Authentische Aufführungspraxis mit Original-Instrumenten
#1
Irgendwelche "Klassik"-Fans hier? Liebhaber der sog. "Alten Musik" oder der Barock-Musik? Nicht nur, um ein weniger frequentiertes Board des Forums zu beleben, sondern vor allem aus echtem Interesse an einer für mich neuen Sache und in der Hoffnung auf kompetente Antworten möchte ich gerne ein Thema anschneiden, das vor Jahren für Furore gesorgt hat und nun soweit wieder beruhigt ist, daß man einen Rückblick wagen kann. Es geht um die Aufführung von Werken mit Original-Instrumenten.

Als Komponisten wie Monteverdi oder Johann Sebastian Bach ihre Werke schufen, sahen die Instrumente anders aus als heute, besser gesagt: sie klangen anders, weil sie anders gebaut waren. Auch die Aufführungspraxi (?, die Lateiner mögen korrigieren) waren anders, dazu kommt, daß ein Werk nicht Note für Note wiederholgenau nachgespielt wird sondern interpretiert. Das beinhaltet auch einige künstlerische Freiheiten. Diese haben sich die Interpreten mal weniger mal mehr genommen. Die Werke haben sich also im Laufe der Jahre geändert, der eine lernte vom andern und der Komponist, der allein hätte Auskunft geben können darüber, ob seine Intentionen getroffen wurden, lag schon längst unter der Erde und war somit verhindert. Was würde er heute dazu sagen, wenn er hören könnte?

Vor einigen Jahren nun gingen Musiker daran, sich bei der Aufführung der Werke an den damals üblichen Gegebenheiten zu orientieren. Vor allem der Dirigent Nicolaus Harnoncourt machte durch seine mit Originalinstrumenten musizierenden Orchester von sich reden. Andere taten es ihm gleich. Ähnlich wie bei der Einführung neuer Technologien bei der Musikwiedergabe (Stereo, Digital) entspann sich ein Disput über die richtige Religion der Aufführungspraxis.

"Endlich!!! Die Wahrheit!!!", jubilierten die einen, denen es nicht authentisch genug sein konnte.
"Grässlich!", riefen die anderen, "Wie kann man unseren ..xy.. so entstellen und verhunzen?"
Dazwischen Laien wie ich, die sich bei allem Respekt vor dem Bemühen um historische Richtigkeit doch zu sehr mit dem Gewohnten angefreundet hatten, als daß sie das neue Alte hätten auf Anhieb goutieren können. So hörte man diese authentisch musizierte Musik mitunter mit den gleichen Gefühlen, mit denen man eine ökologisch korrekte Voll-Korn-Dinkel-Laugenbrezel vertilgt, zu der man aus ernährungswissenschaftlichen Gründen nicht "Nein" sagen darf, obwohl sie einem nicht so richtig munden will.

Es ist in der Tat sehr gewöhnungsbedürftig, ein Werk, das man bisher von einem donnernd gespielten Flügel gehört hatte, auf einmal von einem leise und weich klingenden Cembalo zu vernehmen. Ebenso war es für mich überraschend zu erleben, daß eine Barock-Orgel transportabel ist und bei Kirchenkonzerten vor dem Altar neben dem Orchester aufgebaut wird, dessen Bestandteil sie ist. Wenn man gewohnt ist, daß die Königin der Instrumente den rückwärtigen Kirchenraum beherrscht und aus der Tiefe des letzteren für Schalldruck sorgt, so ist man schon irritiert zu hören, wie unauffällig dieses sonst so dominierende Instrument im Orchester manchmal fast untergeht.

Mittlerweile sind Aufführungen und Aufzeichnungen von mit Originalinstrumenten gespielter Musik ein selbstverständlicher Teil des Musikgeschehens. So scheint es mir zumindest. Die großen Diskussionen sind vorbei, Zeit also, Facten und Wissenswertes zusammenzutragen, vielleicht auch die eine oder andere interessante Empfehlung auszusprechen.

Hat jemand Lust?
Michael(F)
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#2
.

Früher hatte man vor allem nicht die technischen Möglichkeiten wie heute. Sollte man auf eine Geige heutiger Produktion die in früheren Zeiten üblichen Saiten aus Schafsdärmen spannen, wäre der Klang ein ganz Anderer. Ein großer Nachteil der Naturdärme ist, das sie sich schneller verstimmen, was oft dazu führte, dass zwischen den Sätzen, manchmal auch im Stück nachgestimmt werden mußte. Von der kürzeren Haltbarkeit der Saiten gar nicht zu reden.

Insgesamt müssen die Orchester damals grundsätzlich ganz anders geklungen haben. Was nun echter oder originaler ist, muß jeder Zuhörer selbst entscheiden. Aber wenn Du den Klang von Instrumenten in neuerer Zeit beobachtest, wirst Du feststellen, dass beim Jazz, der sich ja seit 100 Jahren wacker hält, auch schon einiges geändert hat. Die Spielweise und die ausführung der Instrumente haben sich gerwandelt.

Das muß meinr Meinung so sein, denn Musik ist kein Normteil, wie eine Schraube, die immer gleich sein muß. Musik ändert sich weil wir Menschen uns ändern, und Musiker und Zuhörer sind Menschen.

