Habe für die Ineressierten mal ein wenig Information über die komplexe Problematik der Aussteuerungsmessung zusammengetragen:
Steuern wir richtig aus?
Über die richtige Aussteuerung - besser
gesagt zweckmäßigste Aussteuerung – von Bandaufnahmen wurde schon häufig mehr oder weniger heftig diskutiert.
Alle diese Diskussionen betrafen jedoch ausschließlich die zeitliche Bewertung der Aussteuerungsanzeige.
Im wesentlichen standen sich zwei Meinungen gegenüber:
Die einen traten für eine Mittelwertanzeige mittels VU- Meter bei einer zeitlichen Bewertung von 300ms ein, die anderen schworen auf die in Deutschland in Studioanlagen seit jeher verwendete Spitzenwertanzeige
(es soll im folgenden von einer Spitzenwertanzeige die Rede sein,
obgleich es sich um eine Quasispitzenwertanzeige handelt) mit einer Ansprechzeitkonstante von 10ms.
Die Abhängigkeit der Anzeige von der Impulslänge zeigt das Bild für beide Systeme.
Beiden Systemen können Vor- und Nachteile nachgesagt werden, die man durchaus gegeneinander abwägen kann, wenn man die Betrachtungsweise berücksichtigt.
Geht man von der Physiologie des menschlichen Ohres aus, so ist dem VU- Meter unbedingt der Vorzug zu geben.
Es berücksichtigt die integrierenden Eigenschaften des Ohres und kommt daher einer Aussteuerung nach der Lautheitsempfindung näher.
Auch bei der Anwendung moderner Mehrkanaltechnik kann die VU- meter- Anzeige Vorteile bringen, da bei der Aufteilung eines Orchesters in einzelne Instrumentengruppen deren verschiedener Energiegehalt mit in die Anzeige einbezogen wird.
In der Tabelle wurden nun einmal die Anzeigedifferenzen zwischen einem Spitzenspannungsmesser und einem VU-Meter bei verschiedenen Instrumenten zusammengestellt.
Die angegebenen Werte beziehen sich auf einen Dauerton (Kammerton a)
Der "Vorlauf" (Lead) betrug dabei am VU- Meter +3dB, bezogen auf einen Sinuston.
Bei normalem Programminhalt geht man in der Praxis von einem "Lead" von 8dB aus.
Trotz dieser in Bezug auf die subjektive Bewertung eines Programms bestechend scheinenden Eigenschaften des VU- Meters ist es für einen rein technisch zu kontrollierenden Aufnahmevorgang allein weniger geeignet.
Bei stark komprimiertem Programm, wie es beispielsweise moderne Unterhaltungsmusik darstellt, wird der Tonträger wegen der erhöhten Mittelwertanzeige nicht voll ausgenutzt.
Man mag einwenden, dass der dadurch bedingte verminderte Signal- Rausch- Abstand gehörmäßig nicht in Erscheinung tritt.
Dieser Einwand ist durchaus berechtigt, doch ist zu bedenken, dass man durch das VU- Meter keinen eindeutigen Aufschluß über die zulässige Magnetisierung des Bandes bei kurzen Impulsen erhält, so dass Impulsspitzen von kurzer Dauer die Magnetisierungsgrenze durchaus überschreiten können.
Dies kann unter Umständen zu Klirrverzerrungen oder zu Intermodulationen führen, die die Wahrnehmbarkeitsgrenze des Ohres überschreiten.
Die Befürworter des VU- Meters, besonders in den USA, gehen allerdings davon aus, dass Verzerrungen bis zur Dauer der Integrationszeit des VU- Meters nicht stören.
Von der rein technischen Seite her betrachtet, ist also dem Spitzenspannungsmesser der Vorzug zu geben.
Er stellt sogar die einzige Möglichkeit dar, Magnetisierungsgrenzen optisch erfassen zu können.
Außer bei der Speicherung von Signalen spielt auch die Aussteuerungsanzeige bei der Sendermodulation eine erhebliche Rolle.
Hierbei können Spannungsspitzen zu einer Überschreitung der Leistungsreserve des Senders führen.
Dies ist um so bedenklicher, als die Leistung quadratisch mit der Spannung ansteigt.
