05.05.2018, 17:25
Nein, Radionette war kein französischer Hersteller, auch wenn der Firmenname diese Vermutung nahelegt.
Die Firma Radionette rühmte sich einst, erster und ältester Radiohersteller Norwegens zu sein.
1927 von Jan Wessel in Oslo gegründet, war man dem späteren Lokalrivalen Tandberg um rund sechs Jahre voraus. Zu den Radios gesellten sich in den fünfziger Jahren auch Fernseher und Tonbandgeräte. In den frühen Siebzigern geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten und wurde 1972 vom Konkurrenten Tandberg übernommen, welcher kurze Zeit später selbst in Schieflage geriet.
Als Marke existiert Radionette heute noch. Die Rechte daran hält die norwegische Handelskette Elkjøp, die in Norwegen unter eigenem Namen, in anderen skandinavischen Ländern unter dem Namen Elgiganten zahlreiche Warenhäuser betreibt. Elkjøp wiederum gehört heute der britischen Dixons Carphone plc.
Zu den frühesten Tonbandmodellen von Radionette gehören die Typen B2 und B3, die mechanisch und elektrisch identisch sind und sich nur äußerlich unterscheiden. Das B2 ist fest in einen Koffer eingebaut, so wie hier auf der gemeinsamen Bedienungsanleitung zu sehen:
B3 ist ein Tischgerät, für das es als Zubehör einen Transportkoffer gab. Das Chassis steckt hier in einem schönen, hochglanzpolierten Holzgehäuse.
Das B2/B3 ist ein Einmotorer für max. 18-cm-Spulen. Bandgeschwindigkeit 9,5 und 19 cm/s.
Die Abmessungen des B3 betragen ungefähr 35 x 35 x 21 cm, das Gewicht liegt bei ca. 10 kg.
Die Elektronik bietet einen vierstufigen Röhrenverstärker bestehend aus einer EF 86, der Triode einer ECL 113, einer weiteren EF 86 und einer EL 84. Die Pentode der ECL 113 erzeugt die Hf, ausgesteuert wird mit Hilfe eines Magischen Auges EM 71, welches auch im Wiedergabebetrieb ausschlägt und bei Zimmerlautstärke etwa Vollausschlag zeigt.
An der Rückseite findet man ein großzügig dimensioniertes Kabelfach und Anschlüsse für Radio, Plattenspieler und externen Lautsprecher.
Der Mikrophonanschluß befindet sich an der Oberseite. Auf Klangregler und Bandlängenzähler muß man hier verzichten. Erst spätere Modelle bekamen eine Banduhr.
Ein Hebel auf der Tonkopfabdeckung bietet die Wahl zwischen « Standard track » und « Lower track ». Im ersten Fall arbeitet das Gerät in Halbspur mono nach internationaler Spurlage. In Stellung lower track werden beide Köpfe so weit abgesenkt, daß die untere Spur beschrieben oder gelesen werden kann.
Dies dient allerdings nicht zur Anpassung an die ältere AEG-Norm. Davon ist in der BDA keine Rede. Vielmehr sollte der Nutzer nach Bespielen der oberen Spur das Band zurückspulen und in gleicher Richtung auf der unteren Spur aufnehmen. Der Vorteil laut BDA:
man erspart sich das erneute Einfädeln des Bandes. Dazu wäre allerdings eine Bandendabschaltung hilfreich gewesen, die es bei diesem Gerät jedoch nicht gibt. Als weitere Anwendung ist das Erlernen von Fremdsprachen genannt. Der Sprachlehrer spricht den Text auf der oberen Spur vor, der Schüler schaltet dann um auf die untere Spur und nimmt dort seine Antwort auf, ohne Gefahr zu laufen, die nächste Übung auf der oberen Spur zu löschen.
Ein Blick unter die Abdeckplatte:
Die Besitzer älterer Tandberg-Modelle kennen diesen Anblick. Die beiden Bandteller werden gegensinnig durch einen in Form einer 8 umlaufenden Riemen angetrieben. Wer da in Oslo wem über die Schulter geschaut hat, kann ich allerdings nicht sagen.
