zu leise Aufnahme bzw. Wiedergabe
#26
Lieber Michael,

ich habe dich oben durchaus richtig verstanden; mir ging es allein darum, die Diskussion möglichst nicht auf Abwege rutschen zu lassen, weil das wieder an sich unnötige Worte meinerseits moblisieren könnte... Worum es mir zusätzlich geht, ist die Darlegung der vielen Kompromisse, die die analoge Technik fordert/eingehen muss und die ihren besonderen, durchaus menschlichen Reiz ausmachen. Die digitale Technik geht da ganz anders vor, denn sie fordert zur technologischen Bewältigung einen bis in ihre Zeit unbekannten, gigantischen Primäraufwand, ohne den gar nichts geht, der Rest ist -gemessen am anaolgen Aufnehmen und dem digitalen Primäraufwand- minimales Polieren am Detail.

In deinem zweiten Mail kommst du gleich (und folgerichtig??) wieder auf so ein 'analoges Ding': Wir haben bis jetzt zwischen Aufnahme- und Wiedergabeköpfen nicht unterschieden, sie als weitgehend verhaltensgleich betrachtet. Das ist für den Nutzer auch hinzunehmen, für den Konstrukteur jedoch nicht. Für die Wiedergabe stimmt deine Annahme durchaus: "Breiter Spalt = höhere, nutzbare Induktion des magnetisierten Bandes auf die Spule (=Tonkopf) = höhere Ausgangsspannung. Dies bewegt sich natürlich in sehr engem Rahmen, ist aber nachweisbar und gilt nicht für die hohen Frequenzen ... siehe unsere Diskussion bisher.
Wir arbeiten in unserem Falle ja mit einem recht breiten Frequenzband von rund 10 Oktaven, wogegen der Physiklehrer temporibus illis bei den einschlägigen Versuchen den Magneten mit etwa 1,5 bis 3 Hz vor der Spule herumbewegte. Da kommt man dann leicht zu konsistenten Ergebnissen, die wir zwischen 25 Hz und 20 kHz bei analoger Aufnahme nicht so leicht hinbiegen, zumal ja auch noch ein magnetischer Speicher durchaus eigener Gesetze dazwischengeschaltet ist.

Nachdem man aber bei der Aufnahme möglichst viel 'Dampf' aufs Band bekommen will, und die Magnetisieriung des Bandes nach allen gesammelten Erkenntnissen an der ablaufenden Spaltkante des Aufnahmekopfes erfolgt, richtet man (reine) Aufnahmeköpfe gerne mit der für die intendierte Grenzfrequenz und die konstruktiv akzeptierte Spaltdämpfung größten Spaltbreite ein, wogegen man die Spaltbreite des Wiedergabekopfes tendenziell niedrig ansetzt, um den Geräuschspannungsabstand durch die nachfolgende Frequenzgangkorrektur (der Spaltdämpfung) so gering wie möglich zu belasten und einen guten Höhenfrequenzgang zu erhalten: Wieder ein Kompromiss aus Nutzspannung (Spaltbreite) Grenzfrequenz (Spaltbreite), Bandgeschwindigkeit und Verstärkerauslegung

Studioköpfe erhalten/erhielten deshalb (Studer) Spaltbreiten des Aufnahmekopfes bei 7, des Wiedergabekopfes bei 3 µ. Walter Weber tat sich da angesichts der bei der RRG offiziellen Grenzfrequenz von 10 kHz noch etwas leichter. Man hörte zwar schon seit Beginn der 1930er weiter, weigerte sich aber beharrlich und mit durchaus guten Gründen, weiter zu messen.

Übrigens kam die 15 kHz-Forderung erst im Verlauf der 1950er und führte dann auch schnell zur Halbierung der Bandgeschwindigkeit vin 77/76,2 auf 38,1 cm/s. Das hat auch und gerade mit den Fortschritten im Kopfbau zu tun, die im Kriege natürlich Wunschtraum blieben, wie denn die Fertigungsgenauigkeit der damaligen Zeit in unseren heutigen Augen zwischen Katastrophe und absoluter Spitzenklasse schwankte. Das sieht man übrigens auch an der Schaltungsauslegung der RRG-Bandgeräteverstärker V5 und V7b.

Eine Anmerkung noch zur Frage des Verschleißes. Wenn das Kopfjoch am Spiegel auf minimale Stärke heruntergeschliffen ist, der Kopf also in einer 'Apotheose' seine beste Zeit durchlebt, ist der Kopf eigentlich noch nicht verschlissen (der Traum jedes Ebay-Verklopfers...), das kommt dann -fast 'digital'- erst einige zehn Stunden später. Dies erklärt aber auch, warum ich immer zur Zurückhaltung auffordere, wenn eine Spiegelbreite mit Verschleiß gleichgesetzt wird.
"Ab 5 Millimetern ist der Kopf fällig.", so liest man ja oft.
Die Beschaffenheit des Spiegels (und die seines unzulässigen Zustandes) hängt auch von der (geometrischen) Gestaltung des Kopfträgers und der Kopfspiegel ab, die bei Studer und AEG-Telefunken ja sichtlich nicht zu jeder Zeit 'kommensurabel' waren. Einmal ganz zu schweigen von den Achatstiften der Spitzkeilköpfe der Ihle-Woelke Inc. und der Glasferritköpfe der Japaner, die da eigene Unruhe in die Betrachtung tragen. Nein, der Kopf ist dann fällig, wenn er verschlissen ist. Und das kann man nur mit Tongenerator, Millivoltmeter und möglichst noch Oszilloskop (nebst Bezugsband) nachweisen. Umso mehr, als ja nun jeder Kopf ein Individuum beherbergt bzw. beherbergen sollte..., kenn' wa doch, oda?