Ein weiterer Nachteil des VU- Meters ist darin zu sehen, dass wegen der linearen Gleichrichtung nur ein kleiner Dynamikbereich von maximal 20dB unterzubringen ist.
Dieser geringe Dynamikbereich lässt selbst bei komprimiertem Klassikprogramm mit einer Dynamik von etwa 40dB keine Anzeige mehr zu .
Aus diesen Gründen entschied sich auch die Mehrzahl der Teilnehmer des Fachausschusses für Akustik im deutschen Normenausschuss bei der Festlegung von Normen, die die „Aussteuerungsmesser für elektroakustische Breitbandübertragung“ betrafen, für die Beibehaltung der Spitzenbewertung als alleinige Methode zur Messung der Aussteuerung nach DIN.
Auch bei der Aussteuerungsanzeige in Heim- Tonbandgeräten mochte
man auf eine quantitative Anzeige nicht verzichten, weshalb in vielen Geräten das VU- Meter der elektronischen Anzeige mit magischem Band vorgezogen wurde.
Das galt besonders für transistorisierte Geräte.
Einen Kompromiss in der zeitlichen Bewertung erreicht man oft durch die Anwendung eines elektrischen Speicherkreises, der für eine „Impulsverlängerung“ bei unveränderten ballistischen Eigenschaften des Instrumentes und damit gleicher Einschwingzeit sorgt.
Neben der zeitlichen Bewertung spielen drei weitere Probleme bei der effektiven Aussteuerungsmessung eine wichtige Rolle:
Frequenzbewertung, Symmetrie der Anzeige und Phasenbeziehungen bei der Aussteuerung von Stereo- Programmen.
Frequenzbewertung:
In der Studiotechnik ist es üblich, dass das Aussteuerungsinstrument im frequenzlinearen Teil der gesamten Übertragungskette liegt, und zwar meistens am Mischfeldausgang.
Das hat zur Folge, dass eine nach dem Aussteuerungsinstrument folgende
Frequezbewertung nicht in die Anzeige einbezogen wird.
Hierbei sollen unter Frequenzbewertung nur Anhebungen bestimmter Bereiche verstanden werden.
Eine solche Anhebung findet sich aber im nachgeschalteten Aufnahmeverstärker, der eine vom Bandtyp abhängige und daher regelbare Höhenanhebung (Preemphasis) hat.
Sie soll in erster Linie die infolge Bandflussdämpfung im Band entstehenden Verluste kompensieren und einen Kurzschlußbandfluß hervorrufen, der einer festgelegten Normkurve entspricht.
Die dazu erforderliche Sprechstromerhöhung für die Bandgeschwindigkeiten 19,05 und 38,1cm/s und handelsübliches Studioband ist aus dem Bild ersichtlich.
Diesen Kurven kann man entnehmen, dass die bei 19,05cm/s für 15kHz erforderliche Überhöhung 16dB beträgt.
Da bei der Aussteuerung auf Bezugspegel die energiereichen Anteile im Frequenzspektrum, die bei etwa 200Hz liegen, den Vollausschlag ergeben, muß der Pegel der hohen Frequenzen spiegelbildlich zu der im Bild gezeigten Kurve abfallen, wenn das Band nicht übersteuert werden soll.
Diese Forderung ist besonders dann zu berücksichtigen, wenn das Band aus Gründen höherer Dynamik (z.B. Klassikaufnahmen) absichtlich höher als nach der Norm zulässig ausgesteuert wird.
Hierbei darf man noch nicht einmal an die äußerste Magnetisierungsgrenze gehen, da erfahrungsgemäß die Übersteuerungsfestigkeit des Bandes bei hohen Frequenzen kleiner ist als bei tiefen oder mittleren Frequenzen.
Dem Kurvenverlauf liegt die sogenannte Amplitudenstatistik zugrunde.
Sie besagt, dass nach hohen Frequenzen hin die Amplituden geringer werden.
Diese Amplitudenstatistik gilt nun für die Instrumente moderner Unterhaltungsmusik und die heutigen Aufnahmepraktiken nicht mehr ohne gewisse Einschränkungen.
Man denke dabei nur an die oft sehr geringen Mikrofonabstände.
