Zwischendurch etwas Neues aus meinem kleinen Messlabor …
Mittlerweile habe ich die in Beitrag #97 angekündigten Kurzfilmchen über das sog. „Fischgrätenband“ fertig (wobei sich unter anderem auch herausstellte, dass Picotester keine höhere Bildauflösung als 1280x720 ermöglicht, doch damit kann ich leben).
Das Fischgrätenband ist eine spezielle Form des Azimutprüfbands und war ursprünglich eine Entwicklung der BASF, die unter dem Namen „Magnettonband zur Prüfung und Justierung der Spaltrichtung von Hörköpfen“ 1966 zum Patent angemeldet wurde, siehe Anhang. Es ist ein wirklicher Härtetest für die Spalteinstellung und Azimutpräzision jeder Bandmaschine.
Die Grundidee ist die Aufzeichnung einer hohen Frequenz, die idealerweise mit einem Vollspur-AK-Spalt stattzufinden hätte, welcher zur Senkrechten (also 90° zur Bandlängsachse) symmetrisch und periodisch dejustiert ist. Bei Abtastung mit einem exakt justiertem WK-Spalt wird sich dann ein konstanter Wiedergabepegel ergeben. Jede Abweichung von der Senkrechtstellung ergibt wegen der schwankenden Phasenlage der Signale aus beiden Spuren rhythmisch schwankende Pegel, und das sowohl in der Monosumme der beiden Kanäle eines Stereokopfes als auch bei Abtastung mit einem Vollspurkopf.
Einer der Hauptvorteile des Verfahrens liegt darin, dass ein Wiedergabekopf nicht erst verstellt werden muss um zu erkennen, ob seine ursprüngliche Einstellung korrekt war oder nicht. Dies war besonders im Rundfunkbetrieb sehr nützlich, wo die Zeit bekanntlich kostbar ist.
Eine „echte“ Fischgrätenaufzeichnung herzustellen würde jedoch einen Aufwand an Zeit und Präzision mit sich bringen, der in keinem Verhältnis zum erzielbaren Nutzen steht. Daher entwickelten die BASF-Anwendungstechniker einen Workaround, bei dem die erste Spur einer Stereoaufzeichung aus einer konstanten Frequenz bestand (12,5 kHz bei 38 cm/s). Die zweite Spur enthielt dieselbe Frequenz, diese wurde aber rhythmisch mit einem Phasenversatz von ±45° zur ersten Spur umgeschaltet. Auch bei diesem Verfahren treten bei Summierung beider Wiedergabekanäle oder bei Vollspurabtastung keine rhythmischen Pegelsprünge auf, wenn der WK einwandfrei justiert ist.
Die Toleranzgrenze für die Spaltsenkrechtstellung lag laut letztgültiger DIN 45513 und IEC 94/2 für 19 und 38 cm/s bei 2 Winkelminuten. Bei dieser Abweichung betragen die Pegelsprünge beim BASF-Spaltprüfband etwa 1,5 dB. (Zum Vergleich: Ein DIN-Bezugsband würde bei gleicher Wellenlänge und gleichem Azimutfehler einen Pegelrückgang von nur 0,3 dB liefern, was je nach Zustand des Bezugsbands leicht in den Bandflussschwankungen „untergehen“ kann.)
Die beiden Links unten verweisen auf Videos, wo zunächst jeweils eine kurze Aufzeichnung auf 19 cm/s mit 10 kHz ohne elektrischen Phasenversatz zwischen den Kanälen vorgeommen habe, darauf folgend dieselben 10 kHz mit einem alle ca. 1,4 Sekunden rhythmisch wechselnden Phasenversatz von ±90° zwischen den Kanälen. Beim zweiten Video ist der Aufnahmekopf so verstellt, dass sich ein elektrischer Phasenversatz von 5,7° ergibt, was einem Achsenverhältnis der Lissajousfigur von etwa 20:1 entspricht.
Wegen des höheren Phasenwinkels und der halben Geschwindigkeit ist die Empfindlichkeit meines Testbands etwa doppelt so hoch wie die des BASF-Prüfbandes. Die Messfrequenz habe ich mit 10 kHz festgelegt, weil bei kürzeren Wellenlängen die Bandflusschwankungen sich störend auswirken, so dass die Figur zu unruhig wird.
Bei dieser Wellenlänge wird kaum eine Maschine diesen Test bestehen, selbst wenn sie so korrekt wie möglich eingemessen ist, weil dadurch auch die unvermeidlichen zufälligen Phasenschwankungen aufgrund mechanischer Toleranzen (Band, Bandführungen, Tonwelle, Andruckrolle, Unregelmäßigkeiten auf der Vorratswickelseite etc.) unweigerlich und in starker Vergrößerung sichtbar werden.
Noch gemeiner wird dieser Test, wenn man zur Anzeige ein Oszilloskop oder Stereosichtgerät (Goniometer) verwendet. Dann nämlich müsste wegen der Phasenverschiebung von ±90° bei korrekter Azimuteinstellung ein Kreis zu sehen sein, dessen Durchmesserverhältnisse sich idealerweise nicht ändern. (Die Figur läuft abwechselnd im und gegen den Uhrzeigersinn, was bei der hohen Frequenz natürlich nicht zu erkennen ist.).
Bei der geringsten Abweichung wird der Kreis zu einer Ellipse, die in der XY-Darstellung des Picotesters sich rhythmisch wechselnd zur linken oder zur rechten Seite zeigt, was im zweiten Video zu beobachten ist.
Dieser Test ist so empfindlich, dass bei meiner M15A-Messbandmaschine mit ihrem extrem gutem Bandlauf bereits ein leichtes seitliches Berühren des AK oder WK ausreicht, um eine reproduzierbare Änderung hervorzurufen.
Die Abweichungen im zweiten Video sehen gravierender aus als sie sind. Tatsächlich finden sie im Submikrometerbereich statt: 5,7° elektrischer Phasenversatz entsprechen bei 2x2,75 mm Spurbreite, 19 cm/s und 10 kHz nur 0,3 Winkelminuten Azimutabweichung, was einem tatsächlichen Spaltversatz von 0,3 µm entspricht.
Wie gesagt: Solch ein Prüfband ist ein wahrer Härtetest, den sogar eingefleischte Perfektionisten als unfair empfinden könnten. Doch wenn’s ums exakte Messen geht – und letztlich darum, das wirklich Optimale aus einer Bandmaschine herauszukitzeln – kann ich bekanntlich ziemlich pingelig werden
Hier nun die Links:
Fischgrätenaufzeichnung - 10 kHz bei 19 cm/s - Justage korrekt
Fischgrätenaufzeichnung - 10 kHz bei 19 cm/s - 0,3’ dejustiert
Wegen des 16:9 Seitenverhältnisses der Videoclips ist der eigentlich beabsichtigte Kreis zu einer senkrecht stehenden Ellipse geworden. Das sah auf dem Picotester-Bildschirm anders aus, werde ich aber beim nächsten Mal berücksichtigen, sobald ich weiß, wie das geht :whistling: Das Prinzip ist aber hoffentlich trotzdem erkennbar.
Grüße, Peter