziert wurde, hören.

=> kein Mensch kann heute also überhaupt alle jemals gespielte Musik erfassen. Braucht man da wirklich noch neues?
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#2
Ich habe mal gehört das es bei durchschnittlicher Lebenserwartung etwa 2LPs pro Lebensstunde gibt. Kein Mensch kann es also schaffen alle Platten zu hören.
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#3
Wenn es nach solchen Überlegungen geht, dann könnte ich sofort aufhören Bücher zu kaufen oder Bänder oder Platten. Das, was noch unkonsummiert bei mir 'rumliegt würde für eine ganze Weile reichen.

Aber darum geht es nicht:
Ich muss nicht jedes Buch oder jede Platte sofort lesen oder sofort zu Tode hören. In manches höre ich kurz rein, lege es zur Seite. Wenn ich durch Bücher oder Platten oder Bänder stöbere, finde ich Unbekanntes - das will ich so. Nicht immer passt die Stimmung zum Gefundenen. Nicht immer hat man Lust auf Experimente - also blättere ich weiter und greife zu Bewährtem. Und manchmal entdecke ich als "Neu", was schon Wochen und Monate bei mir im Regal steht.

Immer eine Auswahl zu haben - das ist für mich wichtig.
Die Sachen zusammenzutragen - das Sammeln - ist auch wichtig.

Ob es denn überhaupt neue Produktionen geben müsste, wenn man schon die alten nicht bewältigen kann - das hatten wir schonmal in einem anderen thread.
Michael(F)
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#4
Meine Sichtweise ist auch eine Andere. Ich bin absoluter Musik Sammler, weil man nie weiss was man nochmal gebrauchen kann. Letztendlich ist es ja auch nicht so schlimm das man nicht alle Platten hören kann, denn die Meisten hätten einem wohl eh nicht gefallen. Viel schlimmer finde ich, das man vieleicht das verpasst worauf man gewartet hat.
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#5
Genau, Matze,

Ich habe schon viel gehört und zunächst nicht sonderlich gemocht. Jahre später habe ich es wieder vorgekramt und auf einmal gefiel es. Lieblingsstücke auf einer LP konnte ich später nicht mehr hören, die, die ich immer übersprungen habe, gefielen mir immer dagegen immer besser.

Deswegen habe ich immer die kompletten LPs aufgenommen und nicht einzelne Tracks selektiert. Der Geschmack ändert sich im Laufe der Jahre. Manchmal wundert mich, was mir früher so alles gefallen hat. Aber von den Platten mag ich mich auch nicht trennen, wer weiss...
Michael(F)
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#6
Vielleicht habe ich mich falsch ausgedrückt: würde man alle -verschiedenen- Platten herbeiholen, könnte man vielleicht eine ganze Kirche füllen. Ihr habt doch eh keine Chance, das alles einmal komplett durchzuhören. Ich kann mir nicht vorstellen, daß man davon nicht 'satt' wird.

Das Argument, es könne doch noch schönes neues geschaffen werden, zieht irgendwie nicht, wenn man das schöne alte noch nicht kennen gelernt hat. Irgendwann kommen wir an einen Punkt, wo sich Musik nur noch wiederholen kann. Derzeit covern doch alle Schwarzenbands irgendwas, pressen ihren Hiphop drauf und fertig ist der Nr. 1 Hit.

Natürlich werden auch heute gute Stücke gemacht, aber ich brauche sie nicht wirklich, da gibt es noch tausende 'Oldies' zu ergründen Wink
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#7
Sieh das mal so:
Es langt, wenn der Mensch einen Kugelschreiber hat. Hat er ihn immer dabei, hat er immer was zu schreiben. Aber warum liegen in jedem Büro und jedem Haushalt soviele Kulis 'rum? Eben, weil sie nie da sind, wo man sie braucht, sondern überall 'rumliegen. Und je mehr herumliegen, desto größer die Chance, im richtigen Moment auch einen zu finden. Wie, das klappt nicht? Logisch! Kugelschreiber verschwinden in schwarzen Löchern spurlos, der Rest sammelt sich auf Häufen, da, wo man sie nicht braucht. Hoffnungslose Idealisten versuchen es mit Ordnung und meinen, man kann dieses Problem mit Organisation und Selbstdisziplin in den Griff kriegen. Kann man aber nicht!

Man muss statt dessen soviele Kugelschreiber in den Kreislauf einspeisen, daß auch an den Orten, an denen sie statistisch oft gebraucht werden aber selten vorkommen, ein paar liegen bleiben. Die Anzahl übersteigt diejenige, die irgendwelche ordnungsversessenen Logiker hergeleitet haben, um ein vielfaches.

So ist es mit Tonträgern auch. Es muss immer der passende verfügbar sein, auch wenn man sich nicht darum gekümmert hat.

Es geht auch gar nicht darum, was man braucht, nicht darum, daß man sie alle bis an sein Lebensende durchhören kann. Es geht nicht mal darum, daß man diejenigen bis an sein Lebensende durchhören kann, die einem gefallen könnten. Der Gedanke an ungehörte Schätze, die einem jeden Moment in die Finger geraten können rechtfertigt alle diese Überbestände.

Und Neuproduktionen sind erst recht gefertigt: Es könnte ja jemand etwas ganz Tolles machen. Etwas, was noch nie dagewesen ist und alles in den Schatten stellt. Im großen unentdeckten Haufen findet sich sowas sicher nicht - das hätten andere entdeckt und propagiert. Aber solange irgendwelche Musiker basteln, ist der große Wurf nicht ausgeschlossen. Also gucken wir gespannt. Das dabei der große, ungehörte Haufen immer größer wird, nehmen wir in Kauf.

Das Glück liegt immer am anderen Ufer - mit dieser Einstellung kannst Du Dein Leben lang sinnlos vor Dich hin paddeln. Wenn Du endlich absäufst, spricht man von einem erfüllten Leben.
Michael(F)
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