Jedem Toningenieur ist das schon einmal zu Bewusstsein gekommen, wenn er den Versuch unternommen hat, beispielsweise Schlüsselklirren mit Vollaussteuerung verzerrungsfrei aufs Band zu bringen.
Auf Grund dieser Tatsache ist es naheliegend, das Aussteuerungsinstrument hinter den Aufnahmeverstärker zu legen oder es mit einer Vorbewertung zu versehen.
Die Anwendung eines solchen Instrumentes allein zur Aussteuerungsanzeige hätte jedoch zur Folge, dass gerade im energiereichsten Frequenzbereich das Band beim Auftreten großer Oberwellenamplituden nicht voll ausgenutzt, also untersteuert werden würde.
Es ist deshalb zweckmäßig, ein bewertetes und ein unbewertetes Instrument übereinander zu setzen, die beide Vollausschlag zeigen müssten.
In diesem Fall wäre eine optimale Ausnutzung des Bandes bei kleinstem Klirrfaktor gegeben.
Auf Grund dieser Überlegungen wurde für Betriebsversuche ein Aussteuerungsmesser mit dieser speziellen Bewertungskurve versehen.
Diese Kurve berücksichtigt gleichzeitig die beim Schneiden der Lackfolie gegebenen Leistungsgrenzen bei hohen Frequenzen sowie die Schwierigkeiten, die sich bei der Abtastung tiefer Frequenzen ergeben.
Den gewählten Kurvenverlauf zeigt das Bild.
Zu Testzwecken wurden nun über dieses Gerät mehrere Bänder verschiedenen Programminhalts wiedergegeben.
Die Ergebnisse sind in der Tabelle zusammengestellt.
Diskutiert man diese Ergebnisse, dann muß man berücksichtigen, dass jeder infolge Übersteuerung des Tonträgers entstehende Klirrfaktor einen anderen subjektiven Gehöreindruck hervorruft.
Auf Grund dieser Tatsache braucht z.B. ein verzerrter Trompetensatz nicht unbedingt verzerrt zu scheinen, da bei der Trompete ein großer Oberwellenanteil vorhanden ist.
Anders liegen die Verhältnisse bei den oberwellenarmen Instrumenten oder bei kritischen Sprech- und Gesangsstimmen.
Jedem Toningenieur ist unter anderem das „Zischen“ einer gut gesprochenen Sprache bei S- und Z- Lauten bekannt.
Daraus ist zu entnehmen, dass zwar eine elektrisch objektive Bewertung dieser kritischen Bereiche möglich ist, diese aber über den subjektiven Eindruck verhältnismäßig wenig aussagt.
Symmetrie der Anzeige
Ein weiteres Kriterium bei der objektiven Aussteuerungsmessung bildet die Symmetrie der Aussteuerungsmesser.
Soll die Anzeige unabhängig von Polung des Instrumentes sein (soll also das Instrument tatsächlich den Spitzenwert anzeigen, gleichgültig welche Polarität dieser Wert hat), dann werden an die elektrische Symmetrie hohe Forderungen gestellt.
Diese Forderungen sind in der Praxis nur schwer zu erfüllen, da die Logarithmierung bei den meisten gebräuchlichen Geräten auf der Wechselspannungsseite durchgeführt wird, so dass Verzerrungen des Verstärkers, ungleiche Kennlinien bei der Anwendung von Varistoren und unsymmetrische Gleichrichtung eine polungsabhängige Anzeige bewirken.
Messungen haben ergeben, dass die Abweichungen durchaus 3dB erreichen können.
Abweichungen dieser Größenordnung können selbstverständlich den Bandaustausch erschweren, da insbesondere der Rundfunk aus verständlichen Gründen harte Anforderungen an die genaue Einhaltung des Spitzenpegels stellen muß.
Phasenbeziehungen bei der Aussteuerung von Stereo- Programmen
Alle vorgenannten Erscheinungen gelten uneingeschränkt sowohl für die Einkanal- als auch für die Mehrkanalanzeige.
Bei der Mehrkanalanzeige, die seit der Einführung des Stereo- Rundfunks eine immer größere Bedeutung erlangt hat, kommt jedoch noch ein erschwerendes Moment hinzu: die Phasenbeziehungen der einzelnen Kanäle zueinander.
Betrachtet man die Technik dieser Anzeige, dann sind zwei Verfahren festzustellen, die sich eingeführt haben.
