Telefunken Magnetophon 85 KL
#1
Da ich nun schon seit Jahren begeisteter Leser diverser Vorstellungsberichte bin, wollte ich hier zu Beginn auch gleich einen schreiben und somit etwas zurückgeben.
Wer sich meine Vorstellung durchlesen möchte, hier ist der Link: https://tonbandforum.de/showthread.php?tid=30919


Vorgeschichte:
Seit Frühjahr 2021 bin ich stolzer Besitzer eines Magnetophon KL65 KX. Das Gerät hatte ich unter anderem deshalb gekauft, da ich stark vermutete, dass mein Uropa (den ich leider nie kennenlernen durfte) ein solches besessen hat. Ich hatte von meinem Großonkel viele Tonbänder bekommen, einige mit Telefunken-Spule, nie mehr als mit 13 cm Spulendurchmesser und immer mit den Geschwindigkeiten 4,75 und 9,5 cm/s aufgenommen. Dazu die älteste Aufnahme vom April 1958, daher auch vom Baujahr her übereinstimmend. Seines muss aber irgendwann (vermutlich Anfang der 70er) weggekommen sein, als es durch ein Grundig TK 2400 FM mit eingebautem UKW-Radio ersetzt wurde. Also sollte der Kauf des (vermutlich) baugleichen Gerätes eine Hommage an meinen Uropa darstellen. Natürlich neben meinem technischen Interesse an einer Röhrenschleuder aus dem Hause Telefunken.  Big Grin

Nach der Restauration (Kondensatorkur, Wartung der Mechanik, Reinigung der Röhrenpins etc.) spielte es über drei Jahre wieder ganz munter, leider nur auf 9,5 cm/s, da der Schwungscheibenriemen schon etwas ausgeleiert war. Nachdem vor einigen Wochen der Motorriemen gerissen war, opferte ich 26,90 Euro und bestellte in der Bucht einen neuen Riemensatz. Seitdem kann ich auch 4,75 cm/s nutzen, was ich aber aus Klanggründen nicht mache. Auf 9,5 cm/s macht die Kiste aber ordentlich Krach.

   

Übrigens: Das Ding war mal in einer Schule im Einsatz, erkennbar an der eingeritzten Kennzeichnung "BBS II NOM -105-" ("Betriebsbildende Schule zwei; Raum 105"). Ursprünglich war sogar ein Prüfsiegel mit dem Jahr 1999 drauf, das Teil wird also wohl ein paar Jahrzehntchen in Betrieb gewesen, oder wenigstens dafür zugelassen sein. 2021 hatte es dann ein Lehrer in die kleine Bucht für einen akzeptablen Preis eingestellt, wo ich es dann erwarb. Ich bin dem guten Mann bis heute noch dankbar, dass er es nicht weggeschmissen hat.


So weit so gut. Doch irgendwann weckte der große Bruder des KL65, das Magnetophon 85, mein Interesse. Größere Spulen, höhere Bandgeschwindigkeiten, besserer Frequenzgang, Klangregler, besserer Klang...

So war´s dann um mich geschehen. Obwohl ich Platzmangel hatte (und weiterhin habe...), musste ein Magnetophon 85 her! Aber bitte nur die alte Version, mit elfenbeinfarbener Abdeckung, die anderen sehen zu modern aus!  Wink

Auch in diesem Fall wurde ich in der kleinen Bucht fündig. Der Verkäufer meinte, Wiedergabe würde noch funktionieren. Für 45 Euro inkl. Versand wechselte es den Besitzer.

Gut verpackt trudelte das gute Stück dann einige Tage später bei mir ein.

   

Ein ziemlicher Brocken würde ich meinen, das Ding nimmt fast meinen halben Schreibtisch ein!

Die Oberseite präsentierte sich als gut erhalten, keine Fehlteile:

   

Als nächstes wurde die Mechanik begutachtet:

   

Der Motorriemen wurde scheinbar schon mal nachgespannt, gut an den drei Schrauben am Motor zu erkennen.

Hier das massive Holzgehäuse mit der Endstufe. Der Schaumstoffring am Motor wurde schon vom Vorbesitzer (oder wem auch immer) ersetzt, der gerne zerbröselt und die Lamellen des Lüfterrades verstopft. Das ist auch einer der Gründe, wieso einige dieser Motoren den Hitzetod sterben mussten.