Ein Blick auf die Unterseite:
Alle Röhren tragen eine Banderole mit dem Namen des Herstellers und der Seriennummer des Geräts. Hier war offensichtlich alles noch original.
Der Motor stammt von den Siemens-Schuckertwerken.
Der Antrieb der Tonwelle erfolgt über zwei Reibräder, für jede Geschwindigkeit eines.
Ein Blick auf die Elektronik:
Sämtliche Kondensatoren stammen von der englischen Firma Hunts. Hier mußte nichts getauscht werden. Keiner der kritischen Koppelkondensatoren wies einen verminderten Isolationswiderstand auf, alle Spannungen an den Röhren waren noch im Soll. Auch Riemen und übrige Gummiteile waren noch brauchbar. Nur Reinigen und Schmieren war angesagt. Das Gerät läuft ohne allzu störende Nebengeräusche. Auch das Umspulen klappt selbst bei 18er Spulen noch problemlos.
Als einziger Defekt war eine ausgefallene Anzeigeröhre EM 71 zu beklagen. Ausgerechnet! Zum Glück war noch eine gebrauchte mit hoher Leuchtkraft vorhanden.
Ein sehr solides Gerät also, welches über den eingebauten Lautsprecher einen sehr ordentlichen Klang liefert, und das, obwohl man auf einen Klangregler verzichtet hat.
A propos Lautsprecher …
Er trägt die Aufschrift « SEAS Quality Speaker Norway » und ist das einzige Bauteil im Gerät, welches vielleicht einen Hinweis auf das Baujahr liefert. 56??10 lese ich da. Also Baujahr 56 oder Anfang 57? Könnte hinkommen.
Unterm Strich also ein robuster Oldtimer, der sich auch heute, nach 60 Jahren, noch hören – und wegen des tollen Holzgehäuses auch sehen – lassen kann. Leider macht die BDA keinerlei Angaben zum Frequenzumfang des Geräts.
Gruß
TSF
P.S.: Auf dem Boden des Koffers war freundlicherweise der Schaltplan festgetackert. Interessenten finden ihn (demnächst) im Downloadbereich.
Die Firma Radionette rühmte sich einst, erster und ältester Radiohersteller Norwegens zu sein.
1927 von Jan Wessel in Oslo gegründet, war man dem späteren Lokalrivalen Tandberg um rund sechs Jahre voraus. Zu den Radios gesellten sich in den fünfziger Jahren auch Fernseher und Tonbandgeräte. In den frühen Siebzigern geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten und wurde 1972 vom Konkurrenten Tandberg übernommen, welcher kurze Zeit später selbst in Schieflage geriet.
Als Marke existiert Radionette heute noch. Die Rechte daran hält die norwegische Handelskette Elkjøp, die in Norwegen unter eigenem Namen, in anderen skandinavischen Ländern unter dem Namen Elgiganten zahlreiche Warenhäuser betreibt. Elkjøp wiederum gehört heute der britischen Dixons Carphone plc.
Zu den frühesten Tonbandmodellen von Radionette gehören die Typen B2 und B3, die mechanisch und elektrisch identisch sind und sich nur äußerlich unterscheiden. Das B2 ist fest in einen Koffer eingebaut, so wie hier auf der gemeinsamen Bedienungsanleitung zu sehen:
B3 ist ein Tischgerät, für das es als Zubehör einen Transportkoffer gab. Das Chassis steckt hier in einem schönen, hochglanzpolierten Holzgehäuse.
Das B2/B3 ist ein Einmotorer für max. 18-cm-Spulen. Bandgeschwindigkeit 9,5 und 19 cm/s.
Die Abmessungen des B3 betragen ungefähr 35 x 35 x 21 cm, das Gewicht liegt bei ca. 10 kg.
Die Elektronik bietet einen vierstufigen Röhrenverstärker bestehend aus einer EF 86, der Triode einer ECL 113, einer weiteren EF 86 und einer EL 84. Die Pentode der ECL 113 erzeugt die Hf, ausgesteuert wird mit Hilfe eines Magischen Auges EM 71, welches auch im Wiedergabebetrieb ausschlägt und bei Zimmerlautstärke etwa Vollausschlag zeigt.
