Alles schon mal dagewesen oder Hier kommt Kurt
#1
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Aus der neogallischen Hauptstadt erreichte mich jüngst ein Relikt aus längst vergangen geglaubter Zeit. Die genannte Stadt hat den Ruf, bei aktueller oder kommender Mode die Maßstäbe zu setzen. Zumindest was Damenoberbekleidung angeht.

Allerdings geht es hier nicht um Haute Couture, obwohl hier ein herbeigeredeter oder tatsächlicher Trend aufgefangen wird. Mancher in der geneigter Leserschaft wird in der Vergangenheit ein derartiges Gerät besessen oder doch wenigsten den Wunsch nach dem Besitz eines solchen gehegt haben. Der japanische Elektronikkonzern Sony hat als erster ein Gerät dieser Art auf den Markt gebracht und mit dem Namen Walkman den Begriff für für eine ganze Klasse von mobilen, batteriebetrieben Cassettenspielern geprägt.

Ja, tatsächlich liegt vor mir ein Karton, in dessen Inneren sich ein Cassettenspieler befindet. Nicht etwa ein die Zeit überdauertes Reststück aus einem verstaubten Lager, sondern ein fabrikneues und vor allem neu konstruiertes Gerät. Verantwortlich zeichnet sich das in Paris ansässige Unternehmen namens „We Are Rewind“.

Prinzipiell unterscheidet sich dieser Cassettenspieler nicht von seinen Vorgängern aus dem letzten Jahrhundert, hat jedoch einige Details, die ihn eindeutig in der Jetztzeit verorten lassen. Dass man Cassetten mit einem Ohrhörer abhören kann, ist wahrlich nicht neu. Aber hier ist -ganz auf dem Stand der Technik- der Anschluß eines Kopfhörers oder bis zu acht anderer Geräte mittels Bluetooth möglich. Statt Batterien ist die Stromversorgung über einen eingebauten Lithiumakku sichergestellt. Ein Ladegerät gehört allerdings nicht zum Lieferumfang. Das ist aber kein echter Mangel, denn das Vorhandensein eines Ladegeräts für ein Mobiltelefon kann heutzutage ja vorausgesetzt werden. Dieses wird mit der geräteseitigen USB- Buchse verbunden. Nach Herstellerangaben wird das nach ca. 10-12 Betriebsstunden nötig, denn so lange soll die Laufzeit des 2000 mAh Akkus andauern.
Außer der erwartbaren Wiedergabefunktion hat der WE-001 auch eine Aufnahmefunktion. Zwar fehlt ein Mikrofon, allein über eine 3,5mm Klinkenbuchse kann ein Tonsignal zugeführt werden. Die Aussteuerung übernimmt eine Automatik.

Das Gerät selbst hat Ecken und Kanten. Das Gehäuse ist strikt im 90° Design ausgeführt, ein recht puristische Aussehen, durchaus nicht häßlich – aber das ist Geschmackssache. Die Rückseite und die Cassettenklappe an der Front bestehen aus Aluminium. Der WE-001 ist ein Handschmeichler, man hat etwas zum anfassen, es macht eine guten und soliden Eindruck. Die Bedienungstasten rasten sauber ein, da hat man nicht das Gefühl, es könne leicht etwas abbrechen. Bei Aufnahme und Wiedergabe wird am Ende der Cassette die Transportfunktion abgeschaltet, die entsprechenden Tasten werden gelöst. Bei schnellem Vor- und Rücklauf ist das leider nicht der Fall. Der Käufer hat die Auswahl zwischen drei Farben: blau, orange und schwarz. Die Farben haben Namen, Kurt (das erklärt die Überschrift), Serge und Keith in der Reihenfolge der genannten Farben. Da es nur Männernamen sind, finden auch Gleichstellungsbeauftragte und FrauenrechtlerInnen ein Betätigungsfeld.

Alles in Allem ein nettes Spielzeug für Nostalgiker und Technikbegeisterte. Schön, wenn man einen solchen Nachkommen der Urgeneration der Walkmen hat, man kommt aber auch ohne aus.

Technische Daten laut Hersteller:
Frequenzbereich: 30 -12500 Hz
Ruhegeräuschspannungsabstand: 50 db
Klirr: 0,3% typ. Gleichlauf: 0,2% typ.
Ausgangsleistung: 2x2mW an 32 Ohm
Lithiumakku: 2000 mAh, 3,7 V
Batterielaufzeit: ca. 10 – 12 Stunden, je nach Betriebsbedingungen
Größe: 140 x 88 x33,5 mm
Gewicht 404 Gramm


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Frank


Wer aus dem Rahmen fällt, muß vorher nicht unbedingt im Bilde gewesen sein.
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#2
Hallo!

