Mikrofone
#14
Ich kann's auch nicht....

Daher also, mein Text zur Nacht (für alle, daher ohne Anrede):

Bezüglich der 150,00 Euro-Klasse von NF-Kondensatoren (aus China) habe ich keine Erfahrungen; was man aber so hört, sind Klagen über die relativ große Fertigungsstreuung, wobei der Analysefähigkeit im Kollegenkreis doch oft arge Grenzen gesetzt sind. Sehe ich mir die Händler an, so kommt von deren Seite eigentlich auch in erster Linie das Bedürfnis, solche Dinger zu verkloppen und das in hoher Anzahl, weil sie relativ billig sind, sonst aber nichts.
Wenn man mit vielen Mikrofonen arbeitet, ist die Zuverlässigkeit eines Mikros jedoch leicht so wichtig, wie sein klangliches Verhalten. Auch da könnte ich mit Erfahrungen und Anekdoten dienen, alsse das aber.

Großmembranmikros sind vom akustischen Prinzip her eigentlich zweite Wahl, was man in Wuttkes Texten sehr schön nachlesen kann. Der Membrandurchmesser muss gemessen an der höchsten übertragenen Wellenlänge klein sein, damit das Off-axis-Verhalten noch tolerierbar ist. Der übliche Kapseldurchmesser von zwei Zentimetern ist da eigentlich schon drüber, weil bei 2,2 cm die Wellenlänge von 15 kHz bereits erreicht ist. Unter diesen Durchmesser kann man jedoch aus Gründen der Empfindlichkeit nicht recht gehen, es sei denn, man erhöht die Kapselvorspannung, was das Mikro aber sehr sensibel für falsche Behandlung macht. Wieder einmal muss man mit Kompromissen leben.

Großmembranmikrofone verstoßen zunächst (Empfindlichkeitsfrage) systematisch gegen jene Regel, weshalb man sie primär in Achse einsetzt. Für Hauptmikrofonanwendungen sind sie nicht empfehlenswert, weil der Polarfrequenzgang (also die Konstanz des Richtdiagrammes über den gesamten Übertragungsbereich hin) deutliche Wünsche offen lässt. Woher rührt dann der heute wieder legendäre Ruf? Ja, von den Klassikleuten in der Regel nicht, und von denjenigen, die ein MIkrofon einigermaßen universell einsetzen wollen, auch nicht. Es ist wohl die oftmals respektable Größe (ein weiterer Nachteil, denn sie stören das Schallfeld!) dieser Dinger, die einfach mehr hermachen als so ein kleines Stabmikro. Zudem kann man ihren Nachteil unter Umständen als Vorteil ummünzen, denn Stabmikros haben ein sehr konstantes Polardiagramm (auf der Schoeps-Seite einmal ansehen!), weshalb -schnoddrig gesagt- gilt: Es ist letztlich ziemlich egal, wie präzise man ins Mikro musiziert, die klanglichen Eingenschaften ändern sich nicht so dramatisch. Anders bei der Großmembran: Man kann da mit Anwinkelungen des Mikrofones gegenüber dem ankommenden Schall klanglich sehr viel machen, sofern man einen Solisten aufnimmt. Verwendet aber man zwei Großmembranen als Hauptmikrofon, so ist dieses Signal klanglich in der Regel nicht viel wert, weil fast alle Musiker off-axis in das Mikro spielen. Das hört man deutlich an der Verfärbungsneigung! Ich verweise aber darauf, dass die RRG ausschließlich mit Großmembranen arbeitete bzw. Areiten musste, weil es nichts anderes gab. Und da hatte man allerlei an Tricks drauf, die natürlich in der Monofonie leichter zu bewerkstelligen sind als in der Stereofonie (2-X Kanäle) unserer Tage.

Wenn du, lieber Frank, von Musikproduktionen sprichst, dann meinst du den breiten Bereich der Popularmusik, bei dem der musikalische Satz weitgehend im Playbackverfahren multimikrofonisch (1 Musiker pro Mikrofon) zusammengesetzt, um nicht zu sagen, zusammengebastelt wird, denn die wesentlichen Gestaltungsvorgänge kommen dann ja erst. Bei der klassischen Aufnahme ist man dann fertig..., weshalb vom Mikrofon weitreichend anderes verlangt wird.

