"Tonbandgerät" für die Puppenstube
#1
Ich habe kürzlich ein Gerät erhelten, dass eigentlich nicht ins Beuteschema des typischen Tonband-/Bandmaschinensammlers fällt, aber das gleichwohl vom Prinzip her ein Tonbandgerät darstellt. Allerdings ein sehr kleines. Und eins, mit dem man sicher keine Musikaufnahmen machen will! Es geht um einen Microkassettenrecorder, wie man sie in den 80er und 90er Jahren zu Millionen als Diktiergerät und akustisches Notizbuch verkauft hat. Es gab die Dinger in allen Preis--und Qualitätsklassen, vom einfachen Plastikgerät mit den nötigsten Grundfunktionen und Gleichstrom-Vormagnetisierung bis hin zum Hightech-Designerstück mit Metallgehäuse und allen Schikanen.

Meins ist ein Panasonic RN-Z10 von ca. 1992. Von wann genau, kann ich gerade nicht feststellen, weil das hifi-archiv.info z.Zt. nicht funktioniert....
Damals war das der kleinste Microkassettenrecorder der Welt, der aber wenig später vom Sony M-909 in der Größe noch weit unterboten wurde; der war kaum größer als die Kassette selbst!
Aber auch der Panasonic-Recorder ist bemerkenswert klein (101 x 50 x 15 mm/112g), hat sogar mal eine Auszeichnung für sein edles Design bekomnen und hat ein Metallgehäuse, das tatsächlich nicht nur aus einer Alublechverkleidung auf Plastikunterbau besteht, sondern komplett aus Aluminium ist!

   

   

   

   

Der RN-Z10 war damals wohl ein Diktiergerät für Reiche. Ich habe meinen im Originalkarton bekommen, auf dem sich noch das Preisschildchen des Geschäfts befindet. Ich dachte zunächst, ich sehe nicht richtig: DM 499,- hatte der Käufer dafür auf den Ladentisch gelegt!

   

Dafür bekam er ein Gerätchen mit folgenden Eigenschaften: Batterie- oder Netzbetrieb (zwei AA-Zellen oder 3 V-Netzteil), 2-Spur Monoaufnahme auf Microcassette, Frequenzbereich 200-6000 Hz bei Bandgeschwindigkeit 2,38 cm/s. Zweite Geschwindigkeit 1,2 cm/s. Abnehmbares Elektretmikrofon, das auch mittels mitgelieferter Krawattenklammer und 1,2 m-Kabel als Lavalier- oder Tischmikro (Schachtel dient als Halterung/Ständer!) genutzt werden kann. Zusätzlicher Mikrofoneingang (0,25 mV aus 200-600 Ohm) und Ohrhörerausgang 3,5 mm; 2,8 cm "großer" dynamischer Lautsprecher; Einhandbedienung mit direktem Übergang vom Play auf Record; Rückspulzeit 150 sec bei 60er Kassette. Dreistelliges Bandzählwerk, stiller Autostopp (ohne Tastenauslösung) aus allen Funktionen über Rotationsüberwachung, Aussteuerungsautomatik mit "LED-Flacker-Anzeige"; LED bei Wiedergabe = Batteriekontrolle.
Hochfrequenz-Vormagnetisierung (55 kHz) und Permanentmagnetlöschung.

   

   

Als ich das Gerät bekam, funktionierte die Mechanik nicht. Ohne Kassette dreht sich der Aufwickeldorn und der Capstan zwar, mit Kassette blockierte die Geschichte, denn der Abwickeldorn war sehr schwergängig. So, als wenn da eine Bremse anliegt. Da stimmte was nicht. Umspulen ging ebenfalls nur eine Umdrehung, dann blockierte es wieder. Der Treibriemen schien zudem sehr ausgeleiert und rutschte ständig durch. Die Aufnahme- und Wiedergabeelektronik hingegen schien völlig in Ordnung zu sein.

Es blieb mir also nur der Versuch, an das Laufwerk heran zu kommen und die festgestellten Fehler zu beheben.

Ich öffnete das Gehäuse, indem ich einige gar winzige Schräuble entfernte und staunte, wie miniaturisiert es intern zuging 8| . Dann beschloss ich... nichts zu unternehmen und nichts zu versuchen, bis ich nicht ein Service Manual habe. Das fand sich sofort zu akzeptablem Preis aus Great Britain bei Ebay und als es nach ein paar Tagen eintraf, erwies es sich als wirklich sehr ausführlich und nützlich. Eine vorbildliche Anleitung, ohne die ich niemals die Platine gelöst bekommen hätte!
Die Platine nämlich besteht aus einem flexiblen Material, eigentlich ist es nur eine stabile Folie mit Leiterbahnen und überwiegender SMD-Bestückung. Lediglich ein paar Elkos (Endstufe, Bandlaufüberwachung...) sind bedrahtet ausgeführt.

