Erfahrungen mit der NAGRA SN
#1
Im Dezember letzten Jahres habe ich eine NAGRA SNS gekauft. Die letzten 3 Monate mit der kleinen Bandmaschine - ein Erfahrungsbericht.

Ich hatte vor vielen Jahren bereits eine Bandmaschine - eine Braun TG 1040 - aber seinerzeit ist der Funke für dieses Hobby wohl nicht so recht übergesprungen. Irgendwann hab ich dann in einem älteren Krimi, in dem eine Szene eine Vernehmung war, eine kleine Tonbandmaschine auf dem Tisch gesehen. Und dieses Ding mit den kleinen Spulen hinterließ einen bleibenden Eindruck im Hinterkopf. Im letzten Jahr erinnerte ich mich dann wieder an diese Filmszene und ich versuchte via Internet herauszubekommen, um was für ein Gerät es sich handelte. Relativ schnell stieß ich auf NAGRA und die SN sah tatsächlich genau wie das aus, was ich in dem Krimi gesehen hatte - ein Traum, den ich unbedingt besitzen wollte.

Ich durchforstete ein Internetauktionshaus, nachdem ich mich ausführlich über die verschiedenen Varianten informiert hatte, und fand ein Angebot aus den USA. Es sollte eine Vollspurversion, die SNN sein, und genau diese wollte ich haben. Der Kontakt war sehr nett und der Herr, offenbar ein findiger Sammler, bot an, über einen Bekannten aus Slowenien mir das entsprechende Gerät zukommen zulassen, da ich den Zoll und die Mwst. sparen würde. Ich willigte ein und wenige Tage später hatte ich meine SNN auf dem Tisch stehen - dachte ich zunächst.
Der optische Zustand war hervorragend und laufen tat sie erst auch. Weiteres konnte ich nicht testen denn es fehlten noch die Tonbänder. Auch hier wurde ich bei einer Auktion fündig. 20 Stück auf den originalen Alu-Spulen zu einem sehr günstigen Preis. Na ja, Erfahrung macht klug. Die Spulen sind über jeden Zweifel erhaben, aber die Bänder waren viel zu alt. Ohnehin ist das mit den Bändern so eine Sache, doch dazu später mehr...

Die ersten Aufnahmen hinterließen dann einen zwiespältigen Eindruck. Die (Musik-) Tonqualität war eigentlich besser als erwartet für so ein altes Mono-Gerät, aber die rechte Spule erzeugte auffällige mechanische Geräusche.
Da mein Hobby Oldtimer sind (BMW und Honda aus den 70er Jahren) und mich alle Mechanik und Feinmechanik sehr interessiert, beschloß ich, mein Uhrmacherwerkzeug zu entstauben und die Maschine aufzumachen. Ich konnte dann zunächst eine falsch herum eingebaute Feder ausmachen und nach dem erneuten Anwerfen der Maschine das erste Erfolgserlebnis verzeichnen: Geräusch beseitigt. Dabei erhielt ich natürlich auch die ersten Eindrücke von der Konstruktion der kleinen NAGRA. Meiner Meinung nach ist das Gerät leidenschaftlich und virtuos konzipiert. Nicht nur die schönen Spulen und die ästhetische und absolut logische Anordnung der Tonköpfe. Die einzelnen Platinen im Gerät lassen sich einfach entfernen. An die meisten mechanischen Bauteile kommt man jedoch von oben. Und diese Erfahrung machte ich auch relativ schnell, denn hier war erneut der Wurm drin.

[Bild: 1-platinen.jpg]

Nach schwankender Übertragung stellte ich fest, dass die kleine Kunststoff-Spannrolle eierte, Da diese für die, ich sage mal, "Einleitung der Bandführung" eine wichtige Aufgabe hat, drehte ich diese auf der Drehbank wieder rund. Leider keine Verbesserung. Jetzt ging es darum, den richtigen Widerstand der linken Spule einzustellen, denn wenn dieser zu gering ist, wird das Band auch nicht richtig an die Tonköpfe gedrückt (wem sag ich das...).

[Bild: 2-spulen.jpg]

Dieser Widerstand ist zwar einstellbar, aber die Toleranz ist zu gering. Wenn man die Schraube oben um einen hundertstel verstellt, ist sofort die ganze Einstellung hin. Es dauerte eine Weile, bis ich herausfand, dass die Einstelltoleranz an der Nagra ebenfalls einstellbar ist. Mittlerweile funktioniert auch das wieder. Bei der Gelegenheit hab ich dann noch die manuelle Umspul-Mimik gereinigt. Hier ansonsten kein Handlungsbedarf.