Ich würde einem Laien, der akustische Instrumente, kleine Ensembles, vornehmlich 'unplugged' arbeitende Jazzkombos (und dergleichen) aufnimmt, allemal ein Kleinmembranmikropaar empfehlen, für das man ggflls. zwei Kapselpaare erwirbt, deren eines Kugeln, deren anderes Nieren sind.

Damit jedoch ist es ja unseligerweise auch noch nicht getan, denn Mikros sollten wegen der Störfestigkeit der oftmals langen Leitungen grundsätzlich symmetrisch, also mit Hilfe eigens erworbenen Kabelmaterials angeschlossen werden, was dann auch den Erwerb oder Bau eines Mischpultes/Mikrofonverstärkers mit Phantomspeisung erfordert. Dann kommen Kabel (keine aus Platin oder Gold bitte; Kupfer ist o.k., geflochtene Abschirmung wäre jedoch schön), Stative und Kleinkram dazu, und schon ist das Vermögen weg. Vom nachfolgenden bitteren 'Lehrgeld' einmal zu schweigen, denn da warten auch noch Untiefen! Das gilt auch für jeden Profi. Was da im Kollegenkreis mitunter nicht alles an anekdotischen Stories aus der tonmeisterlichen Jugend auf den Tisch kommt: Brüllendes Gelächter.

Pegelfragen
Kondensatormikrofone verdauen heute in der Regel problemlos >130 dB, bei etwa 132 dB SPL erreichen die empfindlicheren einen Klirrfaktor von 1%, was gemeinhin als Grenze des Betriebsbereiches definiert wird, weil dann nicht die Kapsel, sondern der interne Impedanzwandler/Nachverstärker an seine Grenze kommt. Kapseln vertragen zumeist noch deutlich mehr. Die Mikrofone haben dann aber einen Ausgangspegel, der im Bereich von Line-Signalen liegt (einmal abgesehen von den Ohren des Musikers, an die man auch immer mitfühlend denken sollte!). Man kann dann je nach Mikro durchaus mit 1,5 - 4 Volt am Mischpulteingang rechnen, was dort erst einmal verdaut werden muss.
Die Kapseln stecken Bläser (auch die der Trompe de Chasse im forté!) problemlos weg, das Problem sind die Impedanzwandler oder die Mischpulteingänge (in Betriebsart Mikrofon mit Speisung!). Dem hilft man ab, indem man in solchen Fällen eine 10- oder 20-dB-Vordämpfung zwischen Kapsel und Mikrokapsel schraubt oder einen etwaig vorhandenen Vordämpfungsschalter am Mikro umlegt. Sollten in anderen Fällen Vordämpfungen nötig sein, so ordnet man diese unmittelbar vor dem Mischpult/Mikrofonverstärker an.

Ich benütze für meine Aktivitäten (alte Musik) vornehmlich Spezialversionen marktüblicher Mikros, deren Empfindlichkeit gegenüber der Standardversion um 6 dB erhöht ist. Diese Mikrofonkapseln übersteuern den Impedanzwandler im Mikrorohr natürlich sechs dB eher, weshalb ich da durchaus aufpassen muss. Dafür gibt es auf meinem Mischpult Markierungen, deren Erreichen mir signalisiert, "Meister, mit dieser Eingangsempfindlichkeit liefert das Mikro etwa 1,6 Volt, es wird ernst!"

