Moin, moin,
das Wochenende ist zuende und somit auch die Norddeutschen HiFi-Tage für das Jahr 2016.
Diesmal waren auf der gleichen angebotenen Fläche merklich weniger Aussteller vor Ort gewesen, als im letzten Jahr, was auch daran gelegen haben mag, dass solcherart Veranstaltungen inzwischen in immer größerer Anzahl und damit zeitlicher Enge stattfinden und die Aussteller inzwischen im "Messe-Streß" sind, wie ein "Plattenhändler" am Samstag bemerkte.
Zudem sind vor allem für die einheimischen Hersteller hochpreisiger Produkte die Präsentationen in Asien oft wichtiger, als hierzulande. Liegen die Termine zu eng, geht man halt dorthin. Und wer aus dem Westen kommt, für den ist sowieso Karneval gewesen ...
Zuschauer, so hatte ich den Eindruck, waren vor allem am Samstag weniger da gewesen. Das hat jedoch manch Aussteller anders gesehen.
Auch diesmal waren die Norddeutschen HiFi-Tage richtige "Hi-Fi-Tage" gewesen. Kinoton-Systeme wurden bestenfalls erwähnt und auch Multiroom-Lösungen oder USB-Boxen waren kaum vertreten. Auch die reinen Zubehör-Hersteller schienen mir diesmal in geringerer Zahl teilgenommen zu haben.
Natürlich waren die deutschen Hersteller, wenn auch nicht komplett, so doch dominant anwesend gewesen. Auch die Briten waren wieder in großer Zahl präsent. Hatte ich im letzten Jahr den Eindruck gehabt, es hätten besonders viele Italiener teilgenommen, habe ich die diesmal nicht wahrgenommen. Dafür waren die französischen Firmen deutlich hörbar; mehr, als beispielsweise die Skandinavier.
Die internationalen Serien-Hersteller scheinen wenig Interesse an dieser Veranstaltung zu haben. Zwei japanische Firmen mit ausgesprochenem Qualitäts-Ambiente waren anwesend. Ansonsten kamen auch aus Japan sehr spezielle Angebote. Die USA waren kaum wahrnehmbar, dafür, mit wirklich interessanten Produkten, Hersteller aus Kanada.
Als Zuspiel-Quelle rückt der CD-Player immer weiter in den Hintergrund. Zur Vorführung eines Paares Boxen fragte die Promoterin einen Interessenten, ob der seine Musik mitgebracht habe. Als der eine CD aus der Tasche holte, reagierte sie, sie hätte "nur" einen Plattenspieler angeschlossen. Nachdem sie die Antwort auf ihre Frage, was der Interessent denn gerne hören wolle, zweimal mit "hab ich nicht" hatte beantworten müssen, mussten erst einmal das Smart Phone und ein Streaming Dienst herhalten.
Natürlich sind immer noch CD-Player zur Vorführung aufgestellt gewesen, werden sogar neu reine CD-Player angeboten. Doch nehmen die Streaming-Server in der Vorführung genau so zu, wie analoge Quellen: In fast jedem Zimmer stand inzwischen ein Plattenspieler und neben der obligatorischen
Ferrograph Logic Seven von Dr. Schwäbe waren diesmal Revox, Teac und eine Nagra zum Vorführ-Einsatz gekommen, waren darüberhinaus weitere Revox, Nagra, Stellavox usw. zumindest als Schaustücke aufgestellt. Als ein Interessent heute danach fragte, holte Dr. Schwäbe dann auch eine
Uher Report hervor.
In diesem Zusammenhang konnte man erfahren, eine komplette Restaurierung einer Studer koste etwa ab 1.600€. Dazu kommt der Anschaffungspreis des gebrauchten Gerätes. Auch das gibt es also noch auf solcher Messe; und nicht nur von einem Anbieter.
Erfreulich übrigens, dass ein Hannoveraner Röhren-Freund, ebenso wie ein niederländisches Musik-Label, inzwischen bespielte Tonbänder zum Kauf im Angebot haben. Der Kurs liegt momentan, hier wie da, bei um 150€ pro Band bei Einzelabnahme.
Die Niederländer hatte die Plattenaufnahme direkt neben dem Band liegen gehabt, und das zu einem deutlich niedrigeren Preis. Wer das beanstanden will, der sollte bedenken, solche Tonbandaufnahmen werden nicht auf einer Presse in großer Stückzahl, heute nicht einmal mehr in einer Kopierstraße hergestellt, sondern Band für Band direkt vom Master kopiert.
Neben den Plattenspielern in der Vorführung sind inzwischen überall auch Plattenspieler zum Kauf im Angebot. Neben einer zunehmenden Zahl teils exorbitant teurer Geräte nimmt auch die Anzahl von hochwertig aussehenden Plattenspieler zu, die "bezahlbar" erscheinen. Was man so "bezahlbar" nennt.