Die Frage ist nur, was hätter der Komponist geschrieben, hätte er die heutigen Instrumente zur Verfügung. (nicht die elektronischen Instrumente, die alten Instrumente aus heutiger Fertigung) Der Komponist hat ja den Klang im Ohr, mit dem er in der Komposition arbeitet. Schreibt er ein Stück für eine Spinett oder Cembalo, wird er ganz ander Maßtäbe anlegen, als wenn ein Klavierstück entstehen soll.

So kann man natürlich argumentieren, dass die Auführung näher am vom Komponisten gewünschte Klang ist.


Alles Geschmackssache.


Frank ( darklab )
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#3
Ja, hier. Ich gehöre sogar dieser Szene an, obgleich ich bekennen muss, dass das, was ich Ende der 1960er wünschte und erhoffte, nämlich mit Musik als einem Informationsträger wie die uns geläufige Sprache umzugehen, sie so zu erfahren und zu 'lesen', bitter enttäuscht wurde.

Ich gebe daher keine Empfehlungen ab (na ja, zwei Ausnahmen -weit- unten), sondern schreibe von den szenenspezifischen Schwierigkeiten, die oft so speziell geartet sind, dass ein Laie sich fragt, wieso man sich veranlasst sehen kann, darüber zu diskutieren.

Grundsätzlich müssen wir akzeptieren, dass es innerhalb jeglicher Betrachtung der menschlichen Historie die Feststellung des Richtigen schlechthin nicht geben kann, weil wir die Voraussetzungen eines Zeitalters nie mehr in seiner Gesamtheit verstehen, ja erfassen können. Nach Chopin und Reger, John Cage und den Beatles ist Bach(-Vater) nicht mehr dasselbe wie für seine Söhne oder gar seine älteren Zeitgenossen.
Wonach man im Rahmen musikalischer Interpretation stattdessen suchen kann (so es einen interessiert), ist die Angemessenheit des Umganges mit bestimmter Musik.

Und da wird es für mich als Musiker-Akustiker-Historiker insbesondere bei Persönlichkeiten in Grenzbereichen (historische Umbruchszeiten: Monteverdi und Jahrzehnte vor ihm; J. S. Bach als Musiker, Psychoakustiker und Prinzipialist) sehr interessant, weil sich solche Größen dann doch sehr gut fassbar als Menschen von Fleisch und Blut erweisen, deren Liebe zum Beruf und die daraus erwachsende Verzweiflung, Eingebundensein in eine für uns teilweise rekonstruier-, wenn auch nicht mehr erlebbare Alltäglichkeit interessanteste Rückschlüsse auf einen künstlerisch qualitativ kaum weiter zu treibenden Arbeitsprozess zulassen, der den erhaltenen Werken eigene Aussagen verpasst. Man lernt zumindest, wie dieser Mann (auch Frauen komponierten, ich weiß) musikalisch denkt/dachte, was meine Standorte heute reizvoll relativiert. Einmal abgesehen davon, dass die zeitgenössische Bedingheit dieses Denkens so gar nicht zu unserer oftmals recht dussligen Zeitlosigkeitsanforderung passen will.

Man stößt dabei auf jede Menge Details, wobei ich z. B. an Bachs Matthäus-Passion denke, die ähnlich wie die Inventionen und Sinfonien, die so mancher Klavierschüler seither 'runtergekloppt' hat, viel über seine Vorstellung von musikalischem Satz und Aufführungspraxis sagen. Dass die Matthäus-Passion vermutlich wohl nur im Coro 1mo den 16' hatte, den Coro 2do nur achtfüßig ("wozu dat dänn..?") deckte, dürfte dabei für den Normalverbraucher ohne Interesse sein, obgleich der "sich selbst informirende Musicus" (Eiselt 1736) hier eigentlich schnell weiß, dass da eine Untiefe für klanglich erfassbare Satzfehler auftut, über die ein Prinzipialist vom Schlage Bachs nach Aussage der Söhne und Zeitgenossen sofort stolperte. Da liegt also sicher schon was.
Allgemein wichtiger wäre hier der Gedanke an die zeitgenössischen Aufführungspraktiken bei St. Thomas in Leipzig, wo die konsequent doppelensemblige (zwei Solistenquartette, zwei Chöre, zwei Orchester, zwei Basso-continuo-Instrumente) Matthäus-Passion für einen zumindest relevanten Teil der Zuhörer 1727 bzw. 1729 als Vorne-Hinten-Ereignis gelaufen sein muss.
'Surround, surround!, ruft man da, und das unter für das 18. Jhdt. theologisch wie musikalisch komplexen Umständen...' Aber nicht doch:
Ich renne seit 1997 ('seither kann ich surround') der Realisierung eines solchen, von mir soweit möglich recherchierten (wir sind nämlich gerade zu Lebzeiten des Kantors Bach über die Innenausstattung von. St. Thomas, Lpzg mies unterrichtet) Projektes nach, das aber -trotz seither erfolgter, zum Teil denkbar überflüssiger Neuaufnahmen der Matthäus-Passion Bachs- weder bei Musikers, noch bei Verlegers oder Rundfunks, Produzentens oder Tonmeisters Anklang fand. Europaweit... Aha, Luft 'raus.

