Lieber Michael,
eigentlich weiß ich nicht so ganz genau, wo das Problem liegt, denn einerseits schreibst du, dass die Dame "Technik satt" an Land gezogen habe, andererseits möchte sie wissen, "mit welcher Verstärker- und Lautsprecher
technologie" die NS-Granden ihre Orgien inszenierten. Das geht zum einen direkt aus den Lieferverzeichnissen der Telefunken GmbH und zum anderen den gleichzeitig in den "Telefunken-Nachrichten" publizierten wissenschaftlichen Aufsätzen hervor.
1931 war ja im Firmengeflecht von AEG, Siemens und Telefunken wieder einmal ein wenig Ordnung gestiftet worden, so dass die Technik, wenn nicht von Telefunken kommend, so doch von dieser Firma vertrieben wurde. Diesem Prinzip blieb man unter der Telefunkenraute ja länger treu.... Von Kleinanbietern mit Sonderaufgaben abgesehen (z. B. Oskar Vierling, dem Konstrukteur der ersten elektronischen Orgel) war Telefunken also technische Schaltstelle für solcherart elektroakustische Großunternehmungen.
Die NS-Verwaltung verwendete dabei alles, was gut und teuer war, "man kalkulierte nicht, man befahl" (sagte mir einmal ein damals allerdings noch sehr junger, aber aufmerksamer Zeitzeuge, der heute zu den Grandseigneurs der Tonstudioszene gehört); wer wäre sonst außer Militär, Rundfunk und Film Abnehmer für diese Anlagen gewesen?
Nachdem Großanlagen erst an wenigen Plätzen fest installiert waren (Reichstag), dürften die Beschreibungen des Reichsautozuges (und der anderen, ähnlichen Einheiten) etwa den Rahmen abstecken, den man mobil abzudecken in der Lage war, wogegen die 1-kW-Verstärker-Großanlagen von Telefunken V303/V719) wohl zeigen, was bei Festinstallationen (Nürnberg, Reichsparteitag) möglich war.
Schon seit 1931/32 hatte man sich um eine Erweiterung des Beschallungsfrequenzbereiches auf 6 bis 10 kHz bemüht und zusätzlich erhebliche Erfahrungen in der dezentralen Beschallung (nach Walter Weber übrigens mit Verzögerungsleitungen!) gewonnen. Da die bekannten dezentralen Telefunken-"Beschallungsampeln" nur sehr begrenzte Belastbarkeit (20 Watt) aufwiesen, müssen diese zu großen Netzen zusammengeschaltet gewesen oder mit dezentralen, angepassten Klein-Verstärkern betrieben worden sein. Die Ampeln sind in den Filmaufnahmen der Massenaufmärsche oftmals zu erkennen, was dann ja die Beschreibungen der Aufsätze in den Telefunken-Nachrichten illustrieren sollte.
Große Euronortrichter sind mir in einschlägigen Filmen nie aufgefallen.
Pits Hinweis trifft ins Schwarze, wobei auf der genannten Seite noch andere Bereiche für das Thema in Frage kommen, was prinzipiell auch immer mit Literaturhinweisen belegt ist:
http://www.medienstimmen.de/ela/pa/chronik/main.htm
Sollte es aber jener Australierin in Amsterdam um Sammler, deren Wissen und Erfahrungen bei Reparatur und Erforschung der Herkunft des Sammelgegenstandes gehen, müssten beim Historical Committee der AES
http://www.aes.org/aeshc/
(das ich diesbezüglich nicht primär angehen würde, denn dort hat man auch alles erst aus zweiter Hand) aber jene Sammler bekannt sein, die zumindest einige Reste dieser Gerätschaften festhielten, denn sie waren an diversen 'Conventions' beteiligt. Ansonsten denke ich, dass Nachfragen zur ja nach Mai 1945 obsoleten und damit weitgehend verschrotteten 'Hartware' in Berlin beim Deutschen Technikmuseum (J. Hoppe) vielleicht das eine oder andere magazinierte Anschauungsstück ebendort ans Licht holen könnten. Nachdem du aber in Berlin ein- und ausgehst, nehme ich an, dass all dies längst erfolgt ist.
Angesichts der zeitgenössischen Beschallungstechnik dürfen wir die durch das damals seit 1925 im Umbruch befindliche deutsche Stromnetz (220 V= -> 220 V ~) gegebenen Engpässe nicht übersehen, weil z. B. die hohen Anodenspannungen im Falle eines Gleichspannungsnetzes nur durch rotierende Umformer bereitzustellen waren, weshalb man primär auf den Umformer setzte. Zum Reichsautozug gehörte daher auch ein regelrechter Umformersatz.
Analysiert man den en detail bekannten technischen Hintergrund, bleiben kaum mehr Möglichkeiten für die Beschallung von NS-Großveranstaltungen offen, als diejenigen, die man beschritt.
Hans-Joachim