Preiswerte Dreher, wie man sie zu Hauf in den siebziger und achtziger Jahren gesehen hat, scheint es bestenfalls noch in Form der Technics-Clone aus Fernost zu geben. Ansonsten leben bekannte Namen wieder auf. Neben den neuen PE hat Panasonic das erste mal in Deutschland den neuen Technics-Dreher gezeigt. Natürlich wieder mit Direkt-Antrieb.
Neben den Plattenspielern waren andere Quell-Geräte in der Ausstellung weiterhin von eher untergeordneter Bedeutung geblieben. Digital-Tuner und Internet-"Tuner" waren ebenfalls bestenfalls nur "da" gewesen, ebenso wie CD-Player. Musik-Server waren zwar ein Thema, wurden aber ebenfalls eher defensiv präsentiert. Es scheint, die Branche hat weitgehend vor den Streaming-Diensten und den Smart Phone-Anbietern kapituliert.
Wer das nicht will, der greift zum Plattenspieler.
Die Präsentation kann man im Prinzip in drei Gruppen teilen: ein Viertel machen die Zubehör- und die Medien-Anbieter aus, ein Viertel die reinen Präsentations-Stände für Elektronik, und die verbleibende Hälfte waren hörbare Vorführungen, in denen in der Regel Lautsprecherboxen im Vordergrund standen.
Lediglich an zwei Stellen habe ich Zubehör-Anbieter entdeckt, die versucht haben die positive Wirkung ihrer Produkte zu belegen: Ein britischer Hersteller von Netzfiltern hat auch diesmal wieder A/B-Vergleiche vorgeführt und ein Anbieter von Phono-Racks hat verwunderten Kunden präsentiert, wie sich der Klang eines preiswerten CD-Players, abgehört über Kopfhörer, ändert, wenn man ihn vom Sessel auf das angebotene Rack stellt.
Ob das jedoch bei jeder Aufnahme klappt, oder nur bei bestimmten Referenz-Recordings, von Interpreten die ich nicht kenne und vielleicht auch nicht mag, deren Platten ich mir also wohl nicht kaufen werde, habe ich nicht hinterfragt.
Kabel waren natürlich überall und in üppigen Dimensionen vorhanden. A/B-Tests von Kabeln, Steckern, Kabel-Haltern usw. habe ich jedoch nicht gesehen. Dafür hat ein Zubehör-Händler ein Kontaktspray im Programmm, das den Kabel-Herstellern das Fürchten lehren können soll. Sprüht man mit dem Wundermittel die Stecker und Buchsen ein, würde das hörbare Verbesserungen bringen, die weit über jedem Effekt der Superdupel-Kabel lägen. Ein hübsches Geburtstagsgeschenk für den, der schon alles hat.
Eine mir sympatische "Antwort" hat ein englischer Promoter eines britischen Lautsprecherherstellers gegeben, der in der Präsentation meinte, nicht die Elektronik oder die Kabel seien die Schnittstelle zwischen Musik und Ohr, sondern der Lautsprecher. Nur dort könne man sinnvoll ansetzen, um den Klang zu verbessern. Er setze "ganz normale", sicher vernünftige Kabel ein. Und das Ergebnis war nicht weniger überzeugend, als manch Äußerung mit dicken Kabeln angeschlossener Boxen.
Übrigens haben die Klangschalen, handgedengelte Metall-Resonatoren, die man irgendwo in den Raum stellen kann, inzwischen kleine Geschwister bekommen. Wie die kleinen Würfel noch "klingen" können sollen, ist mir ein Rätsel. Aber wer an das eine glaubt, der glaubt sicher auch an das andere. Noch ein Weihnachtsgeschenk für den, der schon alles hat.
Ebenso die DVD eines HiFi-Magazins, mit hochbit-digitalsierten Aufnahmen der Abspielung von zwölf prominenten Plattenspielern. Wer sich die nicht leisten kann, kann sie sich jetz auf seinem Computer anhören. Ich bin sicher, im kommenden Jahr kommt die Aufnahme auf Schallplatte heraus ...
Apropos Kabel: Spannend fand ich eine Verkabelung, bei denen die Kinderarm-dicken Zuleitungen so lang gewesen waren, dass sie gewunden zwischen Endstufe und Boxen zu liegen gekommen wären ... hätte der weise Techniker nicht Kabelständer zur Hand gehabt, die verhindert haben, dass die Windungen einander berühren. Noch ein Weihnachtsgeschenk für den, der schon alles hat.
Aber solche Dinge waren tatsächlich in der Minderheit und sind für diese Veranstaltung nicht bezeichnend. Sie fallen halt auf, zwischen all den recht gleichartig aussehenden Gehäusen von HiFi-Geräten.
Bezeichnend ist, dass selbst die Hersteller, die echte "Männer-Boxen" im Programm haben, diese nicht mehr präsentieren. Nur ein Hersteller hatte seine "Große" dabei. Ansonsten wurde vielerorts präsentiert, was die ganz Kleinen können. Und das ist beeindruckend.
