LP - Neues Magazin für Analogis
#1
Wenn eine Zeitschrift "LP" heisst, so interssiert das natürlich einen Schallplattensammler und Musikfan wie mich. Nischenprodukte des Zeitschriftemarktes finden selten genug ihren Weg zum Kiosk, um so erfreuter war ich, daß meine Stammtanke die Erstausgabe ausliegen hatte.

Der Titel "LP" suggeriert ein Hauptaugenmerk auf das Thema Vinyl - der kleiner gedruckte Untertitel rückt diese Aussage wieder zurecht: Eine "Zeitschrift für analoges Hören und Vinylkultur" war das Ziel der Macher.

Blättert man durch das Heft, so fällt auf, daß Marginalien viel Raum gewidmetet wird:
Ein Retro-Kofferradio wird vorgestellt, freilich ohne die Info, ob es sich um einen 1:1 Nachbau handelt oder ob hier moderne Technik in alt aussehende Gehäuse gesetzt wird. Über die Klang- und Empfangseigenschaften wird nicht weiter berichtet. Dicke Bretter zu bohren ist nicht Stärke der Redaktion. Diese Erkenntnis findet sich auch in der Besprechung der beiden Bücher "Die Analogen Hitmaschinen" und dem Plattenspielerbuch von Uli Zauner (Kultmaschinen).

Die Schreiber wiederholen sich, attestieren beides mal "aufwendige Recherchen" und wenn ich das im Falle Zauner auch unterschreiben mag - bei den Hitmaschinen halte ich das für nicht gegeben.

Danach gelange ich zu einem Grundlagenartikel über die CD-Technik. Das bisher gültige Abtasttheorem wird in Zweifel gezogen, eine alternative Sichtweise dargelegt, der Artikel gipfelt nach einigen Diagrammen und Ausführungen in der schon auf der Titelseite propagierten Erkenntnis: Das beste Medium zur Tonspeicherung und Wiedergabe ist die Vinylplatte, die CD hat versagt! Kein Wort davon, daß es CD-Produktionen gab, die auch audiophilen Ansprüche gerecht wurden. Nur kurz wird erwähnt, daß die CD heute eher am unteren Ende der Digitaltechnik zu finden ist und mittlerweile große Fortschritte erzielt worden sind. Letztlich scheint es in dem Artikel nicht um das Suchen und Finden einer Antwort zu gehen, vielmehr sollen vermeintliche Antworten - Analog ist besser - propagiert werden.

Schade - das Thema enthält Stoff genug für einen Mehrteiler. Die Abgrenzung zwischen Analog und Digital, der Versuch, Zusammenhänge zwischen Gehörtem und Gemessenem herzustellen, das hätte eine spannende Artikelserie geben können, die auch die Digitalos angesprochen hätte. So hat man diese Chance vertan und im Grunde nur einen Grund vorgeschoben, diese Zeitschrift machen zu können. Diverse Fehler in dem Artikel will ich nicht weiter erwähnen. Das sind Fehler, wie sie in der Hektik einer Erstausgabe vorkommen können. Der Fachmann wird sie erkennen, und der Laie braucht's ja nicht so genau zu wissen, sofern er sich zum vorgegebenen Endergebnis durchringen kann.

Es folgen Tests. Getestet werden Plattenspieler, Tonarme, Tonabnehmer und Phono-Vorverstärker. Die Tests unterscheiden sich in nichts von dem, was üblicherweise in den High-End-Postillen geboten wird. Wenig Fakten, kaum Meßergebnisse, dafür viele, viele subjektive Eindrücke. Um sich von den etablierten Zeitschriften abzugrenzen, wählt man eine besonders subjektive Form der Bewertung - ganz ohne mochte man wohl doch nicht auskommen: Eine Zahl zwischen 70 und 180 ist ein Äquivalent zum menschlichen Pulsschlag und soll den Erregungszustand des Testers nach dem Test ausdrücken. Ob der erhöhte Pulsschlag nahe der Herzinfarktsgrenze nun positive oder negative Ursachen haben soll, wird nicht weiter erläutert. Dafür ist die Grafik schön auffällig.

Kriterien für die Auswahl der Testgeräte erschliesen sich dem Leser leider nicht. Die Auswahl wirkt wie Zufall. Vielleicht müssen die Redakteure auch nehmen, was sie kriegen können, berichten entsprechend wohlwollend und verzichten weitestgehend auf Kritik. Mein Eindruck: Leute, die gerne mit HiFi spielen, tun das weiterhin und berichten über ihre Spielzeuge.

