24.10.2004, 12:59
Volle Auftragsbücher, qualifiziertes Personal, welches hochmotiviert arbeitet und Produkte am obersten Qualtiätslevel, dies alles mag für die Belegschaft ein Indiz für die eigene, erfolgreiche Arbeit sein, heisst aber noch lange nicht, daß Gewinn erwirtschaftet wird.
Um Gewinn zu erwirtschaften, müssen die erzielten Preise die Kosten decken. Mindestens.
Können sie das in einer Gesellschaft wie der unseren tun?
Um am Beispiel Magnetband zu bleiben:
Wenn die Rundfunkgebühren um 80 Cent im Monat erhöht werden sollen, beklagt jeder die Abzocke. Gewisse Rundfunkanstalten haben schon vor Jahren Versuche mit Bändern der Firma "Zonal" gemacht. Nicht unbedingt wegen deren technischer Qualität, sondern wohl wegen der günstigeren Preise. Man hat ja Verantwortung gegenüber dem Gebührenzahler. Im Falle Zonal hat das nicht funktioniert, aber wieso konnte sich in anderen Bereichen ein AMPEX 456 durchsetzen? Wegen der technischen Überlegenheit? Dann ist es ja gut, daß sich der bessere durchgesetzt hat. Oder weil das Band billiger war und mancher Studiobesitzer aufs Geld gucken musste? War vielleicht das schlechtere Band gut genug und für den vorhandenen Zweck die bessere Wahl, da wirtschaftlicher? Fakt ist: Emtec hätte höhere Preise und damit den notwendigen Gewinn nicht am Markt durchsetzen können.
Die Alternative: Kosten senken!
Nun kann man darüber streiten, ob die hohen Kosten aus der Fertigung kommen, also personalbedingt sind, oder ob dieser Bereich Gewinn abwerfen würde, wenn das Management diesen nicht verschwenden würde.
a) Wenn man das Gehalt von Schrempp, Piech & Complicen deckeln und zur Preisredzuzierung der Autos nutzen würde, so könnte sich der Käufer vom gesparten Geld nicht einmal ein Hefe-Weizen genehmigen. Die Manager-Gehälter mögen unmoralisch hoch sein, aber das Durchsetzen der Moral hätte auf den geschäftlichen Erfolg keinen Einfluss. Daß man damit keines der aktuellen Probleme löst, muss man - leider - erkennen.
b) Es wird durch spekulative Unternehmungen immer wieder Geld verschwendet, ohne Zweifel. Wenn man bedenkt wieviel Kapital vernichtet wurde, als ein Edzard Reuter aus einer Autofirma einen Gemischtwarenladen machte und sein Nachfolger das alles wieder kippte, um das Sortiment zu verändern, so kommt man zum Schluß: Diese Firma würde auch dann Verluste machen, wenn die Arbeiter Geld mitbringen würden.
aber:
Es gibt noch den Mittelstand, bodenständig geführt, mit "normalen" Managementgehältern, die Besitzer meistens noch mit an Bord, persönlich haftend, frei von kostspieligen unternehmerischen Eskapaden. Nicht frei von Fehlentscheidungen, gewiss, aber die kriegt der Besitzer schmerzlichst als erster zu spüren.
Klagen diese Leute über zu hohe Kosten der Arbeit, hat das ein ganz anderes Gewicht. Diese Klagen sind doch zum Teil berechtigt:
Wenn z.B. in Deutschland hochwertige Schuhe produziert werden, so kosten diese z. B. 100.-- Euro. Kaufe ich ein solches Paar, was ich in der Regel tue, so werde ich als Spinner deklariert. Wenn ich nun erzähle, daß ich so einen Schuh mehrere Jahre trage, ihn, weil ich ihn so lange tragen will, auch pflege, ihn immer wieder zum Schumacher bringe und besohlen lasse, so werde ich vollends ausgelacht: Die Reparatur kostet mehr, als ein neuer Treter bei einem Discounter.