Frage ich hier also falsch oder besser uninteressant für selbst diese Fachkreise? Stehen profane Umstände dem entgegen? Nun das tun sie tatsächlich, aber diese Behinderungen kenne ich, aber nicht etwa jene Leute.
Vermutlich ist nicht zuletzt die Sorge um den nicht mehr beherrschbaren wirtschaftlichen Aufwand zu groß, die sich immer dann äußert, wenn unbekanntes Terrain bestellt werden soll; dennoch suche ich immer noch nach einer Realisierung. In diesem Jahre habe in der Höhle des Löwen (MDR, Leipzig) einmal eindeutige Signale gesetzt. Mal sehen, ob sich daraufhin etwas rührt.

Noch ein Sätzchen zu den Inventionen und Sinfonien Bachs: Was ist eine 'Inventio', was ist eine 'Sinfonia'/'Synphonia', ganz lateinisch oder greichisch?
Hilfe: Es gibt -nach des Kapellmeisters Bach Vorstellung- keine 'dreistimmigen Inventionen', wie meine Kavierlehrerin vor 40 Jahren + die Sinfonien immer wieder nannte. Warum eigentlich nicht? Und schon sind wir mitten im Denken und der Nomenklatur dieses längst gestorbenen Mannes drin, die bei Stunk in Leipzig (und Freiberg, im Grunde auch Berlin) auch vor drastischen Wortspielen ("Rektor = Dreckohr") nicht zurückschreckte.

All die bisher angedeuteten Sachverhalte gehen für mich in die (für mich!, andere dürfen, ja sollen das anders sehen!) Interpretation ein, die ich gemäß ihren historischen Bedingtheiten angehe, auch wenn mich das Spielraum kostet. Der Gewinn überwiegt allemal, so wie ich denn auch in der Geschichte der Tonaufnahme allenthalben auf der Suche nach der "menschlichen Dimension" derer bin, die Sachverhalte [i]wirklich[/] angeschoben haben. Wichtigtuer haben wir genug; die guckt man sich daher besser im Kino an.

Als Organist habe ich über fast 20 Jahre quer durch (West-)Europa historische Instrumente des 16. bis frühen 19. Jahrhunderts systematisch abgegrast, was einen Erfahrungsschatz bezüglich der für das 'Abendland' so typischen Verquickung von Kunst und Technik, ja der Verbindung von Technik und Alltag allgemein darstellt, der mein Leben bis heute bestimmt.

Es liegt mir fern, mich despektierlich -wie vor einiger Zeit anderweitig erfolgt- über die Interpretationsformen des letzten Frauenkirchenorganisten Dresdens (Hanns Ander-Donath +1964) oder den Berliner Domorganisten Fritz Heitmann (+1953) zu äußern, sondern ich höre deren Aufnahmen als das was sie sind: Zeugnisse, Dokumente einer vergangenen, teilweise beklemmend aktuellen Epoche der Musik- und Technikgeschichte, an der sich in der Analyse zu 'reiben', meine Erfahrung immens schärfte, die ihrerseits dann aber auch oft genug an einer indiskutablen Gegenwart verzweifelt. Ich höre, was der Kapellmeister Bach in den gespielten Stücken macht, Heitmann oder Ander-Donath auf ihren Orgeln tun, höre die Technik (Mikrofonierung, Mikrofontyp, Folien- oder Magnetbandaufnahme) diskutiere ihre Ergebnisse mit mir. Dass beide Orgeln (Eosanderkapelle, Berlin-Charlottenburg, Frauenkirche Dresden) heute durch Kriegseinwirkung 'weg' sind, aber dennoch klingen, führt in die philosophischen Kuriositäten der Medienindustrie hinein. Woran man spätestens sieht, dass hiermit etwas Wesentliches in die Menschheitsgeschichte kam.

Jene stetig wachsende Erfahrung jedoch ist aber wohl auch Voraussetzung für eine solche Form der Beschäftigung mit Musik, deren Emotinalität dann aber auch zwangsläufig an sehr, sehr individuellen Orten angesiedelt ist. Ich habe in meinem Leben daher wohl auch nur eine einzige Person genauer kennen gelernt, die da mir sehr ähnlich denkt. (Meine Frau ist es nicht und unser Sohn erst recht nicht...) Aha, also ist das alles wohl doch etwas abartig.

Eine Empfehlung, nein zwei Empfehlungen zum Schluss:
Es gibt eine wunderbare Aufnahme der Hornkonzerte W. A. Mozarts mit Hermann Baumann und dem Concentus musicus Wien, der jedem dem der Sinn für die Schönheit des Naturhornes und ein Sinn für Witz in der Musik nicht abhanden gekommen ist. Diese TELDEC-Aufnahme (0630-17429-2) von 1974 (damit ja auch noch analog...) wird den vier Hornkonzerten Mozarts in einer Weise historisch und musikalisch gerecht, die ich nie wieder gefunden habe und sich gewiss auch dem normal denkenden Mitbürger erschließt. Mozart und Leitgeb (der Widungsträger der Partitur Mozarts) wären begeistert, so fern mir eine solche Feststellung liegt. Hier bin ich mir sicher, keinen Streit mit den beiden Herren zu riskieren. (Nachher machen die mir noch mein ewiges Leben zur Hölle...)

