Franz - Josef Degenhardt ist tot
#1
Wie ich gestern aus der der hiesigen Tageszeitung entnehmen konnte, ist Franz - Josef Degenhardt im Alter von 79 Jahren am 14. November 2011 gestorben.

Trotz einer von mir doch abweichenden politischen Richtung und Intention habe ich seine Musik geschätzt. Ich persönlich lasse mir von so einer Konstellation meine Musik nicht verbieten. Wenn ich eine Musik gut finde, finde ich sie gut. Punkt!

Mein Lieblingslied von Degenhardt ist und bleibt "Der Bauchladenmann".

Gruß
MArtin
Leute, bleibt schön glatt gewickelt!
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#2
Das einzige, was ich von FJD bewusst und nachvollziehbar wahrgenommen habe, so, daß ich mich erinnern kann, waren die "Schmuddelkinder", meines Wissens 1965 entstanden und zumindest in unserer Schulklasse noch Anfangs der 70er aktuell. Zumindest zählte dieses Lied zum Repertoire eines der Klassen-Gitarreros.

Ich mochte Degenhardt nicht - musikalisch gesehen. Zu primitiv und unmelodisch erschienen mir Gesang und Gitarrespiel, er wollte seine Lieder nicht erklären, oft wusste ich nicht, was er sagen wollte, aber dass er einem einen pädagogischen Einlauf verpassen wollte, diesen Eindruck hatte ich stets. Seine politische Einstellung ist bzw. war nicht die meine.

Ich respektiere ihn nicht als Musiker, eher als jemanden, der es geschafft hat, Zeit seines Lebens aufrecht zu gehen und sich nicht verbiegen zu lassen. Das ist eine ganze Menge, die meissten können das nicht. Aber deswegen würde ich mir trotzdem keine LP von ihm kaufen. Obwohl, an die "Schmuddelkinder" habe ich mich im Laufe der Zeit gewöhnt, und den erwähnten "Bauchladenmann" werde ich mir, irgendwie komme ich an den, mal anhören.
Michael(F)
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#3
"Daß das nur solche Geschichten bleiben, die man den Enkeln erzählen kann. Es gibt sehr viele Menschen, die hätten großes Interesse daran. Und leider kann man das auch sehr gut erzählen....." (Aus dem Gedächtnis zitiert)

Das war, wenn ich mich richtig erinnere, in den 70ern. Die Haltung, die ich aus den damaligen Texten heraushöre ist der Wille und Drang zur Veränderung (sozialistischer Fortschritt?).

Ich habe ihn, ich glaube 1996, live gesehen, als er gemeinsam mit seinem Sohn tourte. Ich habe im Publikum noch eine Komilitonin erkannt, wir waren mit Abstand die jüngsten. Der Rest erweckte mir den Anschein einer Ansammlung von Gymnasiallehrern, leicht ergraut, alle mit ähnlicher Brille, alle mit ähnlichem Bart, durchaus einige nebst Gattin. Gegen Ende des Programms rief eine der Pädagogengattinnen "Schmuddelkinder" und tatsächlich spielte Degenhardt "Schmuddelkinder". Für meinen Geschmack war dieses Lied auch bereits eine jener Geschichten "die man den Enkeln erzählen kann" und ich war durchaus enttäuscht, dass Degenhardt dieses Stück gespielt hat.

Nun ist Degenhardt selbst Geschichte.

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#4
Mir waren die Texte von Degenhardt teilweise zu überzogen. Ich erinnere mich u.A. an das Lied 'Deutscher Sonntag', mit dem Inhalt '... die Luft riecht süß und säuerlich, ich glaube ich erbreche mich...'. Es ging dort um einen sonntäglichen Spaziergang in einer Kleinstadt o.ä. So spießig habe ich meine Umwelt gar nicht war genommen.
Gruß,
Michael/SH

Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu (Ö v. Horvath)
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#5
´
Na ja, seine großen Fans waren eher bei 68ern, den Falken, in der SDAJ oder der DKP zu suchen. Solche Agitations- Musik wurde wohl mehrheitlich von Menschen gehört, die ideologisch einigermaßen auf der gleichen Linie waren.

Bei Wolf Biermann, der jetzt 75 Jahre alt wurde, war / ist vermutlich nicht viel anders.
Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#6
Auch wenn sich Kenner vermutlich mit Grausen wenden werden - Biermann stecke ich in den selben Topf wie Degenhardt.

Mash hat Recht, die Texte von Degenhardt waren überzogen vor allem deswegen, weil es bierernst gemeint war.

Ein anderer Musiker mit sehr ausdruckstarken Texten gefällt mir weitaus besser: Konstantin Wecker hat einfach musikalisch viel zu bieten (Komposition, Klavierspiel, Gesang) und er ist kein Purist, sondern ein Genußmensch, der aus dem prallen Leben schöpft. Man erkennt auf Anhieb, daß er sehr poetisch bildlich umschreibt.