Anderes Beispiel: Jeder hätte gerne frische, duftende Brötchen. Sofern diese von einem Bäcker kommen und nicht aus der Fabrik haben sie ihren Preis. Deswegen sind auch diese ganzen Selbstbedienungs-Discount-Backwaren-Filialen so ein Erfolg, wo man zwar keine Brötchen bekommt sondern angewärmte und wieder abgekühlte Teiglinge, aber es ist ja so billig, und deswegen darf es auch schlecht schmecken. Kleine Läden sterben nicht wegen Überlastung durch anstürmende Kunden, sondern weil man sie nur noch frequentiert, wenn man am Sonntag merkt, daß man keinen Zucker mehr hat. Bei Aldi kann man nicht klingeln, Tante Emma muss aufmachen, wenn man das tut.
Lebensstandard ist das, was man sich vom Verdienst leisten kann. Je billiger man einkauft, desto mehr kann man sich leisten. Jeder will sich mehr leisten.
Also: Bei Salamander für ein gutes Gehalt und ordentliche Arbeitsbedingungen auf die Straße gehen, die Schuhe aber bei Schuh-Billig kaufen. Diese werden in osteuropäischen Ländern unter Bedingungen hergestellt, die man hierzulande als menschenunwürdig bezeichnen würde. Gleiches Thema bei den etwas preiswerteren Komponenten der Unterhaltungselekronik. Ein elektronisches Kinderspielzeug, die Kinderzimmer sind voll davon, wird in der chinesischen Sonderwirtschaftszone von Kindern zusammengebastelt. Und wenn die Hütte abbrennt, weil es keine Brandschutzmaßnahmen gibt und die Hallen verschlossen bleiben, so ist es ja wegen der paar hundert Leute nicht schlimm, es gibt ja genug davon. Hauptsache billig, der europäische Markt frisst das alles. Der Markt sind wir!
Was bei uns schief läuft: Ein Handwerker, der einen normalen Beruf mit normalen Bezügen ausübt, will und kann es sich oft nicht leisten, einen anderen Handwerker zu beschäftigen. Er macht es selber oder er lässt schwarz arbeiten. Tut er das nicht, drückt er wenigstens den Preis. Angesichts der anstehenden Preise und leider auch der gelieferten Qualität eine in vielen Fällen nachvollziehbare Entscheidung.
So ist es doch unser aller Wunsch, durch billigen Einkauf unseren Lebensstandard zu erhöhen. Wäre "Made in Germany" nicht nur angehimmelt sondern auch gekauft worden, wäre die Lage anders. Das die deutsche Industrie durch Überheblichkeit gegenüber der fernöstlichen Konkurrenz zum Desaster beigetragen hat, machte die Sache noch schlimmer.
Ach noch was:
Wenn man in Nicht-Krisen-Zeiten versucht, als Kleinunternehmer qualifiziertes Personal einzustellen, zu Bedingungen wie sie tariflich üblich sind, aber eben nicht so übertariflich wie bei den Großfirmen, so erlebt man folgendes:
- amüsierter Gesichtsausdruck, weil man nur 8 Leute klein ist
- gerümpfte Nase, weil es nur einen Vespercontainer gibt, keine Kantine
- panischer Gesichtsausdruck beim Erwähnen evtl. Überstunden
- ehrliches Staunen, wenn man zeigt was man so macht und was dazu für Anforderungen erfüllt werden müssen
- mitleidiges Lächeln, wenn man auf das Gehalt zu sprechen kommt. Ist ja klar, später wird sein Arbeitslosengeld höher sein als ein Gehalt bei mir.
Und so geht dann der hochqualifizierte Werkzeugmechaniker, Fachrichtung Stanztechnik zum Daimler ans Band. Dort braucht er von seinem Fachwissen nix hervorkramen, stöpselt Kabel in irgendwelche Buchsen und kann sich während der Arbeitszeit von seinem Kollegen, dem gelernten Friseur, in der Umkleide die Haare schneiden lassen. Der Meister billigt das, er kriegt dafür umsonst geschnitten. Daß er jeden Tag 2 Stunden Auto fahren muss und aus der 35-Stunden-Woche faktisch eine 45-Stunden-Woche wird, lässt man dabei großzügig unter den Tisch fallen.