   

Das Chassis, nach Abnahme des Abschirmungsbleches. Hier kann man oben rechts schon einige neue Kondensatoren erkennen, rote Wima-Klötzchen und Erofol II. Letztere tausche ich mittlerweile auch pauschal aus. Obwohl es sich um Folienwickler handelt, soll es schon vereinzelt Ausfälle gegeben haben.

   

Die separate Endstufe. Auch hier wurden schon einige Kondensatoren getauscht.

   

Nach dem Aufschreiben sämtlicher Werte der auszutauschenden Papierwickler und Elkos bestellte ich diese. Ich verwende (wie auch bei Röhrenradio-Restaurationen) bevorzugt die schwarzen, axialen Typen.

Hier die neu bestückte Endstufe:

   

Nach dem Wechsel der restlichen Bauteile im Chassis tauschte ich noch die nachträglich eingebaute EM72 durch eine originale EM71a (aus einem vor zwei Jahren ausgeschlachtetem Magnetophon 75) und baute das Chassis wieder ins Gehäuse ein.

Nun schaltete ich das Gerät erstmals ein. Der Motor begann zu drehen und die EM kam langsam zum leuchten.

Ein Abspielen fremdbespielter Bänder war direkt möglich, allerdings mit stark schwankender Geschwindigkeit. Umspulen ging nur sehr eingeschränkt, da der Motorriemen schon ausgeleiert war. Aufnahme funktionierte gar nicht, ein bespieltes Band wurde aber gelöscht.

Dann, während des Abspielens eines Bandes, wurde das Ding leiser und leiser. Dazu wurde die EM dunkler.

Himmel und Zwirn!  Angry

Als erstes hatte ich die beiden Gleichrichter in Verdacht. Also Chassis wieder raus, neue Siliziumgleichrichter mit Anpasswiderständen rein und ohne Endstufe angeschlossen. EM fängt wieder an zu leuchten! Moment der Erleichterung. Dann Endstufe angeschlossen, zack, EM wird wieder dunkler. Mist. Schnell ausgeschaltet und Röhren (ECC83 und 2x EL95) gezogen. Dann Endstufe wieder vom Chassis getrennt und nach Aufheizzeit wieder angeschlossen. EM wird wieder Dunkel!

Sach ma...

Also als nächstes Anodenstromkreis getrennt. Immer noch Spannungszusammenbruch. Also musste es der Heizkreis sein. Messgerät bestätigte hier einen Kurzschluss. Also Messgerät auf "Pieps-Modus" gestellt und an der Leitung gerüttelt. Dann, auf einmal, kein Kurzer mehr. Ursache: Ein leerer Masselötpunkt, der von Telefunken als Leitungshalter missbraucht wurde, hatte frech die Isolierung der Heizleitung beschädigt und munter einen Kurzschluss verursacht!

Nach Beseitigung lief alles wieder wie gewohnt.  thumbsup

Nachdem ich noch neue Riemen bestellt und eingebaut hatte, war auch das Problem mit der schwankenden Wiedergabegeschwindigkeit weg und Umspulen ging auch wieder schön flott.

Aufnahme war nach Reinigung der Röhrenpins und zig-maliger Betätigung des Aufnahme-Knopfes auch wieder funktionsfähig.

Fertig!

   

Bin überrascht, wie gut diese alte Gurke läuft. Bei 19 cm/s bis 20 kHz, als 17-Jähriger hör´ ich das noch.  Big Grin
Aber auch mit 9,5 cm/s (bis 15 kHz) sind beachtliche Aufnahmen zu erreichen.