Die zweite Empfehlung ist eine CD mit den Beethoven-Symphonien 3 & 8 der Klangveraltung München unter Ennoch von Guttenberg, die zwar traditionell besetzen, jedoch Erkenntnisse der Urtextbewegung umsetzen, womit selbst der sperrige Beethoven auch ohne jehrzehntelange Beschäftigung durchschaubar, witzig, spitzfindig, kurzweilig wird. Guttenberg profilierte sich in München zwar nicht gerade als Angehöriger der Szene alter Musik, die musikalisch immer sinnvolle, niemals willkürliche Einsetzung interpretatorischer Mittel innerhalb dieser Aufnahme jedoch faszinierte mich so, dass ich die CD (Farao B 108026) haben musste. Einer meiner sehr geschätzten Kollegen -keineswegs ein Luftikus, sondern ein Mendsch sehr, sehr abgewogener Urteile (Hamburger noch dazu)- kann damit allerdings so gar nichts anfangen....
Ach ja, soweit waren wir doch schon einmal weiter oben....

Vokalmusik hätte ich allerdings auch noch. Doch Sparsamkeit muss sein.

Hans-Joachim

Mir fällt ja -als Organist und Nichtraucher- das beste immer erst 'danach' ein:

Ich habe eine CD, die auf der heute leider nicht mehr bestehenden Kino-Orgel der ebenfalls dahingeschiedenen Organ-Grinder-Pizzeria in Portland, OR entstanden ist. Jonas Nordwall spielt darauf teilweise unnachahmlich zumindest für die Zeit der Aufnahme (1988) aktuelle Pop-Bearbeitungen, die für jeden Keyboard-Spieler nicht nur Genuss, sondern auch Erkenntnis zur Geschichte seines Instrumentes bieten sollten. Elektronik ist nicht immer mit Fortschritt gleichzusetzen; mit klanglichem schon gar nicht. Hier hört man das, und Jonas Nordwall (Organist of 1st United Methodist in Portland, Oregon) kann die Theater-Orgel spielen, includig 'traps & effects'...
Leider gibt es diese CD natürlich nicht mehr, denn sie wurde nur vor Ort in einer einzigen Auflage vertrieben. Ich aber bin stolzer Besitzer eines Exemplares. Es ist eben doch gut, wenn man an den Ort des Geschehens beste Verbindungen hat, das Ding sieht und gleich kauft... Bei mir gäbe es also notfalls eine Kopie.

Die Herkunft dieses Instrumentenkonzeptes aus Italien -jetzt rieseln die Empfehlungen im post scriptum- dokumentiert eine ebenfalls der analogen Zeit entstammende CD (Aufnahme 1972) der Reihe 'Musique d'abord' der Harmonia mundi France (Nr. 190947): L'Orgue de Tende (Carlo und Giuseppe Serassi, Bergamo 1807). Musiques théâtrales et militaires. René Saorgin, Orgue (heute em. Prof. in Nizza).

Der Titel ist etwas irreführend, denn die Musik stammt fast ausschließlich aus geistlicher (!) Feder und wurde eindeutig für 'kultische' Zwecke geschrieben, nimmt aber erhebliche Anleihen bei der zeitgenössischen Opern- und Militärmusik, womit die Bewohner Piemonts in den 1830ern bis 1860ern wohl tendenziell eher wenig Probleme hatten, ebenso wie die Orgelbauerfamilie Serassi aus Bergamo, deren Instrumentenkonzept im 19. Jhdt. es in Italien zu einiger Klassizität brachte. Tut zum schreien, ist aber Alte Musik....
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#4
Hallo Hans-Joachim,

Zu dieser Organ Grinder-CD: Da gab es auch LP-Direktschnitte mit diesem Instrument, auf dem Label Crystal Clear. Bei ebay USA relativ häufig und preiswert zu bekommen.

Beethoven: Da bleibt mein Favorit René Leibowitz - richtige Tempi und konsequente Vermeidung von Romantizismen. Wahrscheinlich kennst Du die Aufnahme, gab es damals von Readers Digest. Wenn nicht, würde sie Dir sicher gefallen, wenn Dir Guttenberg zusagt.

Bach: Für mich ist es gerade die zeitlose musikalische Substanz, die solche Jahrhundertgenies auszeichnet. Oder mit anderen Worten, ich kann mir "historisch informierte" Aufführungen einerseits und andererseits solche Extreme wie die Orchestrierungen von Stokowski anhören und sogar die - m.E. sehr gelungenen - Versionen von Wendy Carlos. In allen Fällen bleibt es große Musik.