An der Rückseite findet man ein großzügig dimensioniertes Kabelfach und Anschlüsse für Radio, Plattenspieler und externen Lautsprecher.
Der Mikrophonanschluß befindet sich an der Oberseite. Auf Klangregler und Bandlängenzähler muß man hier verzichten. Erst spätere Modelle bekamen eine Banduhr.
Ein Hebel auf der Tonkopfabdeckung bietet die Wahl zwischen « Standard track » und « Lower track ». Im ersten Fall arbeitet das Gerät in Halbspur mono nach internationaler Spurlage. In Stellung lower track werden beide Köpfe so weit abgesenkt, daß die untere Spur beschrieben oder gelesen werden kann.
Dies dient allerdings nicht zur Anpassung an die ältere AEG-Norm. Davon ist in der BDA keine Rede. Vielmehr sollte der Nutzer nach Bespielen der oberen Spur das Band zurückspulen und in gleicher Richtung auf der unteren Spur aufnehmen. Der Vorteil laut BDA:
man erspart sich das erneute Einfädeln des Bandes. Dazu wäre allerdings eine Bandendabschaltung hilfreich gewesen, die es bei diesem Gerät jedoch nicht gibt. Als weitere Anwendung ist das Erlernen von Fremdsprachen genannt. Der Sprachlehrer spricht den Text auf der oberen Spur vor, der Schüler schaltet dann um auf die untere Spur und nimmt dort seine Antwort auf, ohne Gefahr zu laufen, die nächste Übung auf der oberen Spur zu löschen.
Ein Blick unter die Abdeckplatte:
Die Besitzer älterer Tandberg-Modelle kennen diesen Anblick. Die beiden Bandteller werden gegensinnig durch einen in Form einer 8 umlaufenden Riemen angetrieben. Wer da in Oslo wem über die Schulter geschaut hat, kann ich allerdings nicht sagen.
Ein Blick auf die Unterseite:
Alle Röhren tragen eine Banderole mit dem Namen des Herstellers und der Seriennummer des Geräts. Hier war offensichtlich alles noch original.
Der Motor stammt von den Siemens-Schuckertwerken.
Der Antrieb der Tonwelle erfolgt über zwei Reibräder, für jede Geschwindigkeit eines.
Ein Blick auf die Elektronik:
Sämtliche Kondensatoren stammen von der englischen Firma Hunts. Hier mußte nichts getauscht werden. Keiner der kritischen Koppelkondensatoren wies einen verminderten Isolationswiderstand auf, alle Spannungen an den Röhren waren noch im Soll. Auch Riemen und übrige Gummiteile waren noch brauchbar. Nur Reinigen und Schmieren war angesagt. Das Gerät läuft ohne allzu störende Nebengeräusche. Auch das Umspulen klappt selbst bei 18er Spulen noch problemlos.
Als einziger Defekt war eine ausgefallene Anzeigeröhre EM 71 zu beklagen. Ausgerechnet! Zum Glück war noch eine gebrauchte mit hoher Leuchtkraft vorhanden.
Ein sehr solides Gerät also, welches über den eingebauten Lautsprecher einen sehr ordentlichen Klang liefert, und das, obwohl man auf einen Klangregler verzichtet hat.
A propos Lautsprecher …
Er trägt die Aufschrift « SEAS Quality Speaker Norway » und ist das einzige Bauteil im Gerät, welches vielleicht einen Hinweis auf das Baujahr liefert. 56??10 lese ich da. Also Baujahr 56 oder Anfang 57? Könnte hinkommen.
Unterm Strich also ein robuster Oldtimer, der sich auch heute, nach 60 Jahren, noch hören – und wegen des tollen Holzgehäuses auch sehen – lassen kann. Leider macht die BDA keinerlei Angaben zum Frequenzumfang des Geräts.
Gruß
TSF
P.S.: Auf dem Boden des Koffers war freundlicherweise der Schaltplan festgetackert. Interessenten finden ihn (demnächst) im Downloadbereich.