Hier dazu ein Video, natürlich mit zeitgenössicher Hammondorgel-Musik aus den frühen 60ern. Mag aus heutiger Sicht wohl etwas schaurig klingen, aber egal. Passt wenigstens zum Gerät. Hoffentlich werde ich nicht von der GEMA gelyncht.

https://www.youtube.com/watch?v=9pWSW2kCyZg

Ein Problem gibt´s aber: Wie schon weiter oben erwähnt, ist das Teil ein richtig fetter Oschi und Sackschwer. Hier mal im Vergleich mit meinem KL 65 und meiner Hand:

   

Hoffe, ich konnte den ein oder anderen unterhalten und vielleicht sogar zum schmunzeln bringen.  Wink

Gruß
Tristan
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#2
Hallo Tristan,
ich bin begeistert und sprachlos von deiner Vorstellung des Magnetophon 85.
Das hast du sauber wieder zum Laufen bekommen, meinen Respekt.
Der Schaumstofftunnel muss bei allen alten Geräten erneuert werden damit die Ansaugluft ordentlich vom Lüfterrad im Gerät verteilt wird.
Auch den Ersatz der alten ERO-Papierkondensatoren hast du sehr gut gemeistert.
Und den Kurzschluß-Fehler mit der aufgescheuerten Isolierung zu finden ... gleichfalls Respekt.
Da kann ich nur schreiben: "Weiter so!"

Gruß Jan
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#3
Tristan,

in meiner Jugend hatte ich diese beiden TFK-Geräte auch. Die M85 bekam ich von meinem Lehrer für Geschichte um 1975 geschenkt mit der Auflage, es zu reparieren und dann damit für seine Unterrichtsstunde ein fiktives Interview auszuarbeiten. Die kleine M65 kam vom Flohmarkt um 1977 (Solinger Zöppkesmarkt) dazu. Sie wurde zur "Reportagemaschine", d.h. immer wenn ich die Großeltern besuchte, kam die mit (praktisch war der Koffer ja für 2 zusätzliche Bänder in den Fächern rechts u. links). Da sich meine Großeltern trefflich streiten konnten, lief das Ding so manches mal mit geschlossenem Deckel verdeckt mit. Es hat es überlebt; eine dieser Aufnahmen existiert noch heute (nicht zur Veröffentlichung geeignet!).


Martin
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#4
Hallo ihr beiden!
Freut mich, dass mein Bericht gefällt.

@Jan
Durch die Reparatur inzwischen vieler Röhrenradios (2020 ging die Löterei los...) habe ich im Laufe der Zeit vieles gelernt, unter anderem die Ruhe zu bewahren, wenn etwas nicht gleich klappt, siehe den Kurzschluss der Heizleitung. Das mit dem Lüfterrad ist von AEG/Telefunken gut durchdacht gewesen, der Schaumstoffring ist da die einzige Schwäche. Die hatten zu ihrer Verteidigung aber damals bestimmt nicht bedacht, dass 65 Jahre später einige Tonbandenthusiasten immer noch versuchen werden, diese Geräte in Betrieb zu nehmen.

@Martin
Interessante Erlebnisse hattest du mit den Geräten. Besonders das mit dem KL65 und den Großeltern stelle ich mir amüsant vor. Ich selber habe meines am letzten Schultag vor den Ferien (12.7.) mit in die Schule genommen. Ein bespieltes Band, ein leeres Band und ein Mikrofon natürlich auch. Da hat die Klasse (inkl. die Lehrer) auch erstmal gestaunt, dass ich solch krude Technik reparieren kann, und dass das Ding gar nicht mal so schlecht klingt.

Gruß
Tristan
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#5
(22.07.2024, 19:56)TonbandHesse schrieb: Das mit dem Lüfterrad ist von AEG/Telefunken gut durchdacht gewesen, der Schaumstoffring ist da die einzige Schwäche.
Das war zur damaligen Zeit eine durchaus pragmatische Lösung.
Selbst in den höherwertigen Geräten, Telefunken M24 und M26, ist der Lüftungstunnel mit Schaumstoff abgedichtet.
Kann man jederzeit erneuern, kein Problem.

Gruß Jan
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#6
Hallo, ich freue mich mit über das schöne M85, mein erstes hatte ich auch mit 17, aus dem Fundus meiner Schule herausgekungelt,
weil damals (1980/81) sich keine S** mehr für Tonband als Wiedegabemedium interessierte.

Mal sehen, wie viele Geräte noch dazukommen ;-)

Gruß
Peter S.
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#7
Hallo Peter!

Super, dass du das 85er damals gerettet hast, wäre ansonsten vermutlich irgendwann entsorgt worden.