Beim ersten das sich vorwiegend beim Rundfunk bewährte. benutzt man für jeden Kanal ein getrenntes Aussteuerungsinstrument.
Das zweite enthält für jeden Kanal einen getrennten Verstärker- und Logarithmierungsweg, die dann gleichstrommäßig parallel auf ein Instrument geschaltet werden.
Beide Verfahren haben eines gemeinsam: Sie zeigen den Spitzenwert eines der verwendeten Kanäle an.
Für die Anzeige ist es gleichgültig, ob ein Kanal oder mehrere Kanäle gleichzeitig voll ausgesteuert werden und welche Phasenbeziehungen die Kanäle zueinander haben.
Die Phasenbeziehungen werden jedoch interessant, wenn man eine völlige Kompatibilität der Systeme verlangt.
Beim Rundfunk war dies besonders problematisch, da er von der Tonträgerindustrie mit kompatiblen Stereo- Kopien beliefert wurde, aber
seinen Sendbetrieb zum Teil noch in Mono abwickelte.
So ergeben sich bei der Abtastung von Stereo- Bändern mittels additiv zusammengeschalteter Stereo- Kanäle oder bei der Abtastung mittels Vollspurköpfen gewisse Schwierigkeiten.
In beiden Fällen wird die Summe beider Kanäle erfasst.
Da jedoch zwischen den Kanälen nicht immer eine eindeutige Phasenbeziehung besteht, können bei der Summenbildung mehr oder weniger starke Pegelabweichungen auftreten.
Im Falle einer Mitteninformation bildet sich eine rein arithmetische Summe aus, das heißt, der Pegel steigt gegenüber einer Spur um 6dB an.
Dies würde, wenn man von der neutralen Zone in der Bandmitte absieht (sie ergibt bei den gebräuchlichen Köpfen mit 0,75mm Trennspur einen Pegelverlust von etwa 1dB), einer Vollspuraufzeichnung entsprechen.
Anders liegen die Verhältnisse bei der Aufnahme inkohärenter Quellen (Rechts- Links- Stereofonie).
Hierbei findet eine geometrische Addition statt, die den Pegel nur um 3dB ansteigen lässt.
Zur Übersicht über diese Zusammenhänge sind in der Tabelle die wichtigsten Fälle zusammengestellt.
In allen Fällen wurde das Tonbandgerät mittels eines entsprechenden DIN- Bezugsbandes auf Normpegel eingemessen.
Hierbei ist zu beachten, dass für den Fall gleicher akustischer Leistung die Mitte mit -3dB ausgesteuert wird.
Der fünfte Fall diente deshalb lediglich theoretischen Zwecken.
Damit nun beim Abspielen gemischter Bandaufnahmen keine unzulässig hohen Pegelsprünge auftreten, gab das IRT als Übergangslösung die Empfehlung heraus, dass sich bei der Abtastung eines Stereobandes mittels eines Vollspurkopfes der gleiche Spitzenpegel wie bei einem entsprechenden Vollspur- Monoband ergeben soll.
Das muß nun zwangsläufig zu einer höheren Aussteuerung beider Stereo- Kanäle führen, die im Normalfall bei etwa 4dB liegt.
Da der Spitzenpegel bei der Summenbildung stark vom jeweiligen Programminhalt abhängt und aus diesem Grunde der
Tontechniker eine individuelle Aussteuerung vornehmen müsste, hat man sich entschlossen, mit Hilfe einer elektrischen Summenschaltung eine additive Anzeige beider Kanäle vorzunehmen.
Durch diese Methode ergibt sich bei der Monowiedergabe gemischter Bandaufnahmen ein konstanter Lautstärkeeindruck.
Das ist besonders wichtig bei der Modulation eines AM- Senders, dessen Reichweite eine Funktion des Modulationsgrades ist, so wie beim Empfang stereophoner Rundfunksendungen mit einkanaligen Empfängern.
Die aufgeführten Beispiele deuten nur an, welche Schwierigkeiten der Rundfunk und die Tonträgerindustrie bei der Aussteuerung gegenüberstehen.
Da sind unsere Problemchen mit der richtigen Aussteuerung verschiedener Heimbandgeräte kein wirklicher Vergleich.
Bernd