Daß es mir, in manchen Fällen, sehr schwer fällt, das gerüttelte Maß an Verständnis für die Probleme dieser Leute aufzubringen, das man von mir erwartet, möge man mir nachsehen. Ich wollte hier keinesfalls alles über einen Kamm scheren, lediglich die andere Seite der Medaille etwas beleuchten.
Um Gewinn zu erwirtschaften, müssen die erzielten Preise die Kosten decken. Mindestens.
Können sie das in einer Gesellschaft wie der unseren tun?
Um am Beispiel Magnetband zu bleiben:
Wenn die Rundfunkgebühren um 80 Cent im Monat erhöht werden sollen, beklagt jeder die Abzocke. Gewisse Rundfunkanstalten haben schon vor Jahren Versuche mit Bändern der Firma "Zonal" gemacht. Nicht unbedingt wegen deren technischer Qualität, sondern wohl wegen der günstigeren Preise. Man hat ja Verantwortung gegenüber dem Gebührenzahler. Im Falle Zonal hat das nicht funktioniert, aber wieso konnte sich in anderen Bereichen ein AMPEX 456 durchsetzen? Wegen der technischen Überlegenheit? Dann ist es ja gut, daß sich der bessere durchgesetzt hat. Oder weil das Band billiger war und mancher Studiobesitzer aufs Geld gucken musste? War vielleicht das schlechtere Band gut genug und für den vorhandenen Zweck die bessere Wahl, da wirtschaftlicher? Fakt ist: Emtec hätte höhere Preise und damit den notwendigen Gewinn nicht am Markt durchsetzen können.
Die Alternative: Kosten senken!
Nun kann man darüber streiten, ob die hohen Kosten aus der Fertigung kommen, also personalbedingt sind, oder ob dieser Bereich Gewinn abwerfen würde, wenn das Management diesen nicht verschwenden würde.
a) Wenn man das Gehalt von Schrempp, Piech & Complicen deckeln und zur Preisredzuzierung der Autos nutzen würde, so könnte sich der Käufer vom gesparten Geld nicht einmal ein Hefe-Weizen genehmigen. Die Manager-Gehälter mögen unmoralisch hoch sein, aber das Durchsetzen der Moral hätte auf den geschäftlichen Erfolg keinen Einfluss. Daß man damit keines der aktuellen Probleme löst, muss man - leider - erkennen.
b) Es wird durch spekulative Unternehmungen immer wieder Geld verschwendet, ohne Zweifel. Wenn man bedenkt wieviel Kapital vernichtet wurde, als ein Edzard Reuter aus einer Autofirma einen Gemischtwarenladen machte und sein Nachfolger das alles wieder kippte, um das Sortiment zu verändern, so kommt man zum Schluß: Diese Firma würde auch dann Verluste machen, wenn die Arbeiter Geld mitbringen würden.
aber:
Es gibt noch den Mittelstand, bodenständig geführt, mit "normalen" Managementgehältern, die Besitzer meistens noch mit an Bord, persönlich haftend, frei von kostspieligen unternehmerischen Eskapaden. Nicht frei von Fehlentscheidungen, gewiss, aber die kriegt der Besitzer schmerzlichst als erster zu spüren.
Klagen diese Leute über zu hohe Kosten der Arbeit, hat das ein ganz anderes Gewicht. Diese Klagen sind doch zum Teil berechtigt:
Wenn z.B. in Deutschland hochwertige Schuhe produziert werden, so kosten diese z. B. 100.-- Euro. Kaufe ich ein solches Paar, was ich in der Regel tue, so werde ich als Spinner deklariert. Wenn ich nun erzähle, daß ich so einen Schuh mehrere Jahre trage, ihn, weil ich ihn so lange tragen will, auch pflege, ihn immer wieder zum Schumacher bringe und besohlen lasse, so werde ich vollends ausgelacht: Die Reparatur kostet mehr, als ein neuer Treter bei einem Discounter.
Anderes Beispiel: Jeder hätte gerne frische, duftende Brötchen. Sofern diese von einem Bäcker kommen und nicht aus der Fabrik haben sie ihren Preis. Deswegen sind auch diese ganzen Selbstbedienungs-Discount-Backwaren-Filialen so ein Erfolg, wo man zwar keine Brötchen bekommt sondern angewärmte und wieder abgekühlte Teiglinge, aber es ist ja so billig, und deswegen darf es auch schlecht schmecken. Kleine Läden sterben nicht wegen Überlastung durch anstürmende Kunden, sondern weil man sie nur noch frequentiert, wenn man am Sonntag merkt, daß man keinen Zucker mehr hat. Bei Aldi kann man nicht klingeln, Tante Emma muss aufmachen, wenn man das tut.
