Mikrofone
#2
Man muss in diesem Zusammenhang technische Verfahren und die mit ihrer Hilfe erzielbaren Richtcharakteristiken auseinanderhalten.

Es gibt

Kondensatormikrofone, die nach dem Prinzip des Kondensators aufgebaut sind,
dynamische Mikrofone (Bändchen und übliche elektrodynamische Tauspulen sind dazu zu rechenen), dann
Mikros, die spezielle elektrische Effekte nützen (Kristall, ggflls. auch Kohle) und Sonderbauarten wie z.B. das Kathodophon von Vogt, Engl & Massolle (Triergon), von dem aber aufgrund der Firmengeschichte wenige Aufnahmen erhalten sind, nicht zuletzt aber als ungewöhnliche Verfahren Aspekte auf Vergangenheit und Zukunft zugleich eröffnen. Das lassen wir aber mal außen vor.

Die Richtchrakteristiken bewegen sich zwischen reinem Druckempfänger (Kugel, theoretisch nach allen Seiten für alle Frequenzbereich gleichermaßen empfindlich) und dem Druckgradientenempfänger (Acht), der zur Wandlung die Druckdifferenz vor und hinter der Kapsel auswertet. Dazwischen liegen als Mischungen dieser Extremkonzepte die

breite Niere (reduzierte Empfindlichkeit nach hinten), die
Niere (möglichst geringe Empfindlichkeit nach hinten), die
Super- und Hyperniere (gegenphasige Empfindlichkeitskeule nach hinten), die
Acht (Empfindlichkeit nach vorn und hinten gleich, hinten gegenphasig, damit nach den Seiten maximale Unterdrückung).

Sondertypen wie das Soundfieldmikrofon setzen sich auch aus klassischen Kapseltypen zusammen und müssen deshalb nicht eigens betrachtet werden.

Diese Richtcharakteristiken können mehr oder minder gut über die verschiedenen technischen Lösungen realisiert werden.

Geht es um Qualität, hat in jeder Hinsicht das Kondensatorverfahren (erstmalig E.C. Wente 1917: NF-Verfahren, Riegger 1923: Hf-Verfahren) die Nase vorne, weil namentlich beim Druckempfänger Frequenzlinearität und Wandlerempfindlichkeit hoch, Klirrfaktor und Intermodulationsverzerrungen (auf der Kapsel) gering sind. Seit Georg Neumanns CM3 von 1927/28 ist das auch serienmäßig beherrschbar geworden. Die Wandlerempfindlichkeit z.B. der Kohle-Querstrommikrofone ("Marmorblock") war auch hoch, die betrieblichen Eigenschaften der Mikros aber zu wartungsaufwendig und damit zu unzuverlässig, um mit dem Kondensatorverfahren und seinen fraglos existierenden Umständlichkeiten (zunächst relaitiv große Bauform, lange keine Zentralspeisung möglich, Batteriekästen und Netzteile nötig, teure, mehrpolige Verkabelung; erst seit 1966 ist Phantomspeisung nach DIN 45596 möglich etc. pp.) konkurrieren zu können.

Elektrodynamische Typen sind da zwar erheblich billiger, jedoch mit mäßiger Empfindlichkeit bei gleichzeitig -auch- ohmschem Verhalten der Schwingspule ausgestattet, die damit für den nachgeschalteten Verstärker wie ein rauschender Widerstand (bei niedriger sonstiger Empfindlichkeit des Wandlers) wirkt. Die Ansprüche an den Verstärker sind also eigentlich höher, ohne dass dies den Mangel niedriger Empfindlichkeit beseitigte.
Bändchenmikrofone (durchwegs Achten) liefern (als Folge ihres extrem geringen Innenwiderstandes) so wenig Klemmenspannung, dass man Spannung und Innenwiderstand auf nützbare Werte herauftransformieren muss. Weiterhin sind die Massen einer Schwingspule und eines Bändchens (bzw. dessen langzeitstabile Beschaffenheit) ein derartiges Problem, dass die Fertigung einer Kondensatorkapsel dauerhafter und klanglich hochwertiger (minimale Masse) bei einer etwa 10-fach höheren Empfindlichkeit (!) nicht nur eine Option, sondern das prinzipiell bessere Verfahren ist. Daran ändert auch die bis heute unabdingbar im Mikrofongehäuse unterzubringende Elektronik nichts.