Gruß,
Markus
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#5
Lieber Markus,

das wäre mir neu. Ich kenne sowohl Dennis Hedberg als auch Joans Nordwall persönlich, selbst wenn sie nicht zu meinem näheren Portlander Freundeskreis gehören. Von Direktschnitten, die ja vor Ort (Hauptverkehrsstraße und Autobahnzubringer, mäßige Schalldämmung nach außen) einigen Aufwand bedeutet hätten, wurde mir nie etwas bekannt. Offiziell war jene CD (nur in einer Auflage veröffentlicht) nebst drei Cassetten (Al Quarino, Don Feely und Curtis Knight) das höchste der Gefühle, was zugunsten einer breiteren Öffentlichkeit produziert wurde. Auf einer privaten CD von Jonas Nordwall (gem. mit Donna Parker und Tom Hazleton) finden sich neben einer Mehrheit von Aufnahmen aus First United Methodist Church, Portland, OR noch vier Nummern aus Organ Grinder Restaurant.
Schließlich trafen sich Portlander Tonaufnahmefreunde noch einmal kurz vor der Auflösung der Pizzeria an jenem Ort und nahmen privatim auf, was weitere zum Teil recht interessante Sequenzen beibrachte, die sogar im Internet stehen. Mehr ist leider vermutlich nicht, denn obige Informationen wurden mir selbst von den Protagonisten persönlich -also auf Nachfrage- zu Ohren gebracht. Die Aufnahmen sind abgesehen von den Cassetten sämtlich in meinem Besitz.

Wir sprechen daher vermutlich von unterschiedlichen Instrumenten, was selbst in Portland möglich ist, da dort in Oaks Park eine weitere respektable, öffentlich zugängliche Theatre Organ existiert und im Gegensatz zu Organ Grinder fortbesteht.

Hans-Joachim
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#6
Hallo Hans-Joachim,

Doch, definitiv. Ich habe die Platte gerade vor mir - aufgenommen im April 1979 im Organ Grinder. Am Instrument Jonas Nordwall. Frag ihn doch mal, er wird sich ja sicher noch an die Produktion erinnern.
Wenn ich mich richtig entsinne, waren auf der Platte tatsächlich Umgebungsgeräusche zu hören. Ich habe sie aber jahrelang nicht mehr aufgelegt - werde es dank Deiner Anregung noch mal tun in den nächsten Tagen.

Gruß,
Markus
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#7
Lirebner Markus,

dann bin ich der fast symptomatischen Schlamperei meiner US-Freunde aufgesessen, an die ich mich auch in 30 Jahren nur formal gewöhnt habe.

Kannst du mir die Plattennummer und -vielleicht- einen Teil des gespielten Repertiores nennen? Ich kenne diverse Aufnahmen aus Nordwalls frühen Tagen (seinen B.A. hat er meines Wissens 1970 gemacht, und Aufnahmen verbannt der Interpret in der Regel in seine frühen Tage, es entstnd daher eine Reihe von LPs), von denen lediglich eine immer an mir vorüberging: Jene "Space Organ"-LP (CCS 600irgendwas), um die er beim letzten Treffen (dies liegt für mich inzwischen sicher drei Portland-Sequenzen zurück...) ein eigentümliches Getue entfaltete. Um sie könnte es sich bei deiner, mir unbekannten LP handeln.
Sollte dem so sein, wäre ich für eine sorgfältige Kopie (1:1 rüber) überaus dankbar, auch wenn Jonas nicht 'so ganz' meine musikalische Wellenlänge ist. Bei mir ginge 'sowas' ja am liebsten per CD, ich würde im Gegenzug mit den RRG-Stereos und/oder der begleitenden Rundfunksendung des SFB dienen.

Hans-Joachim
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#8
Hallo Hans-Joachim,

Du liegst völlig richtig: Es ist die besagte "Space Organ". Musikalisch natürlich nicht so toll - es handelt sich um Musik aus Science Fiction-Filmen wie Star Wars und Battle Star Galactica, aber unterhaltsam und gut gespielt. Und gut aufgenommen. Ich werde mal schauen, ob ich Dir vielleicht noch ein Originalexemplar besorgen kann, ich bekomme laufend Angebote von LP-Händlern aus aller Welt. Wie gesagt, ist die Space Organ gar nicht SO selten dabei. Wenn alle Stricke reißen, kann ich Dir natürlich auch eine CD-Kopie ziehen, aber gerade bei Direktschnitten finde ich das irgendwie stillos. Big Grin

Gruß,
Markus

P.S. Bestellnummer ist Crystal Clear CCS-6003.
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#9
Guten Tag, Leute,

interessantes Thema!
Vorab gebe ich Markus in seiner Bewertung der Leibowitz-Aufnahmen von Beethovens Symphonien völlig recht. "Originales" Instrumentarium wird dort nicht verwendet, wohl aber nach den authentischen Metronom-Angaben gespielt. Der Effekt liegt -jedenfalls ging es mir so- darin, dass man die so oft gehörten Werke, die man fast schon nicht mehr hören mochte, auf einmal wieder liebgewinnt. Die Aufnahme ist übrigens auch als CD-Ausgabe z.B. von Menuet erhältlich.

Ganz ähnliche Effekte erzeugen Aufnahmen unter Norrington von Wagners Ouvertüren (mit Originalinstrumentarium) oder -um bei Beethoven zu bleiben - eine Aufnahme der Eroica unter Gielen mit dem Cincinnati Orchestra. Ganz verblüffend auch die Herreweghe-Aufnahmen Berlioz'scher Werke oder selbst der d-moll-Smphonie von César Franck.