[Bild: 3-spulen.jpg]

Jetzt wollte ich Musik hören. Dabei fiel mir auf, dass sich das Band doch irgendwie sehr langsam drehte. Die Vollspurversion sollte aber eigentlich eine höhere Bandgeschwindigkeit haben. Nach Rücksprache mit NAGRA-Kudelski in der Schweiz (sehr zuvorkommend!) fand ich heraus, dass es sich bei meiner Variante um die Halbspur SNS handelte. Ganz einfach zu erkennen an dem Capstan mit ca. 2mm Wellendurchmesser, im Gegensatz zu deren 4mm bei der Vollspur-Version. Ansonsten sieht man äußerlich keine Unterschiede. Also schickte ich das Teil nach Rücksprache mit dem Verkäufer zurück nach Slowenien. Und ich muß im Nachhinein sagen, Gott sei Dank hatte er keine SNN mehr. Nicht nur das er mir 200 $ vom Kaufpreis zusammen mit "meiner" SNS zurückschickte. Ich bin mittlerweile auch der Überzeugung, dass die SNS die praxistauglichere Variante ist. Das Umspulen per Hand ist nur was für Notfälle und die Tonqualität ist auch so überragend.

Das ich "meine" Maschine zurückbekam, war gut, denn ich wußte ja um die einwandfreie Qualität der Tonköpfe. Die Mechanik brauchte aber leider immer noch Nachhilfe. Schon wieder mechanische Geräusche von rechts. Diesmal klang es echt wie ein Lagerschaden des Motors. Ich hatte schon Sorge, diesen auslöten zu müssen, um an das untere Lager zu kommen. Das Einzige an dieser Maschine, an welches man nicht ohne weiteres dran kommt. Also versuchte ich es erstmal mit dem oberen Capstan-Lager. Dafür fräste ich mir ein spezielles Werkzeug, um den Capstan beschädigungsfrei öffnen zu können. Und es kam zum Vorschein, was man bei einer Schweizer Bandmaschine eigentlich auch hätte erwarten können: Ein Steinlager!

[Bild: 4-capstan.jpg]

Diese Rubinlager finden sich auch in mechanischen Uhren und sind im feinmechanischen Bereich für langsam drehende Wellen die optimale Lösung. In meinem Fall sah man aber auch den Grund für die Geräusche: Einen braunen Brei, der wahrscheinlich Jahre oder Jahrzehnte alt war...

Nach penibler Reinigung habe ich das Lager mit einem originalen Uhrmacheröl versehen und wieder verschlossen. Verschlissen war das Lager offenbar nicht. Nach der Revision funktionierte es wieder tadellos.
Ein Problem blieben die quietschenden Bänder. Die deutsche Vertretung, Analog Audio, hat keine Bänder mehr. So bin ich abermals auf eine Auktion ausgewichen. Ich fand mittlerweile auch heraus, dass Bänder jüngeren Datums auf Kunststoffspulen gewickelt sind. Diese bekommt man noch vereinzelt. Dennoch müssen auch diese (nach dem Umspulen auf die schönen Alu-Spulen) erst eingelaufen werden. Leider hab ich noch keine abschließende Lösung zu diesem Problem gefunden. Sei es drum. Die Bänder quietschen zumindest nicht mehr.

Und der Klang? Was soll ich sagen: Schlicht überragend! Trotz Mono-Betrieb ist der Hörgenuss über jeden Zweifel erhaben. Man kann fast sagen: Die Klanqualität ist derartig gut, dass man sich fragt, wo in den letzten 30 Jahren die Verbesserungen geblieben sind. Na gut, heute gibt es Stereo und der MP3-Player kommt ohne bewegte Bauteile aus. Allerdings frage ich mich schon, ob das wirklich ein Vorteil sein soll. Die sich drehenden Spulen sind Magie und außerdem kann man irgendwie nachvollziehen, wo die Musik herkommt. Und den Unterschied zwischen Mono und Stereo merkt man nur im direkten Vergleich.