Lebensstandard ist das, was man sich vom Verdienst leisten kann. Je billiger man einkauft, desto mehr kann man sich leisten. Jeder will sich mehr leisten.
Also: Bei Salamander für ein gutes Gehalt und ordentliche Arbeitsbedingungen auf die Straße gehen, die Schuhe aber bei Schuh-Billig kaufen. Diese werden in osteuropäischen Ländern unter Bedingungen hergestellt, die man hierzulande als menschenunwürdig bezeichnen würde. Gleiches Thema bei den etwas preiswerteren Komponenten der Unterhaltungselekronik. Ein elektronisches Kinderspielzeug, die Kinderzimmer sind voll davon, wird in der chinesischen Sonderwirtschaftszone von Kindern zusammengebastelt. Und wenn die Hütte abbrennt, weil es keine Brandschutzmaßnahmen gibt und die Hallen verschlossen bleiben, so ist es ja wegen der paar hundert Leute nicht schlimm, es gibt ja genug davon. Hauptsache billig, der europäische Markt frisst das alles. Der Markt sind wir!
Was bei uns schief läuft: Ein Handwerker, der einen normalen Beruf mit normalen Bezügen ausübt, will und kann es sich oft nicht leisten, einen anderen Handwerker zu beschäftigen. Er macht es selber oder er lässt schwarz arbeiten. Tut er das nicht, drückt er wenigstens den Preis. Angesichts der anstehenden Preise und leider auch der gelieferten Qualität eine in vielen Fällen nachvollziehbare Entscheidung.
So ist es doch unser aller Wunsch, durch billigen Einkauf unseren Lebensstandard zu erhöhen. Wäre "Made in Germany" nicht nur angehimmelt sondern auch gekauft worden, wäre die Lage anders. Das die deutsche Industrie durch Überheblichkeit gegenüber der fernöstlichen Konkurrenz zum Desaster beigetragen hat, machte die Sache noch schlimmer.
Ach noch was:
Wenn man in Nicht-Krisen-Zeiten versucht, als Kleinunternehmer qualifiziertes Personal einzustellen, zu Bedingungen wie sie tariflich üblich sind, aber eben nicht so übertariflich wie bei den Großfirmen, so erlebt man folgendes:
- amüsierter Gesichtsausdruck, weil man nur 8 Leute klein ist
- gerümpfte Nase, weil es nur einen Vespercontainer gibt, keine Kantine
- panischer Gesichtsausdruck beim Erwähnen evtl. Überstunden
- ehrliches Staunen, wenn man zeigt was man so macht und was dazu für Anforderungen erfüllt werden müssen
- mitleidiges Lächeln, wenn man auf das Gehalt zu sprechen kommt. Ist ja klar, später wird sein Arbeitslosengeld höher sein als ein Gehalt bei mir.
Und so geht dann der hochqualifizierte Werkzeugmechaniker, Fachrichtung Stanztechnik zum Daimler ans Band. Dort braucht er von seinem Fachwissen nix hervorkramen, stöpselt Kabel in irgendwelche Buchsen und kann sich während der Arbeitszeit von seinem Kollegen, dem gelernten Friseur, in der Umkleide die Haare schneiden lassen. Der Meister billigt das, er kriegt dafür umsonst geschnitten. Daß er jeden Tag 2 Stunden Auto fahren muss und aus der 35-Stunden-Woche faktisch eine 45-Stunden-Woche wird, lässt man dabei großzügig unter den Tisch fallen.
Daß es mir, in manchen Fällen, sehr schwer fällt, das gerüttelte Maß an Verständnis für die Probleme dieser Leute aufzubringen, das man von mir erwartet, möge man mir nachsehen. Ich wollte hier keinesfalls alles über einen Kamm scheren, lediglich die andere Seite der Medaille etwas beleuchten.
Michael(F)