Ebenso ist Hans-Joachims Einschätzung der Baumann'schen Aufnahme von Mozarts Hornkonzerten zuzustimmen, die seinerzeit zunächst als LP herauskam und die ich gottlob noch habe.

Aber was anderes:

Ist schon mal jemandem aufgefallen, daß es auch innerhalb des Lagers der historische Instrumente Verwendenden durchaus unterschiedliche Auffassungen von der "richtigen" Interpretation gibt, teils auch von den nämlichen Interpreten? Ich erinnere hier an die verschiedenen Aufnahmen, die Harnoncourt von den Monteverdi-Opern gemacht hat. Ich habe z.B. noch seine erste Aufnahme des "Orfeo" von 1967 (oder 1966?). Wenn man diese etwa mit mit seiner späteren Aufnahme aus Zürich vergleicht, wird man nachdenklich.

Auch seine frühe Aufnahme der "Brandenburgischen Konzerte" unterscheidet sich sehr von der späteren, und in beiden Fällen ist sein Concentus Musicus tätig.

Da fragt man sich, ob er bessere Erkenntnisse gewonnen oder seinen alten Aufnahmen nur die Ecken und Kanten abgeschliffen hat.

Radikal anders, nämlich eher im Sinne eines "Barock-Punk" sind da die Aufnahmen des "Giardino Armonico". Hier sehe ich eher das Streben nach größtmöglichem Unterhaltungswert als nach einer einer irgendwie historischen Aufführungspraxis (was immer das auch sei). Mir geht dieser permanente "Starkstrom", unter dem die Musiker zu stehen scheinen, auf die Dauer auf die Nerven.

Gruß
Gerd
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#10
Zitat:RS1500 postete
Ist schon mal jemandem aufgefallen, daß es auch innerhalb des Lagers der historische Instrumente Verwendenden durchaus unterschiedliche Auffassungen von der "richtigen" Interpretation gibt, teils auch von den nämlichen Interpreten?
Aber sicher! sonst wäre es ja auch langweilig, oder? Big Grin

Gruß,
Markus
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#11
Aber Markus!

Von D I R hätte ich jetzt aber eine etwas fundiertere Antwort erwartet (grins)!

Aus Deinem schier unerschöpflichen Fundus an Vinyl-Tonträgern wird sich doch mit Sicherheit etwas Aussagekräftigeres destillieren lassen als der Hinweis auf die Vermeidung von Langeweile. Ich hatte an sich geglaubt, Du würdest nun eine subtile Darlegung folgen lassen, weshalb der früheren oder der älteren Harnoncourt-, der Malgoire- oder einer Hogwood-Aufnahme der Vorzug zu geben sei, dies auch unter besonderer Berücksichtigung der aufnahmetechnischen Aspekte.

Doch ach, auf nichts ist mehr Verlaß... Oder mag es am Wetter liegen?

Gruß
Gerd
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#12
Soll ich doch einspringen?

Ich habe als Musiker Kurse bei Harnoncourt (und diversen anderen Leuten zwischen Radulescu und Tagliavini) besucht, Harnoncourts Aufstieg bis zur teilweise zwangsweisen Zurruhesetzung mitverfolgt und halte von seinem Individualismus, seinem Bedürfnis überau viel, nicht blind unverstandenen oder unreflektierten Traditionen/Konventionen zu folgen, sondern als Musiker einer Analyse des musikalsichen Satzes zu dienen. Er hat immenses angestoßen, auch aufnahmetechnich, was nicht zuletzt aber auch seinem Aufnahmestab und seiner Sensiblilität für die Sache zuzuschreiben ist. Es waren dies der von der Grammophon kommende Wolf Erichson, Dieter Thomsen und eine Technikerin, deren Namen ich leider vergessen habe. Um die 12. Folge des Bach-Kantatenwerkes geriet man mit dem Telefunkenmanagment in Streit und verließ den Laden, was auch die technische bzw. Produzententrias auseinanderbrachte. Wolf Erichson gründete Seon-Klangfilm und arbeitete für RCA, BASF, SONY, rollte -auch durch seine rapide wachsende Literaturkenntnis (er ist eigentlich Orgelbauer, wie er mir selbst einmal erzählte)- den Bereich alter Musik enorm auf. Der Reiz früher Aufnahmen Thomsens und Erichsons besticht vor allem durch die geschickte -also auf Aufnahmegegenstand (Musik und Instrumentarium)- angemessen abgestimmte Auswahl des durchwegs historischen Aufnahmeraumes und durch Techniken, die bereits auf kommende Tage hinwiesen, obgleich noch keine der im digitalen Zeitalter schnell übelich werdenden Hilfsmittel zur Verfügung standen. Man erkennt z. B. in der frühen Johannes-Passion Bachs Klein-A-B-Techniken, deren Probleme für die LP Dieter Thomsen nun allemal nicht fremd waren. Man bediente sich möglichst einfacher Mikrofonierungen, weil -ohne Hilfsmittel- jedes Mikrofon mehr einen potenziellen Problemfaktor mehr vorstellen kann. Nachdem das Instrumental- und Vokalensemble immer (Gegenbeispiel: Norrington!) ausgeglichen besetzt war, man sich mit Musik befasste, die von einem überaus 'kompetenten Psychoakustiker' (Bach) komponiert worden war bzw. einer Zeit entstammte, in der beides vom (komponierenden) Kapellmeister -also beispielsweise Bachs- erwartet wurde und werden konnte, funktionierte das auch. Lieber setzte man einen Musiker auf ein Podest, als dass man ein Mikrofon hinzustellte (das aber sagte mir Thomas Gallia von Sonart, Mailand).