Der Youtuber "Techmoan" hat bereits ein Review-Video zu diesem Walkman erstellt. Achtung, Video ist in Englisch.
Grüße,
Wayne

Weil immer wieder nachgefragt wird: Link zur Bändertauglichkeitsliste (Erfassung von Haltbarkeit und Altersstabilität von Tonbändern). Einträge dazu bitte im zugehörigen Thread posten.
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#3
Das Gerät taucht gerade irgendwie überall auf. Es ist sicherlich auch nicht schlecht, aber ~150€ für einen simplen Kassettenspieler im Metallgehäuse?

Die Störgeräusche die im Techmoan-Video über den Kopfhörerausgang zu hören sind, scheinen bei anderen Testern nicht aufzutreten - zumindest werden sie nicht erwähnt.

In der aktuellen "Analog" gibt es ein kurzes Interview mit dem Hersteller, der schreibt, dass man bei dem Gerät ja vor allem an die Nachhaltigkeit gedacht hat. Daher auch Metallgehäuse und so. Aber hat man das wirklich? Um das Gerät zu öffnen, muss man vorsichtig die Halterung des Kassettenfachs zur Seite biegen. Die ist natürlich aus Plastik, weil Nachhaltig und so. Das wird jetzt noch problemlos gehen, aber wenn das Plastik älter und brüchiger wird, könnte das schon zum Problem werden.
Dann einige Schrauben lösen und vielleicht noch ein paar Kabel ablöten und schon ist mein beim Akku angekommen - immerhin ein Standard 18650 Akku.

Aber warum ist der eingebaute Akku in allen Tests die große Innovation? Warum nicht einfach eine Klappe für zwei AA Batterien? Da gibt es Akkus ohne Ende in dem Format und man könnte sie austauschen ohne zu riskieren, das Gerät zu zerstören.

Vielleicht alles etwas zu kritisch von mir, aber ich sehe hier nicht wirklich den Vorteil zu den ganzen anderen tragbaren Kassettenabspielern, die es zu Hauf für 20 bis 60 Euro bei den großen Händlern gibt.

Gruß
Robert
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#4
Die erfahrenen und bisweilen auch anspruchsvollen Nutzer in diesem Forum sind wahrscheinlich nunmal nicht die erste Zielgruppe einer solchen Neuentwicklung.
Ein neu produzierter DD2 oder gar ein neuer WM-D6C würden heute wohl vierstellig kosten (müssen), von der Verfügbarkeit von Dolby-Lizenzen mal abgesehen.
Vergleiche z.B. Technics SL-1210.

Schöne Grüße
Frank
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#5
(28.12.2022, 15:43)q-tip schrieb: Aber warum ist der eingebaute Akku in allen Tests die große Innovation? Warum nicht einfach eine Klappe für zwei AA Batterien? Da gibt es Akkus ohne Ende in dem Format und man könnte sie austauschen ohne zu riskieren, das Gerät zu zerstören.

Gruß
Robert

gegen AA-Batterien spricht eigentlich alles.

Eine 18650 Zelle ist nur ungefähr zehn Prozent größer als eine AA-Zelle. eine einzige 18650 Batterie hat aber 3,7 Volt Nennspannung und bis zu 4 Ah Kapazität, während drei AA-Zellen in NiMH-Technik 3,6 Volt und bis etwa 3 Ah Kapazitär schaffen.

Der Kapazitätsunterschied wiegt noch stärker, wenn man bedenkt, dass ein LiIonen Akku erst ab etwa 15% Restkapazität bei der Spannung nachlässt, während ein NiMH Akku schon bei 50% Restkapazität seine Nennspannung nicht mehr hält. Hinzu kommt noch der erheblich geringere Innenwiderstand eines LiIonen Akkus.

Weitere Faktoren sind der Memory Effekt und die Selbstentladung. Da waren die NiMH Akkus zwar gegenüber den NiCD Akkus ein deutlicher Fortschritt, aber immer noch um Welten von der LiIonen Technik entfernt. Wenn ich einen Akkuschrauber mit LiIonen Akku aufgeladen ein Jahr im Keller liegen lasse, ist er danach sofort einsatzbereit, beim Gerät mit NiMH Technik sid die Akkus auf jeden Fall leer, und ich muss noch damit rechnen, dass sie tiefentladen sind, und gar nicht mehr funktionieren.

