STEREO, Niedergang eines HiFi-Magazins?
#1
Die "STEREO" ist das HiFi-Magazin, das mich am längsten und am kontinuierlichsten durch mein Hobby begleitet. Als ich anfing, mich für HiFi zu interessieren, gab es vor allem die HiFi-Stereophonie. Die technische Kompetenz dieses Blatts war unbestritten. Wer jedoch kein Studium in Audiotechnik absolvieren wollte, haderte mit den hohen Anforderungen an den Leser, verbunden mit dem etwas drögen, biederen, eben technischen Auftritt.

Die Stereo war keine schlechte Alternative. Durchaus ernsthaft und kompetent zeigte sie dem Leser, der es etwas vergnüglicher und bunter haben wollte, das HiFi auch von dieser Seite aus betrieben werden konnte. Unseriös war man nicht. Alleine durch die Schwesterzeitschrift "Fono Forum" , bei der man schon durch das Sujet zur Seriösität verpflichtet war, blieb man fest am Boden haften. Und das war auch gut so.

Hannes Scholten etablierte mit der "Audio" ein HiFi-Bilderbuch, Gerald O. Dick tat es ihm nach, verzichtete aber nie auf den Hinweis auf nicht praktizierten wissenschaftlichen Hintergrund "...ich als Physiker..." diesen Satz las man oft, wenn Dick was schrieb. Beide Redakteure widmeten sich irgendwann anderen Aufgaben (welchen eigentlich?), die Magazine taten es ihnen nach.

Die Stereoplay schwamm, weder Fisch noch Fleisch, irgendwie in der Suppe mit herum und erlebte einen temporären Niveau-Anstieg, als man die HiFi-Stereophonie schluckte. So viel Sachkompetenz liess sich eben nicht von jetzt auf nacher beseitigen - heute ist das natürlich kein Thema mehr. Der Inhalt der Postille ist so flach wie eines der Blätter Papier, auf die sie gedruckt ist.

Die STEREO, so schien mir, hatte sich noch mit am besten gehalten. Man blieb am Boden, beschäftigte hochkarätige Spezialisten, hatte was zu sagen, dies trotz deutlicher Tribute an den Zeitgeist. Die High-End-Bewegung hat man mitgetragen, aber man widmete diesem Ansatz ein eigenes Magazin (HiFi-Exclusiv) oder zumindest einen eigenen Bereich im Magazin. Man machte deutlich: Das ist ein anderer Weg, mit dem Thema umzugehen, und es ist auch nicht der von uns bevorzugte.

Diese seriöse Position war einem kontinuierlichen Erosionsprozess ausgesetzt, ähnlich wie die Küste von Sylt auch immer kleiner wird, und ganz wie dort rumpelt es auch bei der Stereo gelegentlich ganz ordentlich. So zum Beispiel in Heft 6 / 2005, der aktuellen Juni-Ausgabe, wo der Chefredakteur, Matthias Böde im Vorwort das Thema "hören und messen" aufgreift.

"Was man messen kann ist unwichtig, und was wichtig ist, kann man nicht messen" so zitiert er. Kein militanter High-Ender, wie er schreibt, sondern des Star des Jahres, Albert Einstein, wird hier aus dem Zusammenhang gerissen vor den high-endigen Karren gespannt. Kein Wort davon, daß Einstein ein logisches, stimmiges Gedankengebäude schuf, daß er sicher froh gewesen wäre, jemand hätte ihn experimentell bestätigt und daß er als Physiker es sich gar nicht hätte leisten können, auf Gegenbeweise nicht zu reagieren. Aber Einstein beschäftigt sich ja nur mit dem Universum, Böde kommt schnell zum Wesentlichen: Zu zwei CD-Playern nämlich, durchaus hochwertig, aus dem Hause TA. Aus verschiedenen Preiskategorien kommend gleichen sie sich in den Meßdaten, trotzdem spielt der teurere "in einer anderen Liga". Böde verweist auf die Datenblätter verschiedener Geräte, wo sich die Datenblätter gleichen wie ein Ei dem anderen, obwohl der Klang der Geräte "....um Welten verschieden ist....".