Ob noch weitere Geräte dazukommen... bestimmt! Allerdings hat man mit 17 Jahren nicht den Platz, den man sich eigentlich wünscht, also heißt es weiterhin dreimal überlegen, bevor man sich was kauft, mag es noch so verlockend sein. Da muss dann schon mal ein Gerät wieder gehen, obwohl es einem schwerfällt (z.B. vor nicht allzu langer Zeit einen neuwertig erhaltenen, komplett restaurierten Grundig 5088).

Übrigens: Deine Gerätevorstellungen fand (und finde) ich immer besonders interessant, schön locker geschrieben und auch mal mit einer netten Schweinerei versehen. (Wenn ich da nur an das schwangere Uher Report denke...)

Gruß
Tristan
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#8
Leider ist das Gerät nur mono. Ich hatte auch so eins, mit 15 vom Flohmarkt gekauft. Sollte natürlich einwandfrei funktionieren. Der Motor war festgegammelt und der Tastensatz total im Eimer. Ich habe es repariert, so wie ich das eben konnte und irgendwann den gesamten Tastensatz ausgetauscht. Das Gerät habe ich Ende der 90-iger entsorgt. Die Endstufe mit den zwei EL 95 ist aufwendig gewesen und das Gerät klingt wirklich hervorragend. Durch das Fehlen eines Reibrades für den Capstan-Antrieb ist es auch sehr laufruhig gewesen.
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#9
Dass das Gerät nicht stereo ist, stört mich nicht groß. Durch meine Röhrenradios bin ich an mono gewöhnt.

Diese Motoren sitzen gerne fest, wenn das Gerät länger nicht benutzt wude. Bei meinem 85er lief der Motor schon vor der Restauration butterweich, der Vorbesitzer hatte es ja auch noch ab und an benutzt. Einen festgesetzten Motor hatte ich allerdings bei meinem KL65, was ich aber damals mit entsprechenden Schmiermitteln beheben konnte.

Den Austausch des Tastensatzes stelle ich mir sehr kompliziert vor. Schade, dass du es damals entsorgt hast, aber da galt es halt noch nicht als "Vintage-HiFi", waren noch zu wenige Jahre seit dem Baujahr vergangenen.

Gruß
Tristan
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#10
Der Austausch war sehr einfach, wenn ich mich richtig erinnere. Das Gerät hat ja einen Elektromagneten für den Capstan-Antrieb.
Das galt damals eben als alte Technik und war nicht mehr zeitgemäß, und ich hatte damals auch die Nase voll von dem alten Kram. Mir ging es damals um Musikhören ist guter Qualität und nicht um Tonbandgeräte als Sammelobjekte. Heute kann ich mir beides platzmäßig leisten.
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#11
Auch von mir ein Dankeschön für den interessanten Reparaturbericht.

Und noch eine Frage: Hast Du bei Deinen Basteleien Hinweise auf die Baujahre der Telefunkens gefunden?

Im Forum werden diese Informationen zusammen mit den Seriennummern zusammengetragen.
Zusammenhang Seriennummer - Produktionszahl (tonbandforum.de)

Interessant wären auch Angaben zu dem Schlacht-M75, wenn davon noch etwas übrig ist. Denn wenn es noch eine EM 71 hatte, war es ein frühes Exemplar. Davon fehlen in der Liste noch Seriennummern.

Gruß
TSF
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#12
Hallo TSF!

Gerngeschehen, mir macht das Schreiben ja selbst Spaß.  Smile

Vom Magnetophon 75 hatte ich nur die Röhren aufgehoben... aus heutiger Sicht ärgere ich mich darüber, nicht wenigstens auch noch Netztrafo etc. gerettet zu haben.

Von daher kann ich zum 75er leider nichts beitragen.

Aber ich habe eben nochmal mein Magnetophon 85 auseinandergenommen, um auf den Motorkondensator zu gucken. Dieser trägt die Aufschrift 8.59. Auf der Buchsenplatte steht die Seriennummer 829887.

Zudem habe ich noch bei meinem Magnetophon KL65 KX nachgeschaut, dort steht zwischen Motor und Netztrafo 564934, der Motorkondensator sagt 3.58.


Gruß
Tristan
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#13
Oh, extra nochmal aufgeschraubt.

Danke für die Mühe! Ich nehme die beiden in die Liste auf.

Gruß
TSF
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