Hf-Strom-Nf-Strom-Frage:
Auch diesem Verhältnis liegt bei jedem Tonbandgerät bzw. jeder Kopfkonstruktion im Zusammenhang mit einem Band eine individuelle Beziehung zugrunde, die das Betriebsverhalten dieses Gesamtgerätes schlüssig, aber umständlich beschreibt. Miss einmal einen Hf-Strom aussagekräftig mit einem Mischpult, da wirst du erhebliche Probleme haben.
Die Delta-10kHz-Methode führt schneller und präziser genausoweit, ohne dass du irgendwo im Hf-Bereich herumgurken musst, denn du kannst mit der Anlage messen, mit der du aufnimmst. Das ist ein schlagendes, ja bestechendes Argument. Verwunderlich ist nur, dass die Magnetbandler (sie haben nun allerdings in der Regel keine Aufnahmen zu machen) erst so spät -nach etwa 20 Jahren- darauf kamen, möglichst alle Betriebsparameter auf diese zentrale Größe zu beziehen, so dass die gesamte Betriebseinmessung auf eine simple Frequenzgangbestimmung (an zwei bis fünf Orten: 40 Hz, 1 kHz, 10 kHz, 15 kHz) zurückgeführt werden konnte.

Übrigens spielt die Hf, die nur mehr in kümmerlichen Resten auf dem Band nachweisbar ist, für die Wiedergabe keinerlei Rolle, sie wird nicht absichtlich aufgezeichnet. Sie dient allein für eine den unerfreulichen Begleiterscheinungen der magnetischen Induktion als nicht linearem Vorgang entgegenwirkende 'Konditionierung' des Modulationssignals.

Zum anderen bin ich mir nicht sicher, ob meine Beschreibung des Kopfjoches im Spiegelbereich mit dem Wort 'Steg' so glücklich gewählt war. Denn die Entfernung zu den (Magnet-)Spulen spielt dabei eigentlich keine messbare Rolle. "Steg" betrifft nur die verbleibende/verbliebene Jochstärke am Kopfspalt. Bis man den Spulen an dieser Stelle nahekommt, müsste eigentlich schon schlimmes vorgefallen sein. Ich bedauere deshalb, dir diesbezüglich schlaflose Nächte bereitet zu haben...


Hans-Joachim

P.s.: Dein beharrliches Interesse an den grundlegenden Fragen weist dich als recht heißen Aspiranten auf das sattsam bekannte AGFA-Bändchen: "Engel, Schallspeicherung auf Magnetband. Leverkusen 1975" aus.
Zitieren


Nachrichten in diesem Thema
[Kein Betreff] - von HGW - 30.09.2004, 18:31
[Kein Betreff] - von highlander - 01.10.2004, 09:34
[Kein Betreff] - von HGW - 01.10.2004, 10:44
[Kein Betreff] - von HGW - 01.10.2004, 11:04
[Kein Betreff] - von HGW - 01.10.2004, 13:28
[Kein Betreff] - von MichaelB - 01.10.2004, 13:39
[Kein Betreff] - von HGW - 01.10.2004, 14:18
[Kein Betreff] - von highlander - 01.10.2004, 14:22
[Kein Betreff] - von Michael Franz - 01.10.2004, 14:34
[Kein Betreff] - von HGW - 01.10.2004, 15:38
[Kein Betreff] - von Michael Franz - 01.10.2004, 15:56
[Kein Betreff] - von HGW - 01.10.2004, 16:05
[Kein Betreff] - von HGW - 01.10.2004, 16:22
[Kein Betreff] - von Frank - 01.10.2004, 22:41
[Kein Betreff] - von PhonoMax - 02.10.2004, 09:22
[Kein Betreff] - von HGW - 02.10.2004, 10:10
[Kein Betreff] - von Michael Franz - 02.10.2004, 14:47
[Kein Betreff] - von PhonoMax - 02.10.2004, 15:18
[Kein Betreff] - von PhonoMax - 02.10.2004, 15:40
[Kein Betreff] - von HGW - 02.10.2004, 17:13
[Kein Betreff] - von MichaelB - 04.10.2004, 14:02
[Kein Betreff] - von Michael Franz - 04.10.2004, 14:35
[Kein Betreff] - von PhonoMax - 04.10.2004, 19:28
[Kein Betreff] - von Michael Franz - 04.10.2004, 21:28
[Kein Betreff] - von Michael Franz - 05.10.2004, 07:17
[Kein Betreff] - von PhonoMax - 05.10.2004, 09:15

Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 3 Gast/Gäste