Als technischer Redakteur würde ich mir spätestens hier Sorgen um meinen Job machen, zumindest mit vermehrter Arbeitsbelastung rechnen. Ich würde eine Standpauke erwarten: "Wir jubeln dem Leser seit Jahren Dinge unter, die wir nicht belegen können. Wir können noch nicht einmal in einem schussfesten Hörtest nachweisen, daß die gehörten Unterschiede in diesen Dimensionen existieren. Also lasst euch was einfallen!". Aer Böde kriegt die Kurve nicht und lässt seine Mannen ruhig schlafen, erweist sich als vollkommener Demokrat und überlässt dem Leser die Regie:

Bödes Schlussfolgerung: "Daß wir die nicht messbaren Klangunterschiede zwischen den Geräten beweisen, verlangt ja auch niemand von uns, also tun wir es bei den "Assecoires" auch nicht. Immerhin ist ja den Workshopteilnehmern schon nach Sekundenbruchteilen klar, wie sehr der Klang abhebt, wenn man etwas unter das Gerät legt oder die CD mit einem Special Liquid benetzt."

Damit lässt er es gut sein. Den Messwerten will er nicht ganz den Garaus machen, sie seien ja ab und an ganz nützlich. Für was, kann nur vermutet werden. Zur optischen Gestaltung des Layouts vielleicht?

Böde setzte seine Erkenntnisse jedenfalls konsquent um. Die getesteten Geräte werden mehr beschrieben, denn getestet. Die Auswahl ist fragwürdig, und überhaupt scheint man sich stark auf Assescoires zu konzentrieren. Klangschalen waren das Thema in einer der letzten Hefte. In diesem Heft geht es um kastaniengroße Holzknubbel, mit irgendeinem Granulat gefüllt, die, unter die Geräte gestellt, für spektakuläre Klangverbesserungen sorgen. Der "Test" wird sehr rationell gemacht. 10 Leser bekommen die Teile, die überschwenglichen Kommentare werden abgedruckt, fertig ist der Artikel. Kann notfalls auch vom Praktikanten erledigt werden.

Die Homestorys verlaufen nach dem gleichen Schema F: Hörer ist unzufrieden, Redakteur reist an. Während er früher noch Geräte schleppte um deutlich zu machen, wie weit die Technik fortgeschritten ist, langen heute ein paar Kabel, Netzsicherungen, Steckdosenleisten, dann noch die Special-CD zum entmagnetisieren der Anlage und schwupp spielte diese in einer anderen Liga. Strahlende Gesichter beim Besuchten, triumphierende Miene beim Besucher, wieder 3 Seiten gefüllt.

Was bleibt? Ein Marktplatz, der zumindest funktioniert. Eine Rubrik über klassisches HiFi-Equipment, die zwar lausig schlecht und ultrakurz ist, aber wenigstens gibt es sie. Die Plattenrezensionen sind insofern hilfreich, daß das Angebot dargestellt wird, abweichend von der Auswahl z. B. des Rolling Stone und des ME.

Einziger nennenswerter Aktivposten: Die Artikel von Franz Schöler. Gut geschrieben und informativ erfährt man umassend von Reissues älterer Aufnahmen, die vergleichend gegenüber gestellt werden. Im Moment der einzige Grund für mich, die Zeitung noch zu kaufen. Viel ist das nicht, und ich bin kurz davor, es bleiben zu lassen.

Die "STEREO" ist eine kontur- und substanzlose High-End-Zeitschrift geworden - und auch in dieser Disziplin gibt es bessere Publikationen.
Michael(F)
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[Kein Betreff] - von Michael Franz - 02.06.2005, 10:03
[Kein Betreff] - von timo - 02.06.2005, 10:45
[Kein Betreff] - von Lego - 02.06.2005, 11:29
[Kein Betreff] - von mash - 02.06.2005, 11:37
[Kein Betreff] - von highlander - 02.06.2005, 11:55
[Kein Betreff] - von Matze - 02.06.2005, 12:26

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