Harnoncourt stellt zunächst ganz auf sein oben genanntes Anliegen ab, war aber alles andere als ein Musikwissenchaftler, dafür war an seinen Sichten zu vieles schief. Gustav Leonhardt, den Erichson ja auch ins Boot des Bach-Kantatnewerkes beio Telefunken bzw. TELDEC geholt hatte, ging da sehr viel konsequenter zu Werk, er hielt sich aus Entscheidungen heraus, die ihm musikwissenschaftlich fragwürdig schienen, was man an seinen immer ausgefeilten, aber über Jahrzehnte sehr ähnlichen Interpretationen hört. Er kennt kein mit dem Kopf durch die Wand; Niki durchaus, was auch familiär bei ihm nicht immer einfach war.
Beide so unterschiedliche Persönlichkeiten -Hanroncourt und Leonhardt- aber trugen eminent zur regelrecht musikgeschichtlichen Bedeutung dieses sich über fast 20 Jahre erstreckenden Aufnahmeprojektes Erichsons bei, die trotz aller zum Teil grotesken Fehlerhaftigkeit im Zuge von 200 Kantaten vorliegt. Von der Röhre in die Digitalzeit.
So hörten weder Haroncourt noch seine Musiker, dass er ein Hörnerensemble eine Oktav zu tief spielen ließ, was dem Satz zu entnehmen wäre; nicht zuletzt bei der Analyse des klingenden Ergebnisses. Nichtsdestoweniger: Dies genau ist ja das Verdienst jener Szene und damit des "Niki", das Augenmerk (übrigens beim Konzertgeher und Konsumenten völlig vergeblich) auf solcherart Fragen gelenkt zu haben. Nur durch solche Beschäftigungen war es ja möglich, die Musik mit der Schlüssigkeit ablaufen zu lassen, unter der sie einmal konzipiert war.

Harnoncourt ist ein stark gesanglich (!) denkender, traditioneller Musiker, dem Wohlklang mit zunehmendem Alter über alles ging, weshalb wir ihn ja jetzt auch bei Bruckner finden, dessen konstruktiver Musikansatz, na ja, öh, oh, äh, geringfügig hinter Bach zurücktritt, also für die klassische Satzanalyse ---,--- weniger ergiebig ist. Und so näherte sich Harnoncourt auch (z. B. mit seiner letzten Matthäuspassion Bachs, Arnold-Schönberg-Chor in der Wiener Jesuitenkirche) deutlich den Sichten Karajans (das Verhältnis beider ist Kapitel für sich und sehr alt!), vor allem aber Richters auf dieses Werk. Die ursprünglich -von Bach- natürlich intendierten Symmetrien im Vokal- und Instrumentalapparat gehen über den Harz (nicht den des gleichnamigen Peter, sondern den des W. Kempowski) und müssen dann aufnahmetechnisch hingebogen werden; musikhistorische Einsichten zur Matthäuspassion weichen einem pastosen, dramtatisch eindrucksvollen Klang, der aber allein auf an sich abgelegte Traditionen zurückgewandt nichts zur Sicht auf dieses Opus beiträgt (auch in der surroundlichen Hinsicht, die Harnoncourt mit seiner ersten Matthäus-Passion schon einmal angestoßen hatte). Diese (in meinen Ohren überflüssige) Aufnahme beschreibt Harnoncourts Wandlung, nicht die eines Werkes.

Dass die Szene alter Musik heute in denselben handwerklichen Fahrwassern segelt wie die von ihr einst so heftig angegriffene philharmonische, entspricht einer Prophezeihung von Harnoncourt selbst, der diese etwa 1968 in einer mir erinnerlichen Fernsehsendung Wolf Eberhard von Lewinskis geäußert hat. Nur meinte er das damals anders: Er dachte an den Erkennisgewinn, die Notwendigkeit "anderer" Ensembles für "die alte Musik" im Glauben an eine beständige Fortentwicklung; ich beobachte heute lediglich zwei Schienen nebeneinander, die miteinander auch /und zwangsläufig) interagieren, aber jeweils auf einem fixen und fix (muho-mäßig) tradierten Repertoire (nebst ebenfalls tradierten Fundus an Interpretationsmitteln) sitzen.

Ich dachte als Schüler Ende der 1960er Jahre: "So jetzt geht es los; man kann dem Hörer die Augen (und Ohren) öffnen, Grundlagen offenlegen, zeigen, wo der Bach und der Schubert herkommen, was bei Beethoven Verbissenheit und bei Bach simpel ist, welchen Einfluss Musikinstrumente und Traditionen (in der Kirchenmusik z. B.) auf die Kompositionesprozesse einzelner Musiker nehmen" usw. usf.
Pustekuchen, nix war und nix ist. Eine der ganz großen Enttäuschungen meines Lebens. (Es gab derer mehrere; andere...).

