Gedanken zum Topzustand
#1
Liebe Leserinnen und Leser an den Sichtgerätinnen und Sichtgeräten,
heute möchte ich mich über etwas auslassen was von hoher Wichtigkeit in der Sammlerszene ist: Der Topzustand.
Ungeachtet dessen das meine automatische Rechtschreibprüfung mir das Wort Topzustand rot unterstreicht -es also eine Internetauktionshauswortschöpfung zu sein scheint- möchte ich es hier weiter so verwenden, da es für mich einen besonderen Gerätezustand beschreibt.

Was bedeutet nun Topzustand im allgemeinen:
Ich denke dem potentiellen Käufer soll suggeriert werden dasz sich das Gerät in einem besonders gutem optischen wie technischen Zustand befindet.
Meine Erfahrung bestätigt hingegen genau das Gegenteil.
Vor längerer Zeit kaufte ich ein Gerät in "Topzustand". Der Verkäufer sicherte volle Funktion zu. Diese hatte das Gerät allerdings in keinster weise zu bieten als es bei mir eintraf. Ich erledigte die -nicht gerade zu vernachlässigende- mechanische Reparatur selbst und ersuchte den Verkäufer, mir einen Gewissen Betrag des -nicht gerade geringen- Kaufpreises zurück zu erstatten, da sich offensichtlich bereits ein weniger erfahrener Zeitgenosse an dem Gerät zu schaffen gemacht hatte.
Bei einem anderen Gerät -das mich allerdings nicht soviel kostete- sicherte der Verkäufer ebenfalls volle Funktion zu, die dann wieder nicht vorhanden war.

Der Witz bei diesen Fällen war, das der Verkäufer den Fehler schon durch einen einfachen Test der Grundfunktionen hätte bemerken müssen.
Testet der Verkäufer nicht, hat man lediglich ein defektes Gerät. Testet der Verkäufer doch, entdeckt einen Mangel und versucht dann diesen selbst dilettantisch zu beheben -um das Gerät in Topzustand anbieten zu können- hat man im Extremfall viel Arbeit und Ärger.

Aber was ist das Magische am Topzustand das dieser die gebotenen Preise für manche Erzeugnisse auf einen astronomischen Betrag ansteigen lässt?
Was wird denn blosz von diesen Geräten erwartet?
Geht der Käufer eines Hifi Klassikers wirklich davon aus ein neuwertiges Gerät zu bekommen?
Nach 20 oder 30 Jahren?
Meint der Käufer wirklich das ein originalverpacktes Gerät - selbst wenn es wirklich noch originalverpackt und ungebraucht ist und nicht nur gequält und dann wieder in die Originalverpackung versenkt wurde- noch so gut wie ein neues ist?

Ich denke hier muss dem potentiellen Interessenten klar werden das dieses nicht sein kann.
Der Mensch kann nie etwas perfektes schaffen, da er selbst nicht perfekt ist und selbst wenn er es könnte würde er es nicht tun weil die Herstellerfirma wirtschaftlich nicht überlebensfähig wäre, da sie kaum mehr neue Produkte und Ersatzteile verkaufen könnte.

Wenn man also wirklich ein Gerät in Topzustand haben will braucht man nicht nur eine gute Basis, sondern auch noch eine ausgiebige Überholung.
Und besonders bei letzterem wird es bei vielen Klassikern problematisch.
1. Gibt es nur noch für wenige Hersteller eine brauchbare Ersatzteil Versorgung. (Und es soll ja Leute geben die eben keine Revox A77 haben wollen. Smile )
2. Selbst wenn es Ersatzteile gibt ist die Überholung -wenn man nichts selber machen kann- extrem teuer. So teuer, das nicht viele bereit sind dieses Geld zu investieren.

Natürlich gibt es natürlich die ganz harten, die sich ihre Studer/Revox Produkte generell werksrevidieren lassen, aber derer sind -wohl schon aus finanziellen Gründen- wenige.