Allerdings wird nur selten freiwillig Auskunft darüber erteilt, ob die gezeigten Boxen ihre Leistungen nativ erbringen, oder ob immer und zwingend eine spezielle Ansteuer-Elektronik zum Einsatz kommen muss.
Das Elektronik auf dem Vormarsch ist, konstatierte ein deutscher Hornlautsprecher-Hersteller unmissverständlich. Er ist der Meinung, in spätestens zehn Jahren gäbe es nur noch digitale - gemeint sind aktive und elektronisch entzerrte - Boxen; es sein verwunderlich wie viele Firmen in die Entwicklung von Technik von vorgestern investieren. Dem wiedersprach der britische Hersteller, der einen A/B-Vergleich mit und ohne DSP vorführte. Trotz schlechter Akustik im Hotelzimmer favorisiere er die Lösung ohne DSP. Die klänge lebendiger, dynamischer.
Auf meine Frage an einen Anbieter einer solchen DSP-Lösung - der seinen Verstärker damit feil bot, der würde jedes Raumproblem lösen ohne Einfluß auf die Boxen-Charakteristik zu nehmen - wie das funktioniere, wenn er nur den Raum messe und nicht zumindest das Nahfeld, konnte mir der arme Verkäufer keine Antwort geben. Wie soll das gehen?
Was bleibt ist die Erkenntnis, Musik klingt in jedem der Vorführräume, trotz passiver und aktiver Korrektur, anders. Offensichtlich haben auch Mitte des zweiten Jahrzehnts dieses Jahrtausends die Boxen-Entwickler ganz eigene Vorlieben, die sie umsetzen. So habe ich einen Elektrostaten gehört, der überraschend viel Baß kann, der aber im Hoch- und im Tieftonbereich ein deutliches Umgleichgewicht im Punkt "Attacke" zeigt, was zu einem charakteristischen Klangbild führt.
Insbesondere "unten rum" ist die Interpretations-Vielfalt weiterhin groß. Zu meiner fast schon Überraschung kann auch das zu einem druchaus nervigen Klangbild führen. Aber was richtig und was falsch ist, sieht auch hier wohl jeder anders.
Weiterhin gibt es gerichtete Lösungen, weiterhin omnidirektional strahlende Boxen. Weiterhin gibt es Lautsprecherboxen, die richtig alte Aufnahmen noch in der "Wärme" im Grundtonbereich übertreffen wollen und auf eine akzentuierte Impulsdarstellung verzichten, stattdessen Lautsprechermembranen sichtbar schwabbeln lassen.
Eine weitere Boxen-Vorführung hat mir wieder einmal deutlich gemacht, wie der Stand der Dinge ist: Zwei Interessierte lauschten der Vorführung eines Promotors, der eine alte Aufnahme vorführte. Als der eine Interessent dann das Klangbild der teuren Boxen beanstandete, warf der Verkäufer etwas verärgert ein, das sei doch eine Mono-Aufnahme gewesen, und erklärte, die selbe Aufnahme hätte es auch in Stereo gegeben. Nachdem er diese dann sofort von seinem Server abgerufen hatte, begannen die Gesichter der beiden Zuhörer zu strahlen. "Das klingt doch viel besser" ... worauf hin der Promoter reagierte, dass die Stereo-Aufnahme ihm überhaupt nicht gefalle, weil der "Raum" künstlich klänge, am Mischpult erzeugt worden wäre.
Der Stand der Dinge ist also weiterhin, es fehlen bei der Veranstaltung die Aussteller mit den neuen Musikhör-Ohren nach DIN, die man sich zumindest ausleihen kann. Solange die nicht angeboten werden, müssen wir wohl damit Vorlieb nehmen, dass Boxen-Entwickler machen können, was sie wollen, solange es irgendjemandem gefällt oder so lange es sich der Irgendjemand einreden lässt, dass es ihm gefällt.
Kein Wunder, dass die Schar Bandgeräte von Dr. Schwäbe die größte Zahl von Fotografen auf der Veranstaltung angezogen hatte ...
Mir haben ein Paar kanadische Boxen gut gefallen, bei denen ein Breitbänder und ein zusätlicher Hochtöner, ohne Frequenzweiche, eine beeindruckend präzise Stimmenwiedergabe in den Raum gezaubert hatten.
Mir haben ein Paar japanischer Boxen mit nur einem Chassis gefallen, die bei überragender Impulstreue, einen hohen Frequenzumfang hatten abbilden können, dabei, in Folge der speziellen Gehäuse-Konzeption, absolut resonanzfrei sein sollten und das auch andeuten konnten.
Vor allem hat mir das Angebot eines Kieler Herstellers gefallen, meine fünfundzwanzig Jahre alten Bändchen-Hochtöner zu überholen. Das sei überhaupt kein Problem.
Tschüß, Matthias