Wenn dann unser Walter Weber auch noch die Voraussetzungen für ein elektrisch fern-umschaltbares Kondensatormikrofon schafft, gibt es fast keinen Grund mehr, an andere Mikros zu denken, wäre da nicht der Preis. Denn Kondensatormikrofone werden wegen ihrer prinzipiellen Hochwertigkeit in der Regel mit dem Anspruch hergestellt, "wenn , dann richtig". Will man dabei auch noch geringe Fertigungsstreuungen erreichen (gute Mikros müsste man eigentlich nicht paaren, man tut es aber dennoch...), dann kostet das. Darin übrigens unterscheiden sich billige und teure Kondensatormikros. Bei billigen muss man mit einer doch recht erheblichen Fertigungsstreuung rechnen, während die teuren gleicher sind, als die einzelnen Kanäle eines guten, transportablen (analogen) Mischpultes (Studer 169/269).
Die Betriebsdynamik neuzeitlicher Kondensator-Mikrofone erreicht 120 dB (1:1 x 10^6), was kanpp unter dem gesunden Menschlichen Ohr liegt. Der Geräuschspannungsabstand ist damit hervorragend und selbst bei kritischer Modulation fast immer ausreichend. Weiter jedoch kommt man auch nicht, weil das thermische Rauschen eines Widerstandes bei -132 dB bzw. -118 dBqp (spezielle Bewertung) liegt.
Klangunterschiede sind bei reinen Druckempfängern ähnlicher Bauarten auch bei unterschiedlichen Herstellern meist marginal, bei Nieren und Gradientenempfängern dagegen oftmals erheblich, weil die Verfahren zur Realisierung eines akzeptablen Tiefenfrequenzganges unterschiedlich sind.

Erklärung dazu:
Druckgradientenempfänger (und Derivate) werten die Druckdifferenz zwischen dem Ort vor bzw. hinter der Kapsel (und sei es teilweise) aus, also über eine Entfernung von 10 mm (mitunter weniger). Die Wellenlänge von z. B. 110 Hz (als Ton [groß] A bereits von erhebliocher musikalischer Bedeutung) beträgt 3 Meter (ein Sinuszug); das heißt natürlich, dass bereits bei diesem Ton die Pegeldifferenz minimal ist, der Mikrofonkonstrukteur hier also längst auf Kugelverhalten umgestiegen sein muss, damit das Mikro an den Klemmen überhaupt etwas liefert. Dies kann man durch das Ausnützen des Nahbesprechungseffektes bei solchen Mikrofonen dann kompensierend unterstützen, wenn das Mikro für die Nahbesprechnung geschaffen ist, wenn aber nicht, andere Verfahren etc. pp. Es wird also bereits kompliziert und vom Gutdünken des Konstrukteurs, seinen musikalischen Vorlieben, seiner Vorstellung von Mikrofonerung abhängig usw.

Auf eine Behandlung des Problems Kapselgröße verzichte ich einstweilen.

Wer sich für die Konstruktion und den Einsatz hochwertigster Mikrofone interessiert, sei auf Jörg Wuttkes Mikrofonaufsätze vewieden, die man sich von der Schoeps-Seite kostenfrei herunterladen kann. Wuttke ist nicht nur ein großartiger Mensch, sondern auch ein wirklich guter Mikrofonkonstrukteur und jemand, der seine Arbeit für Fachfremde verständlich erklären kann. Schon diese Gabe ist selten genug. Seine Texte sind daher nicht nur les-, sondern auch nutzbar. Er hat auch einmal einen zweiteiligen Aufsatz zur Tonaufnahme durch Amateure verfasst, der nicht minder lesenswert ist. Ich besitze ihn in Kopie; die Zeitschrift, in der er vor wohl 20 Jahren erschien, existiert allerdings auch noch. Sonst könnte man ja...

http://www.schoeps.de/D-2004/miscellaneous.html
http://www.schoeps.de/D-2004/appendix-tech.html

Zum ersten reicht es, denke ich (außerdem sind meine Präferenzen ja sicher klar..).

Hans-Joachim
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