Aber ich habe noch etwas bei Internetauktionen beobachtet:

Der potentielle Käufer legt sehr viel Wert auf Optik. Man meint, das einzig die Optik des Gerätes über dessen nutzen entscheiden täte.
So kann es schon einmal sein das an sich seltene Geräte für nur wenige Euro weg gehen, weil sie kleine optische Mängel haben die
1. im Betrieb nicht stören und die
2. eventuell bei einem Gerät in Topzustand auch vorhanden gewesen wären wenn der Verkäufer sie denn angegeben hätte.
Über den technischen Zustand des Gerätes sagt die Optik zudem nicht zwangsläufig etwas aus.
Geräte mit Blitzschlag oder mechanischen Schäden können z.B. auf dem Foto noch bestens aussehen.
Ob jedoch eine Reparatur überhaupt möglich ist, ist nicht vorhersagbar. Der Verkäufer kann sich ja immer mit "Keine Rücknahme" und " Konnte nicht testen da kein Band, Cassette, Platte, CD, Stromkabel oder sonst irgendwas vorhanden war" Die Gebote sind trotzdem astronomisch hoch.

In diesem Zusammenhang drängt sich natürlich die Frage auf ob so ein Hifi Klassiker überhaupt benutzt werden soll.
Wenn es lediglich darum geht protzige Geräte in einem protzigen Schrank stehen zu haben, um damit lediglich andere Leute zu beeindrucken, drängt sich die Frage auf ob nicht ein Luxus KFZ aus Süddeutschland oder Grossbritanien als sekundäres Geschlechtsteil geeigneter wäre. Zumal sich Hifi Klassiker zum teil recht schwer heben lassen, das KFZ hingegen einfach zu entsprechenden Anlässen gefahren werden kann. Ausserdem sind Luxus KFZ im allgemeinen dem gemeinen Volk bekannter. Ja, es könnte sogar sein, das einmal das gemeine Volk zu besuch kommt und dann dem "Optiker", der gerade stolz seine Optischen Topzustand errungenschaften präsentiert, mitteilt das man just vor ein paar Wochen auch so ein altes Ding auf dem Flohmarkt für 10 Euro verkauft habe, dieses aber noch besser funktionierte.

Aber neben den Optikern gibt es -der höheren Macht sei Dank- noch eine andere Art der Hifi Klassiker Käufer:
Der Bastler.
Der Bastler verfolgt ein ganz anderes Ziel als der Optiker oder gar der Highender. Der Bastler würde sich ein Gerät nur deswegen kaufen um es auseinander zu nehmen und zu sehen wie der Konstrukteur es konstruiert hat. natürlich hat der Bastler nicht generell etwas gegen eine gute Optik, wirklich wichtig ist es ihm jedoch nicht zwangsläufig. Es geht ihm mehr darum etwas zu haben von dem er sagen kann "Selber fertiggemacht". Der Bastler wird für sein können und nicht für seine finanz intensiven Apparaturen in seiner Szene respektiert. Wo der Highender mit bezirzenden Worten über den Klang seiner Apparatur philosophiert, diskutiert der Bastler über das Konstruktionskonzept und dessen besondere Eigenschaften. Fragt man einen Bastler nach dem Klang, so würde er wohl entweder sagen "gut" oder mit Messdaten antworten, die durch seine Bastelei erreicht wurden. Bastler sein ist kein Hobby, sondern eine Lebenseinstellung. Bastler wollen wissen wie etwas funktioniert und mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel erreichen. Deshalb sind Bastlertypen auch im professionellen Umfeld zu finden. Der Bastler überlegt generell was man wovon noch gebrauchen kann. Bei ganz harten Bastlern wird deshalb grundsätzlich nichts weggeschmissen, denn man kann nie wissen. Diese Richtung schneidet schon den Jäger und Sammler.

Mittlerweile kaufe ich nur noch Bastlergeräte, da diese oft problemloser und dabei billiger sind.
Ich habe damit oft bessere Erfahrungen als mit dem Topzustand der Internetauktionen gemacht.
Es macht einfach mehr Spass, und darauf kommt es letztendlich an.

Zum Abschluss möchte ich noch sagen, das ich mit Käufen von Privat weit weniger schlechte Erfahrungen gemacht habe. Die Angaben zum Zustand sind normalerweise wahrheitsgemäss. Ich würde jedenfalls von keinem von dem ich dann letztendlich ein Gerät gekauft habe behaupten, das er mich übers Ohr hauen wollte.
Also Leute, nutzt den Foren Marktplatz, und lasst den Topzustand Topzustand sein.
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Nachrichten in diesem Thema
[Kein Betreff] - von Matze - 17.04.2005, 14:12
[Kein Betreff] - von Gyrator - 17.04.2005, 17:18
[Kein Betreff] - von highlander - 17.04.2005, 19:23
[Kein Betreff] - von 2252B - 18.04.2005, 10:45
[Kein Betreff] - von Crazy - 18.04.2005, 16:57

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