Großkonzerte gut oder schlecht ?
#1
Hallo in die Runde,

mal ein Post von mir, weil ich weiß, dass hier der eine oder andere Konzerttechniker vertreten ist.

Gestern war ich wieder einmal bei der Night of the Proms in Köln (mitgegangen). Ihr wisst schon, das ist eine Mischung aus Klassik und Pop. Eigentlich ganz nett, aber die Musik war nicht so ganz mein Beuteschema. Geschunkelt wurde auch. Wie schon gesagt, wegen der besseren Hälfte eher mitgegangen. Da saß ich nun, Parkett ziemlich in der Mitte. Also hatte ich mal mehr Aufmerksamkeit der sehr zahlreich vorhanden Technik widmen können und habe mich entsprechend umgesehen und umgehört. Irgendwie kam mir das Klangbild merkwürdig vor. Viel „spürbarer“ Bass. Schlagzeuge und Posaunen im Vordergrund. Auch die zahlreichen Streicher waren sehr „deutlich“ zu hören. Alles mit tausenden von Watt verstärkt. An jeder Geige ein Mikro. Nach meinem Empfinden etwas zu viel des Guten. Dagegen waren andere Instrumente, etwas die Querflöten so gut wie gar nicht zu hören. Auch eine große Harfe stand da rum. Ob da jemand drauf gespielt hat, kann ich nicht sagen. Gehört habe ich sie nicht. Insgesamt möchte ich behaupten, dass es bestenfalls mittlere CD Qualität war. Nur viel lauter. Weniger etwas für ein feines Gehör. Es kommt mir komisch vor, wenn die Musiker Ohrstöpsel tragen. War das wirklich nur für Regieanweisungen oder Selbstschutz vor dem Lärm ;-) Einmal hatte ich den Eindruck, die Streicher kamen von der falschen Seite aus dem Lautsprecher-Anlage Mein Eindruck: Klanglicher Eintopf.

Vielleicht bin ich da etwas zu kritisch da ich Musik vielfach über Kopfhörer höre und bei meinen Lieblingsstücken natürlich jede Nuance kenne. Ich denke aber auch, dass man bei einem live vorgetragenen klassischen Konzert klanglich doch etwas mehr Qualität erwartet. Ich höre sehr selten klassische Musik. Ich dachte immer das die Klassikhörer sehr kritische Musikgenussmenschen sind. War ich auf der falschen Veranstaltung, erwarte ich zu viel ? Wo geht man heute hin um mal wieder natürlichen oder naturidentischen Orchesterklang (nicht nur Klassik) zu hören ? Wie seht ihr das ?

VG
Michael
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#2
Zitat:GXNet postete
Es kommt mir komisch vor, wenn die Musiker Ohrstöpsel tragen. War das wirklich nur für Regieanweisungen oder Selbstschutz vor dem Lärm ;-)
Das ist "In-Ear-Monitoring" und völlig normal.


Gruß

96k
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#3
Hi Michael,

...nun - Du warst sicher in der "Arena", nehme ich an.
Solche Hallen haben das Problem, Mehrzweckhallen für
"alles & jeden" zu sein. Dort sollen U- und E-Musikdarbietungen
laufen, Sportveranstaltungen zum besten gegeben werden (mit
reinen Sprecheransagen), dort gibt es Tanz- und Musical-Darbietungen
(bei denen die Vokalisten gut verständlich sein sollen) usw usw..
Kurzum - die Hallen sollen "auf alles" können, was sie auch einigermassen
tun - aber eben nur einigermassen.
Eine Musikdarbietung mit etwas erhöhtem musikalischen Anspruch
kann eigentlich (klanglich) nur in die Hose gehen.

Ob das aufgebaute Equipment mit der Halle harmoniert, hängt von
der Mühe ab, die sich der Veranstalter macht. Bei "Night of the
Proms" unterstelle ich das irgendwie nicht. Hier wird mit großen Namen
gelockt, das Ganze von orchestralem "Geseihe" umschmeichelt und auf
"Bombast" getrimmt. So mag sich "de Jupp vun neweaan" die sogen.
Klassische Musik vorstellen, aber wer die Carmina Burana auch schon
vor der Schokoladenwerbung kannte, wird da nicht unbedingt hingehen.

Nee nee, ich geniesse das dann lieber "unverschnitten" - wenn
Rock, dann Rock (und gut ist), wenn Jazz, dann Jazz und wenn Klassik,
dann Klassik.

Für letztere beiden empfehle ich den Gang in die Kölner Philharmonie,
in die Tonhalle in Düsseldorf oder in ähnliche Hallen oder Opernhäuser,
die speziell auf die anspruchsvolle Wiedergabe "gezüchtet" sind.
Oder eben kleinere Hallen, in denen die "Musike" ganz ohne PA auskommt
(aber das sind alles keine Großveranstaltungen mehr).

Aber das ist nur meine bescheidene Meinung...

Gruß

Peter


PS: vor zwei Jahren war ich im Goffert-Park in Nimwegen auf einer
Rock-Großveranstaltung. Auf einer großen Lichtung im Park (mit Bäumen
rundherum) war das Open-Air pur. Die ca. 30000 Zuhörer mögen
ähnlich empfunden haben - keine im Stadionkessel eingepferchte
"Hall-Soße" sondern erstaunlich offen und klar hörbar. Da hat es
eben gepasst (und die Organisation des ganzen "Drumherum" gehörte
auch mit zum Besten, was ich in dieser Hinsicht bisher erleben durfte).
Time flies like an arrow. Fruit flies like a banana. (...soll Groucho Marx gesagt haben, aber so ganz sicher ist das nicht...)
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#4
Moin, moin,

mir scheint, ein Problem besteht auch darin, daß immer weniger Häuser selber veranstalten und selber Technik und Personal für die Akustik stellen, oder dieses Personal nicht eben erfahren mit der Anforderung ist, klangtreue und positionstreue Reproduktion herzustellen.

Insbesondere die Mehrzweck-Veranstaltungsorte bieten "leere Räume" für die Veranstalter. Es kommen dann die Teams der auftretenden Künstler, oft mit eigener Technik, kennen sich aber mit den räumlichen Gegebenheiten nur unzulänglich aus.
Vor allem, wenn der Tourplan eng ist, und auch, wenn der Veranstaltungsplan der Halle eng ist, ist dann keine Zeit, die Anlage wirklich zu kalibrieren. Vor allem dann, wenn verschiedene Teams am Abend tätig sind, wenn nämlich unterschiedliche Künstler eigene Leute mitbringen.

Was bleibt ist etwas, was den Durchschnitts-Verbraucher schon lange nicht mehr stört, weil er es nie anders kennengelernt hat.

In Hamburg haben wir seit den frühen Siebziger Jahren das CCH. Und seit der Eröffnung ist die Akustik schlecht. Das schafft Gewohnheit eines Publikum, das dort hin geht.
Zudem ist ein Gros von populären Künstlern nicht unbedingt daran gewöhnt, daß sich jemand für eine klangtreue Wiedergabe interessiert. Das schon nicht bei der Albenproduktion. Wie und warum auch, wenn kaum noch analog gespielt wird; Samples können nicht klangtreu wiedergegeben werden.
Und wenn dann tatsächlich mal ein klassisches Ensamble auftritt, dann sind die Tonleute, die eben noch "Hyper Hyper", eine Theater-Aufführung oder die Rede des Vorsitzenden auszusteurn hatten, möglicherweise leicht überfordert.

Tschüß, Matthias
Stapelbüttel von einem ganzen Haufen Quatsch
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