Tja, so'st.

Hans-Joachim
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#13
Hallo Hans-Joachim,

Ich verstehe den letzten Absatz Deines sehr interessanten Beitrags nicht: Warum ist das für Dich eine persönliche Enttäuschung, wenn andere Musiker bzw. Dirigenten nicht Deinen Interpretationsvorstellungen folgen? Und wem willst Du etwas vermitteln? Die breite Masse interessiert sich doch weder für diesen noch für jenen Schubert.

Gruß,
Markus
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#14
Ich verstehe Hans-Joachim so, daß er in der authentischen Interpretation ein Mittel gesehen, darauf hinzuweisen wie der Komponist dachte, aus welchen Beweggründen und aus welcher Persönlichkeitsstruktur des Komponisten heraus ein Werk entstand. Dazu ist erforderlich, das Bach und Beethoven gespielt werden, nicht z. B. Karajan und die Berliner Philharmoniker. Den Komponisten und das Werk in den Vordergrund zu stellen, nicht die Interpretation - war das das unerfüllte Versprechen der "authentischen Aufführungspraxis mit originalen Instrumenten?"

Unerfüllte Versprechen enttäsuchen, auch dann, wenn sich niemand groß für deren Einhaltung interessiert, wie Markus treffend bemerkte. Dann sogar umso mehr.
Michael(F)
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#15
Lieber Markus,
lieber Michael,

Markus tritt etwas aus dem heraus, was ich meinte, Michael sieht es genau, so wie ich mir das dachte. Es geht also nicht um die Form der Interpretation, sondern um die Wege, die man zu ihrer Ermittlung beschreitet. Doch dieses Problem ist uralt und auch Ursache der Legende (!) , Bach sei drei Generationen -fast- vergessen gewesen.

Den Laien interessiert nicht, wie Musik, warum gemacht wird. Historische Kenntnis einzusetzen, um Fragen an die Gegenwart zu richten, daraus gegebenfalls gar noch Faszinationen zu ziehen, ist nicht sein Ding, ja, wird als abartig angesehen: Es war mir nicht möglich, prominenten Kollegen begreiflich zu machen, dass aufnahmetechnische Entscheidungen direkten Einfluss auf die satztechnisch einwandfreie Realisierung eines gegebenen (musikalischen) Satzes nehmen.
Dass das zweite Ensemble der Matthäus-Passion Bachs nach meiner Ansicht nur achtfüßig zu besetzten ist (was bislang nie und nirgends diskutiert wurde, außer, dass ich das angeschoben hätte): Interessiert das den Zuhörer eines Konzertes des Collegium Vocale, Gent unter Herreweghe im Münchener Gasteig? Nein, es interessiert ihn nicht. Ihn dafür zu begeistern, dahin gibt es auch keinen Weg. Selbst Musiker sehen dafür zumeist keinen Anlass.

Davon sprach ich.

Hans-Joachim
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#16
Zitat:PhonoMax postete
Es war mir nicht möglich, prominenten Kollegen begreiflich zu machen, dass aufnahmetechnische Entscheidungen direkten Einfluss auf die satztechnisch einwandfreie Realisierung eines gegebenen (musikalischen) Satzes nehmen.
Das wundert mich allerdings.
Aber - da ich nicht dabei war - kann der Kollege nicht einfach auch der Meinung gewesen sein, SEINE Auffassung sei eine einwandfreie Realisierung?

Gruß,
Markus
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#17
Mit Verlaub:

auch hier war ich metasprachlich abstrakt: Ich handelte über das Faktum, das nicht eingesehbar gemacht werden konnte, nicht eine spezielle Aufnahme(situation). Es ging um den Grundsatz, dass mit aufnahmetechnischen Mitteln zu 'verhindern' sei, dass ein Satz läuft; die geht sogar mit wiedergabeseitigen Mitteln, trotz geräteseits höchster Wiedergabequalität.
Beispiel: Vor Jahren Klassikradio mit Bachs Matthäuspassion bei vertauschten Kanälen, Chorus primus rechts, Chorus secundus links.
Simpler, aber wirkungsvoller Fall; ich hätte mich fast im Kopfstand geübt.

Hans-Joachim
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#18
Zitat:PhonoMax postete
Es ging um den Grundsatz, dass mit aufnahmetechnischen Mitteln zu 'verhindern' sei, dass ein Satz läuft
Ach so, da muss ich Dir natürlich zustimmen.

Manche Kompromisse muss man aber eingehen bei Tonträgern. Wenn ich zum Beispiel an die Raumklang-Kompositionen von Stockhausen denke - die wurden ja auch für die Veröffentlichung auf LP bzw. CD Stereo gemischt. Das ist mir aber immer noch lieber, als wenn es gar keine Tonträger davon gegeben hätte.
Deshalb sagte Stockhausen auch mal, dass er von einem Foto einer Kathedrale nicht erwarte, dass es die Kathedrale selbst sei.

Gruß,
Markus
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