Auch der wesentlich konventionellere und bodenständige Hannes Wader wirkt nicht so sehr nach Frontalunterricht wie Degenhardt und Biermann, auch wenn seine Texte mitunter sehr deutlich waren "... je weiter man in der Vergangenheit zurückblickt, desto mehr verfärbt sich das Gesehene rosarot. Das ist eine barmherzige Reaktion der Seele, die es auch denen erlaubt auf ein erfüllte Leben zurück zu blicken, die immer nur Scheisse gebaut haben." Hier ist ein gewisser, trockener Humor zu bemerken, bei Bierman und Degenhardt empfinde ich immer Verbissenheit im Vortrag.
Michael(F)
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#7
Michael, "bierernst" ist m. E. eine liebevolle Untertreibung, denn "Zwischentöne sind bloß Krampf im Klassenkampf!" (FJD)

niels
Wer bei Stereoaufnahmen kein Gegenspur-Übersprechen haben möchte, sollte Halbspur-Maschinen verwenden.
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#8
Hallo,

jetzt wird´s zwar total OT, aber, da jemand geglaubt hat, Wolf Biermann mit Herrn Degenhardt "in einen Topf (zu) stecken" (oder werfen??) zu sollen, muß ich wohl meine mir wohlverdiente Mittagspause opfern.

Was das Sujet angeht, wäre das so, als würde ich Herrn Zimmermann und das Schlagersternchen Nicole (oder wie immer die hieß) in einen Topf werfen, weil sie beide Liedchen über den Frieden gesungen haben.

Biermann hat zwar nie einen Hehl daraus gemacht, daß er Kommunist sei.
Das ist aber m.E schon das Einzige, was ihn mit Degenhardt verbindet.
Sowohl von der Sprache, als auch von der Musikalität (nicht zuletzt hat Biermann von Hanns Eisler gelernt) ist er weit von den eher eingeschränkten sprachlichen und musikalischen Möglichkeiten des Herrn Degenhardt entfernt.

Das erste Lied, das ich von Biermann gehört habe, war die "Soldatenmelodie"
Das war Ende der 60-iger Jahre, Club 16, Bayerischer Rundfunk. Es war Sommer, ein Teil der Moderatoren war in Urlaub, und der BR erlaubte es Schriftstellern aus München, das Programm zu machen. Und im Rahmen einer von einem dieser Gastmoderatoren zusammengestellten Sendung wurde auch Biermann gespielt (neben Robert Zimmermann):
Soldat, Soldat in grauer Norm
Soldat, Soldat in Uniform,
Soldat, Soldat, ihr seid so viel,
Soldat, Soldat, das ist kein Spiel,
Soldat, Soldat, ich finde nicht
Soldat, Soldat, Dein Angesicht,
Soldaten seh´n sich alle gleich,
lebendig und als Leich`.

War das kommunstisch?? Oder:
Die Ballade von der Bukower Süßkirschenzeit.... wo ist da der Kommunismus? Ach ja, er singt: "Die Bäume gehör´n der LPG" aber dann wieder: "die hat an jedes ein´Zettel gemacht, das Volkseigentum wird streng bewacht, in der Nacht, in der Nacht, und besonders (kleine Pause) in der Nacht"

Ende der 70-iger Jahre hatte der bereits oben erwähnte BR eine ganze Sendung über Wolf Biermann im Programm: der Bayerisch Rundfunk kommunistisch unterwandert???

Daß Biermann sich bekannt hat, bedeutet nicht, daß in jedem seiner Lieder die Weltanschauung heraus mußte. In seinen späteren Liedern, während des Auftritts- und Veröffentlichungsverbots in der DDR, geht es oft um seine Verzweiflung über seine Situation in der DDR. Er hat zwar an der Ideologie nicht gezweifelt, wohl aber am System. Und er hat dagegen angesungen, in einer Situation, die wir uns im damaligen Westen gar nicht vorstellen können.
Degenhardt mußte wegen seiner Haltung nie etwas fürchten. Ganz im Gegenteil konnte der es sich in seiner linken Ecke bequem machen, er hatte damit eine garantierte Fangemeinde und sichere Einnahmen.

Noch was: die LP "Chaussestrasse 131" ist in der Wohnung Wolf Biermanns der Sage nach auf einem GRUNDIG-Tonbandgerät aufgenommen worden, das Freunde aus dem Westen (was sind das für Freunde, die ein Grundig mitbringen) eingschmuggelt haben sollen....

Was Herrn Wecker betrifft: dessen Fan war ich bis zum Anfang der 80-iger. Dann war ich bei einem seiner Konzerte, wo Tausende Genußunfähiger, von denen ein nicht unbeträchtlicher Teil Drogenkonsum mit Genuß verwechselte, sein "wer nicht genießt ist ungenießbar" mitgrölten. Da hat mich angesichts des pseudoprogressiven (ein Ausdruck der frühen 70-iger) Biedermeier das Grauen gepackt....

Viele Grüße
Frank
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