Hinzu kommt noch, dass AA Akkus 1,2 Volt Nennspannung pro Zelle haben, Primärbatterien aber 1,5 Volt. Gerade bei Geräten, die nur mit zwei Batterien bestückt sind, kann es sein, dass ich mit voll geladenen Akkus schon am unteren Toleranzbereich der Betriebsspannung liege, und das Gerät bei 80% Restkapazität schon nicht mehr vernünftig spielt. Wenn ich an die ganze Akkupflegerei und ständige Austauscherei denke, und mir dann ansehe, wie unkompliziert das alles mit LiIonen Akkus ist, dann kann ich da auch nur einen großen Fortschritt sehen. Was man vielleicht noch verbessern könnte, wäre, die Zelle leichter austauschbar zu machen. Ich habe aber ehrlich gesagt noch keinen LiIonen Akku gehabt, der wirklich mal kaputtgegangen wäre - ganz im Gegensatz zu den NiMH-Akkus. Unsere Schnurlostelefone sind ca. zehn Jahre alt, und haben mittlerweile ihren vierten Akkusatz.

Gruß Frank
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#6
So ein Serge begleitet mich seit ein paar Wochen. Störgeräusche wie bei Techmoan produziert mein Exemplar keine. Dafür sind die Wow & Flutter-Werte manchmal nah an der Schmerzgrenze, manchmal in Ordnung: Je nach Lage/Ausrichtung des Geräts, Temperatur und Anfang/Ende der Cassettenseite jault er mal mehr, mal weniger, mal gar nicht.

Der Akku hält wirklich lange durch: Am Anfang einmal komplett aufgeladen, mußte ich bis jetzt, etwa 20 Cassetten später, noch nicht nachladen. (Nein, er jault nicht wegen schwächelnder Batterie, sonst täte er das nicht bei angeschlossener Stromquelle.)

Das Gerät macht schn Spaß, aber mehr als die 89 Euro Vorbestell-Preis wäre es mir auch nicht Wert gewesen. Tolles Design, leider lausiges Laufwerk.

Dolby ließe sich durchaus noch einbauen, man darf nur den Namen und das Logo nicht mehr verwenden wenn ich die zahlreichen Diskussionen um das Thema richtig verstanden habe. Aber ich vermisse es ehrlich gesagt nicht bei so einem Gerät: Die meisten älteren vorbespielten Cassetten klingen ohnehin etwas zu dumpf, bei denen mit Chromdioxid-Band funktioniert die Dolby-Decodierung auch nicht mehr korrekt, und meine Eigenaufnahmen sind meistens ohne Rauschunterdrückung.

Viele Grüße
Martin
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#7
Kirunavaara schrieb:Dolby ließe sich durchaus noch einbauen, man darf nur den Namen und das Logo nicht mehr verwenden wenn ich die zahlreichen Diskussionen um das Thema richtig verstanden habe. Aber ich vermisse es ehrlich gesagt nicht bei so einem Gerät: Die meisten älteren vorbespielten Cassetten klingen ohnehin etwas zu dumpf, bei denen mit Chromdioxid-Band funktioniert die Dolby-Decodierung auch nicht mehr korrekt, und meine Eigenaufnahmen sind meistens ohne Rauschunterdrückung.

Gibt es denn bereits so ein Gerät mit Dolby "ohne Lic. bzw. Aufdruck"?
"Früher" fand ich Dolby bei Kopfhörerbetrieb ob der Rauschwahrnehmung immer wichtiger als via Lautsprecher.
Heute zumeist auch lieber ohne.

Schöne Grüße
Frank
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#8
Ja, bei manchen Cassettengeräten der letzten 15 Jahre gibt es Dolby-B-Schaltungen, die nur mit "Noise Limiter" oder ähnlichen Kürzeln beschriftet sind. teilweise nur für Wiedergabe. Manchmal verbirgt sich dahinter allerdings ein nicht Dolby-kompatibles System, ähnlich wie Philips DNL.

Welche Geräte das genau sind, habe ich leider nicht im Kopf, meine aber, irgendeins dieser neuzeitlichen Tascam-Geräte war auch dabei, oder ein paar dieser Doppel-Cassettendecks, die unter zig verschiedenen Namen verkauft wurden.

Viele Grüße,
Martin
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#9
merci Martin
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