Ich höre ausschließlich Rock der 70er und 80er Jahre, und dabei werde ich von einem Sennheiser HD 414 unterstützt. Übrigens der alte mit 2000 Ohm Impedanz. Womit wir gleich noch zur Frage der Kompatibilität kommen. Jedenfalls ist dieser Kopfhörer aus meiner Sicht die optimale Lösung. Er hat eine kristallklaren, rauschfreien und sehr akzentuierten Klang. Das macht sich insbesondere bei Rockballaden, nicht zu schnell und mit wenigen Instrumenten gespielt, bemerkbar. Wie gesagt, die Klangqualität kann man kaum glauben. Den HD 430 habe ich auch probiert, er klingt aber deutlich dumpfer.

Zum Abschluß die angesprochene Kompatibilität. Die SN hat eine Mono-Klinkenausgang mit 1000 Ohm Impedanz und den HD 414 kann man direkt anschließen. Wenn der Klang nicht übersteuert sein soll, ist die Aufnahme aber etwas leise. Das kann man durch einen Kopfhörerverstärker ausgleichen. Allerdings braucht man dafür ein spezielles Adapterkabel, welches die unterschiedlichen Impedanzen zwischen damals und heute ausgleicht. Dieses braucht man auch, um die NAGRA an eine Hifi-Anlage anzuschließen. Ich habe es von einem amerikanischen Bastler bezogen, ein Schaltplan, um es mal zu vervielfältigen, war dabei. Im übrigen Schaltplan: Dieser findet sich sinnigerweise im Gehäuse der kleinen NAGRA. Wenn man den eine Weile studiert, findet man auch heraus, wie man Musik auf die SN übertragen kann. Im Prinzip reicht ein (selbst gefertigtes) Monokabel, sowie ein Kabel, um zwei Eingänge zu überbrücken.

[Bild: 5-aufnahme.jpg]

Damit wird der Löschkopf aktiviert. Original Kabel gibt es nicht ohne weiteres und wenn die Firma Analog Audio noch eins gehabt hätte, dann hätte dieses 150 EUR gekostet. Da muß ich mittelfristig wohl einen Stecker selbst anfertigen. Meine Lösung ist zwar improvisiert, funktioniert aber tadellos.

Fazit:
Die NAGRA ist ein teures Vergnügen. Die SNS Halbspur hat sich bei den letzten Auktionen auf ca. 900 EUR eingependelt (auch wenn ich durch Glück deutlich weniger bezahlt habe), die Stereo-Variante wird in miserablem äußeren Zustand ab ca. 1300 EUR angeboten. Vom Zubehör (s. Kabel) gar nicht zu reden. Ich muß aber gestehen: dieses kleine Teil ist jeden Penny wert. Man hat eine echte Bandmaschine, die dank ihrer Maße überall hin mitgenommen werden kann. Und die technisch brilliant konstruiert ist. Man kann alles gefahrlos auseinandernehmen und die kleinen Geheimnisse erkunden, wenn man mit Verstand vorgeht. Und der Klang ist wirklich ein Erlebnis. Ich habe meinen Feierabendtraum jedenfalls gefunden.
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#2
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Eine nette und gut gemachte Vorstellung - der Nagra- Virus scheint übergesprungen zu sein. Allerdings schrecken mich die exorbitanten Preise für ein SN, darum beschränke ich mich bislang auf die mittelgroßen Nagras.

Das Bänderproblem für die SN sollte sich doch lösen lassen, ein Rohwickel für Cassettenkonfektionäre dürfte den Bedarf für längere Zeit decken, solange Spulen von Schmierbändern vorhanden sind.
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#3
Hallo Caspar, na das war ja eine Super-Vorstellung von dem Gerät, einfach Klasse. Ich hab mir das 2x durchgelesen war ein Genuss. Eine Bandmaschine die ein Steinlager hat, schwer vorzustellen bei einer Uher oder Philips...grins. Diese kleinen Maschinerien hab ich auch schon in einigen Filmen gesehen, aber der Preis schreckte mich bis jetzt von dieser Firma ab. Glück muss man haben, viel Spaß mit dem Gerätchen...Gruß, Holger
Jede Tonbandmaschine ist ein kleines Wunder!

Maschinen:Telefunken M -15 A, und M-20.... 1 X Philips 4420... Uher Report 4000-L ,(Mono)
Uher- Royal -de Luxe . .. Philips N-4422 .. Akai GX 600 DB... und das Abenteuer geht weiter
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#4
...ich muss jetzt mal blöd fragen: Was meinst du mit Rohwickel für Konfektionäre? Bekommt man irgendwo dieses Bandmaterial ohne Spulen...?
Gruss, Caspar
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#5
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Caspar, diese Rohwickel gibt es selten oder nie im Laden, sondern sie werden für Konfektionäre oder Musikverlage hergestellt und meist direkt an diese geliefert. Ich kann mich aber mal umhören, ob ich so einen Wickel besorgen kann.