Lebensdauern von Kapseln sind nicht unbegrenzt, was übrigens auch für die Kapseln dynamischer Mikros (wie für Tonbänder...) gilt. So gibt es CM3 Georg Neumanns aus den 1930ern, die noch heute tun wie damals, und viele, die eben dahin sind. Man kann Kapseln neu beziehen, was aber wieder kostet. Meine ältesten Kondensatormikrofone sind jetzt 31 Jahre alt und tun wohl noch (ich benütze diese Mikros nicht mehr allzu oft). Diverse Kollegen aber nehmen leidenschaftlich ein U47 (da ist die nicht mehr in der erforderlichen Qualität erhältliche Röhre VF14 das Problem), ein M49 oder M50 von Neumann, die jetzt gut 50 Jahre auf dem Buckel haben. Und die arbeiten auch noch.
In der Regel gehen wir selbst wohl eher dahin als das Mikro. Meine beiden Neumann-U89 (Geschwister) jedoch schieden nach gut 20 Jahren auf den Tag genau gleichzeitig dahin. Neumanns Diagnose: Kapseln defekt, obgleich ich diese Mikrofone in ihrem Leben vielleicht anderthalb dutzend Male artgerecht eingesetzt und immer in den originalen Verpackungen in Wohnräumen gemäß den Anweisungen des Herstellers aufbewahrt hatte. Die Kapseln waren nie bespuckt, nie unzulässig feucht geworden, die Verstaubung war minimal.
Da bleibt ein komisches Gefühl zurück, denn in diesem Falle muss Neumann ein nicht einwandfreies Membranmaterial eingesetzt haben.

Gefahren für empfindliche Kapseln?
Nein, Gefahr besteht für Kapseln eigentlich nur, wenn man gegen sie bläst o.ä. Ansonsten leben sie lange.

Störabstand:
Dazu ist oben schon allerlei gesagt. Kondensatormikrofone sind sind diesbezüglich hervorragend, weil bei ihnen der Geräschspannungsabstand entweder als so genannte Ersatzlautstärke oder aber bei 76 dB SPL (1 µbar) oder 96 dB (1 Pa), mithin in einem relevanten Arbeitsbereich angegeben wird. Die Eratzlautstzärke ist derjenige Schallpegel, der von außen aufgewandt werden muss, um den mikrointerenen Störquellen gleichzukommen. Er ist also ein Maß für den Störpegel, den das Mikro selbst produziert.

Rauschen bekommt man heute nicht durch das Mikro, sondern allemal vom nachgeschalteten Mikrofonverstärker bzw. (und vor allem) seinem unfachmännischen Einsatz. Denn wie schnell da die durch die Physik gesetzten Grenzen erreicht sind, macht sich der normale Nutzer nicht recht klar. Das thermische Rauschen eines Widerstandes liegt bei -132 dB (unbewertet), verstärkt man um 70 dB nach, ist das physikalisch bedingte Rauschen bereits bei -62 dB. Nachdem jener theoretische Wert ín praxi nicht erreicht werden kann, liegt man bei einem solchen Betriebsfall unter Bestbedingungen mit dem Rauschen bereits um -55/58 dB. Und das halten die Mikros schon ein, nicht aber die üblichen Mischpulte.

In der klassischen analogen Zeit gab es Betiebssituationen (Sprachaufnahmen in leisen Rundfunk-Studios), bei denen die damaligen Mikros schlechter sein konnten als die analoge Aufzeichnungstechnik danach: Die Mischpulte waren in diesem Falle besser als die Kondensatormikros, weshalb das Mikrofonrauschen höher war als das Bandrauschen:
Leiser Sprecher, starke Nachverstärkung im Pult, um Vollaussteuerung der Analogmaschine zu erreichen. Mikrorauschen dann nurmehr bei -50 dB, wogegen die Bandmaschine -60 dB konnte. Das Mikrorauschen überdeckte man dann gerne mit einer Atmo-Aufnahme.

Heute jedoch sollte dies kaum mehr ein Problem sein; die Verstärker sind es eher, weil die hohen Preise für die dann erforderlichen, ausgefuchsten Übertrager nicht mehr bezahlt werden, ja die Möglichkeiten solcherart NF-Übertrager zu bauen, schlichterdings nicht mehr bestehen. Übrigens ist dies eines der Probleme bei Restaurierung defekter U47: Wenn der Übertrager durch ist, ist Schluss; es gibt ihn nicht mehr und er kommt nicht mehr.

So viel für heute.


Hans-Joachim
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[Kein Betreff] - von highlander - 14.10.2004, 20:37
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[Kein Betreff] - von highlander - 19.10.2004, 09:22

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