Ungerührt verbreitet man revolutionäre Erkenntnisse: Einer der hochgelobten Arme hat keine Antiskating-Einrichtung. Die Antiskating-Kraft soll durch ein verdrilltes Anschlußkabel des TAs aufgebracht werden. Begründung des Konstrukteurs: Er lehne Anti-Skating generell ab, und wenn die Leute unbedingt eines wollen, dann wenigstens eines, welches nicht schaden würde. Vielleicht weil es gar nicht wirkt? Es spricht nicht für die Qualtät dieser Zeitschrift, daß man diesen Sachverhalt einfach so stehen lässt, nicht näher kommentiert und auch nicht näher untersucht.

In einem weiteren Plattendreher-Artikel vergleicht man - der Dreher arbeitet mit Stand-Alone-Motoren - den Klang bei Verwendung verschiedener Motoren. Verblüffenderweise sollen auch ungeübte Hörer ganz einwandfrei die Unterschiede hören zwischen einem Schweizer Gleichstrommotor und seinen beiden badischen Synchon-Kollegen, einmal schnell drehend und einmal langsamer. Natürlich ist der Letztere, der die besten Ergebnisse bringt, nicht mehr lieferbar. Wäre auch zu schön gewesen, hätte man das passende Objekt der Begierde einfach so kaufen können. Nun muss man einem Geheimtip hinterher rennen. Fazit: Den Kombinationsmöglichkeiten Laufwerk - Arm - TA wird nun mit dem Motor eine weitere Dimension hinzugefügt. Wer zum Frühstück Mozart hören will, hat nun nicht mehr nur die Auswahl zwischen 3 Tonarmen sondern kann mit 3 Motoren zusätzlich variieren Wink Hinweise über das Testprocedere gibt es keine, auch war es nicht möglich, diese deutlich hörbaren Unterschiede mit irgendwelchen Meßwerten zu untermauern. Erklärungen für diese Phänomene werden in dieser Branche schon lange nicht mehr gesucht - ernsthaftes technisches Interesse wird nicht vorrausgesetzt. So tut man der analogen Sachen keinen guten Dienst sondern schaufelt Wasser auf die Mühlen der Abstreiter.

Nach einem kleinen Artikel über den passenden Wein zu einer bestimmten Musik - in Zusammenhang mit einem bestimmten Rebensaft, dessen Namen mir entfallen ist erwähnt man, sehr originell, Keith Jarret und das Köln-Concert - geht es endlich in den Musikteil:

Das neue Album der Fantastischen Vier gibt Anlass zu einem dürftigen Artikelchen, der nichts enthält, was man nicht schon in anderen Zeitungen besser und ausführlicher gelesen hätte. Die Plattenrezensionen? Das, was eigentlich am meissten interessieren würde? Nun, es geht um Reissues. Viele der Alben sind bekannt, man hat schon darüber gelesen, und wer sich nicht konsequent der CD verweigert kennt die Musik schon. Man liest also eine weitere Meinung über ein Werk, daß man evtl. schon kennt und über das man schon viele Meinungen gelesen hat. Es gibt keine Vergleiche mit den zuvor veröffentlichen Versionen und schon gar keine Vergleiche mit den CDs. Man tut ganz einfach so, als gäbe es nur diese Vinylplatten. Es wirkt dann schon ein bisschen lächerlich, "Transformer" von Lou Reed nochmals zu besprechen.

Nach dem Durchblättern dieses etwas dürr geratenen Musik-Teils ist die Lektüre beendet, und ich frage mich, was mit dieser Zeitschrift erreicht werden soll. Fundierte Testarbeit ist hier nicht zu erwarten. Der Musikteil wird in den darauf spezialisierten Magazinen besser, aktueller und kompetenter geboten. Eine Begründung dafür. wieso man z. B. dieses Reissue kaufen soll und nicht die Originalplatte als 2nd-Hand oder vielleicht doch die CD, bekommt man nicht. Und wenn ich Smalltalk über Höreindrücke willkürlich zusammengestellter Plattendreher lesen möchte, so gibt es eine Reihe von hierauf spezialisierten Foren. Ob aus der "LP" noch eine veritable Zeitschrift wird, kann ich nicht beurteilen. Ich werde das verfolgen, ohne jedoch Geld dafür auszugeben. Bis dahin halte ich mich an die Kataloge der einschlägigen Plattenfirmen und lese die Besprechungen von Franz Schöler.
Michael(F)
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