Die sind so ähnlich wie 1/4" Bänder auf einem Kern gewickelt und werden mit speziellen Maschinen in Leergehäuse eingefädelt. Eine andere Alternative wäre, handelsübliche Cassetten zu knacken und deren Band für die SN umzuwickeln.
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#6
Meint ihr Rohwickel mit 3,81mm Breite? Hab ich ...
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#7
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Genauuuuuuuu, passendes Kleband habe ich.
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#8
Hallo,

schönes Gerät und Vorstellung. Die Nagras gefallen mir auch super, leider sind die Preise immer so hoch...

Grüße Micha
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#9
...ja, jetzt stellt sich nur noch die Frage, wie man das Band auf die kleinen Spulen bekommt...??
Gruß, Caspar
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#10
Tja, du kannst gerne einen oder zwei Rohwickel gegen Portoerstattung haben. Wenn du willst, schick mir eine PN mit deiner Anschrift. Der Rest dürfte mit Hilfe eines Plattenspielers machbar sein, solange kein Großspuler als Bandmaschine zur Verfügung steht.

Gruß
Michael
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#11
Michael, Danke, ich meld mich morgen...
Caspar
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#12
Hallo Caspar,

auch wenn Ihr zur Zeit gerade die Bänderfrage abklärt:

Das war eine tolle Vorstellung. Mir hat besonders gefallen, daß Du auch was über Dein Verhältnis zu dieser Technik geschrieben hast, habe deutlich Deine Begeisterung gespürt.

Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir noch ein schönes Foto der kompletten Maschine mit einem aufgelegten Band wünschen.....falls es nicht zuviel Arbeit macht.Damit ich einen Gesamteindruck bekomme.
Das wäre schön.

Viel Spaß noch mit dieser feinen Maschine !! Smile
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#13
Nichts leichter als das. Es liegt übrigens auf: Van Halen - Ain't talkin' 'bout love...
Gruß, Caspar

[Bild: IMAG0799.jpg]
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#14
Dankeschön für die Wunscherfüllung !!

Van Halen auf solch Mini-Gerät ---ich kann sie förmlich hören.
Es ist faszinierend.
Auch meine Maschinen haben einen direkten Bezug zu bestimmten Musikrichtungen.Die meisten sehen aus wie Jazz und machen auch welchen.
Aber ein solch winziges Maschinchen hatte ich noch nie.

Danke für`s Foto.
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#15
Zitat:Ralf B postete

Es ist faszinierend.

Aber ein solch winziges Maschinchen hatte ich noch nie.

Danke für`s Foto.
Nee ich hatte so ein kleines Wunder auch noch nicht,sieht dem Gerät sehr ähnlich was ich in dem Film "Tanz mit dem Teufel" - Die Entführung des Richard Oetker gesehen habe. Auch Geheimdienste im Film benutzten so ein Ding,ob es im wahren Leben auch so war?... Ja und vielen Dank für das wirklich gelungene Foto....Gruß,Holger

Edit: Dieses kleine Gerätchen,wäre was für den Bandmaschinenkalender 2013
Jede Tonbandmaschine ist ein kleines Wunder!

Maschinen:Telefunken M -15 A, und M-20.... 1 X Philips 4420... Uher Report 4000-L ,(Mono)
Uher- Royal -de Luxe . .. Philips N-4422 .. Akai GX 600 DB... und das Abenteuer geht weiter
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#16
Dachte ich auch...dann vielleicht so leicht von der Seite angeschnitten...mit Perspektive.

Hatte ja mal vorgeschlagen, Bilder dafür zu sammeln, ist aber nicht auf Gegenliebe gestoßen.

Aber das wär wohl was dafür!

Das Gerät erinnert mich an feinste Uhrmachertechnik.




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#17
Danke für die netten Kommentare schon mal. Ein besseres Foto machen wäre natürlich kein Problem.
Caspar
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#18
>Lieber Caspar,

nicht, daß Du denkst, Dein Foto wäre schlecht:

NEIN. Gerade der Größenvergleich mit dem Kopfhörer ist sehr reizvoll.
Gefällt mir sehr gut.Ich muß anmerken, daß ich einfach gern Fotos von schönen Bandmaschinen ansehe, und deswegen gehen mir immer verschiedene Möglichkeiten durch den Kopf.
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