   

   

Nachdem ich vorsichtig und möglichst ruhig ("Stört mich jetzt in der nächsten halben Stunde bitte nicht!") alle Schritte vollzogen hatte, die in der Serviceanleitung beschrieben waren, konnte ich mit etwas Mühe die weiche Platine, die zudem mehrfach "um die Ecke" gelegt war, hochklappen und so die Mechanik erreichen. Die Platine hat auch mehrere "Abzweigungen", auf denen Schalterchen angelötet sind. Ich hoffe, dass nach der Montage noch alle Leiterbahnen heil sind! :S

   

   

   

   

   

Der Grund für den schwergängigen Abwickelteller (bei Microkassetten sitzt er rechts, weil sie andersherum laufen) war bald ausgemacht: das Oberteil (künftig hier Hütchen genannt) mit den drei Wickelkern-Mitnehmern hatte sich gelöst und dem Druck der koaxial darunter befindlichen Feder nachgegeben. Die Feder drückt einen Ring mit Filzbelag auf den unteren Teller, um eine Art Sicherheits-Ruschkupplung zu bilden, damit das Band beim Blockieren/Bremsen am Bandende nicht zu ruppig behandelt wird. Die Bremse setzt nämlich schlagartig (mit Sperrklinke im Zahnrad) ein!
Das Hütchen war ursprünglich auf eine hohle Kunststoffachse aufgeclipst, durch die die am Hütchen befestigte Metallachse hindurch führte bis unter das Chassisblech, wo dann ein kleines Zahnrädchen (mit 12 Zähnen) als Bremselement und Befestigung des ganzen Wickeldorn-Konstruktes aufgepresst war. Die hohle Nabe war nun am oberen Ende einige Millimeter eingerissen, so dass das Hütchen keinen Halt mehr hatte, abrutschte, und die Druckfeder der Kupplung sorgte nun dafür, dass das Zahnrad auf seiner Achse an das Chassisblech gezogen wurde, wodurch die Leichtgängigkeit des Teils natürlich hinüber war! Also: das Hütchen saß zu hoch und das Zahnrad bremste die Drehung durch die drückende Feder der Kupplung. Klingt komisch, ist aber so.

   

   

Das Ganze spielte sich an einem nur wenige Millimeter kleinen Bauteil ab, das mit meinen Wurstfingern kaum zu handhaben war. Ständig rutschte irgendwas raus oder ab, die Feder flog weg und musste auf dem Fußboden gesucht werden :cursing: . Um das zu fixen, war es nötig, das Abschlusshütchen so mit der hohlen Kunststoffnabe zu verkleben, dass die Rutschkupplung funktionsfähig blieb und der erhebliche Druck der vorgespannten Kupplungsfeder das Ganze nicht wieder auseinander sprengte. Zwischendurch fiel auch noch der winzige Filzring von der Kupplung ab, weil die selbstklebende Schicht ihre Klebkraft eingebüßt hatte, und musste mit Lupe und Pinzette zunächst wieder angeleimt werden....
Irgendwann hatte ich es dann geschafft, mit einer Nadel ein Tröpfchen Sekundenkleber auf die eigentliche Klebestelle Hütchen/Achse zu applizieren und die Teile zusammenzufügen. Damit ich sie nicht halten musste, klemmte ich sie mit einer Wäscheklammer zusammen, in die ich zuvor ein Löchlein für das herausragende Ende der Achse gebohrt hatte. Nach einer Viertelstunde wagte ich es und entfernte meine provisorische Schraubzwinge wieder. Die Klebung hielt!

   

Der Wickeldorn konnte wieder eingesetzt und mit dem kleinen Zahnrad von der Unterseite gesichert werden. Zwar hielt der Presssitz des Rädchens noch ganz gut, ich tropfte aber lieber noch etwas Cyanacrylat auf die Mittelbohrung, um es fester mit der Achse zu verbinden. Das alles lief nur mit Lupe und Pinzette/Nadel/Zahnstocher, gutem Licht und ruhiger Hand. So manches Mal hätte ich den Kram am liebsten dem Orkus übereignet, aber natürlich schaffte ich es dann letztlich doch. thumbsup

   

   

Der Antriebsriemen war in der Tat viel zu locker und muss neu, da beißt die Maus keinen Faden ab.
Problem: Man versuche mal, irgendwo auf der weiten Welt einen Rundriemen mit 45-46 mm Durchmesser und einer Schnurstärke von 0,6 mm (!) zu bekommen! — Viel dicker darf er auch nicht sein, denn es geht so beengt in dem Gerät zu, dass er andernfalls an benachbarten Bauteilen schleifen würde. Es gibt natürlich nirgendwo solch einen Riemen, jedenfalls nicht als für diesen Zweck gefertigtes Teil. Aber nach einiger Überlegung hatte ich die Lösung: Dichtungsringe für die verschraubten Böden wasserdichter Armbanduhren! Und so orderte ich ein entsprechendes Sortiment von 100 Ringen mit Durchmessern zwischen 34 und 50 mm beim Chinesen, die alle eine Schnurstärke von 0,6-0,7 mm aufweisen. Ich hoffe, dass die Dinger den Einsatz als Antriebsriemen nicht krumm nehmen, aber letztlich sind sie ja nichts anderes als dünne O-Ringe aus Gummi. Und was anderes ist der originale Riemen auch nicht.

Wenn dieses Teil angekommen und eingebaut ist (kann zwei Wochen dauern), muss ich den Recorder wieder zusammenschustern, ohne dabei die empfindliche Platine zu beschädigen, einen der haarfeinen Litzendrähte abzureißen, ein paar Schrauben über zu behalten oder ähnliches. Ehrlich gesagt, habe ich meine Zweifel, ob mir das gelingen wird. Normalerweise sind mir schon Kompaktkassettengeräte zu fummlig und das hier ist nochmal eine Größenordnung winziger! Na, warten wir's ab.

Wenn es nicht klappt, habe ich zumindest ein Vitrinenstück der seltenen Art. :S

Hier noch ein paar Makros des Laufwerks:

   

   

   

   

Fortsetzung folgt. Eventüll.... Wink wacko

LG Holgi


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"Tonbandgerät" für die Puppenstube - von hannoholgi - 06.07.2020, 17:45
[Kein Betreff] - von Meik1954 - 06.07.2020, 17:58
[Kein Betreff] - von niels - 06.07.2020, 18:14
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